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HSV-Finanzen Die HSV-Katastrophe – Kaum Siege, kaum Punkte, aber jede Menge rote Zahlen

Der HSV steht vor dem Fall ins Bodenlose. Die Insolvenz ist viel schlimmer als der Abstieg.
Der HSV steht vor dem Fall ins Bodenlose. Die Insolvenz ist viel schlimmer als der Abstieg.
© Daniel Reinhardt/DPA
Der HSV-Dino steht vor dem Aussterben: Eine seit Jahren leere Kasse treibt den Traditionsklub nun wohl geradewegs in die Insolvenz. Als wäre es nicht schon schlimm genug.

Gestern standen wir noch am Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter. Der Spruch passt wie die Faust aufs Auge auf den HSV, den Dino der Fußball-Bundesliga, der als einziger Verein der Bundesliga seit ihrer Gründung angehört und noch nie abgestiegen ist. Damit dürfte am Ende der diesjährigen Saison jedoch Schluss sein. Nicht nur, weil mit Markus Gisdol schon wieder ein Trainer gefeuert worden ist, dessen spielerisches Konzept nicht gegriffen hat und weswegen der HSV erneut am Abgrund zur Zweitklassigkeit steht. Der Klub ist nicht nur 17. in der Tabelle und damit Vorletzter. Er hat derzeit auch nur mickrige 16 Punkte nach 20 von 34 Spieltagen. Voraussichtlich etwa 40 Punkte müssen es jedoch zum Klassenerhalt am Saisonende im Mai sein. Das heißt, dass die Mannschaft von den verbleibenden 14 Spielen acht oder besser neun Partien gewinnen müsste (pro Sieg gibt es drei Punkte), wenn sie weiter im Fußball-Oberhaus antreten will. Ob der neue Coach Bernd Hollerbach jedoch die Profis zu der Leistungssteigerung anstacheln kann, dürfte derzeit vor allem von einem großen Gefühl getragen sein: der Hoffnung.

Aus der sich anbahnenden sportlichen Misere resultiert eine andere, die weit schwerer wiegt als der drohende Abstieg: Es geht ums Geld. Wobei klar ist, dass das eine dem anderen folgt. Also die katastrophale Kassenlage dem seit Jahren anhaltenden sportlichen Desaster, das gleichermaßen aus Misswirtschaft wie einer größtenteils stümperhaften Einkaufs- und Verkaufspolitik der Lizenzspieler entspringt. Denn nur wer auf dem Rasen wenigstens im gesicherten Mittelfeld der Tabelle mitkickt, bekommt auch fette TV-Gelder. Während Meister Bayern München in der letzten Saison 39 Millionen Euro (Quelle: fernsehgelder.de) einsackte, musste sich der HSV als 14. mit 26,2 Millionen begnügen. Hinzu kommen je nach Tabellenstand Vermarktungs-Prämien (HSV: Höhe unbekannt) aus dem Topf der Deutschen Fußball-Liga und Sponsoren (HSV: u. a. 7,5 Millionen Euro von Emirates), die den Glanz eines einigermaßen erfolgreichen Klubs für ihre Produkte zu nutzen versuchen. 

Insolvenz nach der Zweitklassigkeit

Stürzt der HSV in die zweite Liga, dann geht der Laden mutmaßlich in die Insolvenz. Denn die Profiabteilung des HSV ist eine Aktiengesellschaft, die aus dem eigentlichen Verein HSV (e. V.) ausgegliedert wurde und nach den Regeln des Aktienrechts berichtspflichtig ist.

Besitzer der Aktien sind

der Mutterklub HSV e. V. mit 76,19 Prozent,

der Milliardär Klaus-Michel Kühne mit 20,57 Prozent

und drei dem Klub verbunden Familien mit zusammen 3,24 Prozent.

Besagte AG wäre bei einem Abstieg pleite. Wäre? Genau betrachtet ist sie das schon seit längerem. Mindestens seit 2013. Denn Geld verdient sie schon lange nicht mehr. Seit Beginn der Saison 2012/13 bis heute wurde laut Bilanzen kein Gewinn mehr ausgewiesen, sondern vielmehr ein Verlust von zusammen 48,7 Millionen Euro erwirtschaftet.

