Kooperation Unesco und Tripadvisor Das Web als Wächter des Welterbes

Von Dagmar Gehm
Das Wattenmeer ist eins, die Dolomiten und die Pyramiden von Gizeh. Viele Touristenziele sind bei der Unesco als Welterbe gelistet. Jetzt kann man in einer Reisecommunity die Stätten bewerten und der Unesco beim Schutz helfen. Ausverkauf oder Demokratisierung der Unesco-Liste?

Bücher werden rezensiert, Hotels getestet und in Restaurants wird Probe gegessen - Bewertungsportale gibt es für jedes Bedürfnis. Seit kurzer Zeit können auch die Welterbestätten der Unesco im Internet kommentiert werden. Die Hüterin der Kultur- und Naturschätze der Welt hat sich mutig auf neues Terrain gewagt und geht eine Liaison mit Tripadvisor, einer der größten Reisecommunitys der Welt, ein. Tripadvisor ist eine Tochter des Internetreisebüros Expedia, also im Gegensatz zur Unesco keine gemeinnützige Institution.

Es entsteht zum ersten Mal eine Wechselwirkung mit der Öffentlichkeit.

Vis-à-vis des Eiffelturms in Paris vereinte sich das ungewöhnliche Paar vor kurzem. Die User von Tripadvisor sollen nicht nur Hotels und Strände bewerten, sondern auch die Welterbestätten. Das Unesco Welterbezentrum will die Kommentare und Eindrücke der Touristen für sich nutzen. Denn allein kann die Institution ihre Welterbestätten gar nicht mehr betreuen.

Überangebot an Welterbe-Bewerbungen

1972 wurde das Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt beschlossen. Seitdem ermittelt die Konvention Stätten von außergewöhnlichem, universellen Wert für die Menschheit. Jedes Jahr dürfen die Mitgliedsstaaten zwei neue Natur- und Kulturerbestätten vorgeschlagen. Nur jede dritte Stätte schafft es, so wie das Wattenmeer im vergangenen Jahr. Wer sich an die Richtlinien nicht hält, muss wie das Dresdner Elbtal mit der Aberkennung der Auszeichnung rechnen. 890 Welterbestätten in 148 Staaten - davon 689 Weltkulturerbe, 176 Weltnaturerbe und 25 Stätten, an denen sowohl Natur als auch Kultur schützenswert sind - stehen auf der Liste. Kein Reiseführer kommt ohne das Wort "Welterbestätte" aus.

Buchtipp

Das Welterbe für das Bücherregal: "Das Erbe der Welt" auf 528 Seiten. Alle Monumente sind einzeln bebildert und beschrieben. Ein Kartenteil mit Lageangabe der Erbestätten ermöglicht eine rasche geografische Lokalisierung. Verlag Kunth, München 2010, 49,95 Euro.

Bislang arbeitete die Unesco zurückgezogen. "Es entsteht zum ersten Mal eine Wechselwirkung mit der Öffentlichkeit", sagt Francesco Bandarin, Direktor des Unesco World Heritage Centre in Paris. Die Entscheidungsfindung wird weiterhin hinter verschlossen Türen stattfinden. Aber die Touristen sollen den Inspektoren zur Hand gehen. "Besonders hilfreich sind Informationen von Reisenden, die vor Ort waren und über den Zustand des Welterbes berichten. Außerdem wollen wir die Reiseindustrie durch diese Allianz stärker für nachhaltigen Tourismus interessieren", so Bandarin. Kurioserweise zahlt nicht die Unesco, die den Nutzen hat, sondern Tripadvisor 1,5 Millionen US-Dollar für die Kooperation. Wird das Welterbe zur Imagepolitur genutzt? "Natürlich hoffen wir, dass jemand, der unsere Website anklickt, die Partnerschaft mit der Unesco entdeckt und denkt: ‚Oh, das ist aber eine tolle Aktion!’", gibt Stephen Kaufer, Präsident und Geschäftsführer von Tripadvisor, unumwunden zu.

Touristenstrom statt Schutzfunktion?

Sollten Welterbestätten nicht geschützt anstatt vermarktet werden? "Wir lenken nicht vermehrt Touristen zu diesen Orten", meint Kaufer. "Aber wenn man sich auf unserer Homepage über das Wattenmeer informiert, entdeckt man, dass es ein Welterbe ist. Man wird bewusst auf seine Schritte aufmerksam gemacht und über den Schaden, den zuviel Tourismus dort anrichten kann."

Laut Kaufer ist das Interesse der monatlich 25 Millionen Nutzer am Welterbe vorhanden. Eine Umfrage von Tripadvisor unter 2500 europäischen Reisenden ergab, dass die Bereitschaft zum Schutz dieser Kultur- und Naturdenkmäler sehr groß ist. Danach machen sich 88 Prozent Gedanken darüber, wie die Stätten am besten geschützt werden können. Auch als Urlaubsziel stehen sie hoch im Kurs. So gaben 87 Prozent an, schon einmal eine solche Stätte besichtigt zu haben.

Partnerschaft auf Zeit

Das Prädikat "Welterbe" hat tatsächlich Schutzfunktion. Die Pyramiden von Gizeh waren 1995 von einem Straßenbauprojekt bedroht. Durch Verhandlungen mit der ägyptischen Regierung konnte die Straße umgelenkt werden. Als die archäologische Ausgrabungsstätte von Delphi in Griechenland 1987 nominiert wurde, gab es Pläne zum Bau einer Aluminiumfabrik in direkter Nähe. Die griechische Regierung wurde aufgefordert, einen anderen Ort für die Fabrik zu finden, so dass Delphi auf die Welterbeliste gesetzt werden konnte. Die Ökologie des Baikalsees war gefährdet, als an seinen Ufern die Öl- und Gaspipeline entlang geführt werden sollte. Zahlreiche Proteste konnten eine Verlegung der Pipeline bewirken.

Viele Stätten werden zur Aufnahme in die Liste des Welterbes vorgeschlagen. Doch zur endgültigen Entscheidung können Jahre vergehen. "Wie bei Bali", sagt Francesco Bandarin. "Hoffentlich erlebe ich während meiner Amtszeit die Aufnahme noch." Die Zusammenarbeit mit dem Bewertungsportal ist dagegen auf zwei Jahre begrenzt.

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