Und obendrein lasten auf dem maroden Laden mehr als 105 Millionen Euro Schulden. Dennoch wurden nur selten, wie es sich eigentlich für eine ordentliche Aktiengesellschaft gehören würde, die Vorstandsvorsitzenden oder die Finanzchefs zur Verantwortung gezogen, sondern stattdessen ging es fast immer den Sportdirektoren und vor allem den Cheftrainern an den Kragen. Insbesondere Letztere wurden so rasch wie verschwitzte Trikots gewechselt. In den letzten 17 Jahren engagierte der Klub als "Retter" sage und schreibe 15 Cheftrainer – und feuerte sie rasch wieder. Ihre jeweils durchschnittliche Sitzfestigkeit auf dem Schleuderstuhl: 1,13 Jahre. Nirgendwo sonst in der Liga ist er wackeliger.

Versüßt wurde den vom Hof gejagten Trainern der Abschied mit üppigen Abfindungen, weswegen in der Branche die Einschätzung gilt, dass die HSV Fußball AG nicht nur die am schlechtesten gemanagte Profitruppe der Bundesliga ist, sondern auch der inoffizielle Abfindungs- oder Auszahlungsmeister.

Ein paar Beispiele, was die Trainer betrifft:

Markus Gisdol bekam nach Einschätzung von Brancheninsidern eine Jahresgage von 1,7 Millionen Euro. Sein Vertrag läuft noch bis Sommer 2019, was bedeutet, dass die AG ihm weitere 2,4 Millionen Euro zahlen muss.

Sein Vorgänger Bruno Labbadia wurde nach nur neun Monaten im Amt gefeuert, soll aber bis zum Ende seiner Vertragslaufzeit ein Restgehalt von 1,3 Millionen Euro kassiert haben. Hinzu kam angeblich eine festgeschriebene Abfindung bei vorzeitiger Entlassung in Höhe von 1,2 Millionen Euro.

Der Holländer Bert van Marwijk ging 2014 mit geschätzten zwei Millionen Euro zurück in sein Heimatland.

Mirko Slomka, der van Marwijk beerbte und die vermeintliche Ballartisten des HSV zu trainierten versuchte, soll mit 1,8 Millionen Euro als Golden Handshake verabschiedet worden sein.

Dagegen nehmen sich die kolportierten 800 000 Euro für Thorsten Fink (2011–2013) und die je 500 000 Euro für Michael Oenning (2011) und Armin Veh (2010–2011) geradezu als Billigscheidungen aus.

 Was bei der seit Jahren immer wieder aufs Neue vergeigten Kassenlage oft vergessen wird, ist, dass von 2013 bis heute obendrein noch 120 Millionen Euro für oftmals verfehlte Spielertransfers raus gepulvert worden sind. Oft für solche Kicker, die ihr Geld nicht wert sind oder waren und schnell im Ruf standen, bestenfalls als talentierte Rumpelfußballer zu gelten, mit denen kein Blumenpott zu gewinnen ist, die aber mit Geld zugeschüttet werden. Wie etwa der HSV-Profi Lewis Holtby, der laut der Enthüllungs-Organisation "Football Leaks" ein Grundgehalt von 291 666 Euro beziehen soll – pro Monat! Wird ein Spiel gewonnen, was beim HSV selten vorkommt, fließen für jeden Sieg weitere 45 000 Euro auf das Konto des Mittelfeldspielers. Und jeder hinzukommende Punkt bringe ihm noch einmal 15 000 Euro. Das machte laut Football Leaks im letzten Jahr unterm Strich üppige 4,1 Millionen Euro aus. Das Problem: Holtby spielt inzwischen nur noch selten. Wie jetzt beim 20. Saisonkick auch wieder nicht. Mal, weil er verletzt ist. Mal, weil er zumindest unter Ex-Trainer Gisdol als "außer Form" galt oder "nicht ins Spielsystem" passte. Aber bezahlt werden muss er trotzdem.

Gute Gehälter auch ohne Erfolge

Nach Holtby als teuersten HSV-Spieler rangieren in der von der Internetseite fußballgeld.de verbreiteten Rangliste Kyriakos Papadopoulos, Filip Kostic und Bobby Wood mit je drei Millionen Jahressalär (ohne Prämien) auf Platz zwei, drei und vier. Es folgen Nicolai Müller und Aaron Hunt mit je 2,5 Millionen Euro sowie der Brasilianer Walace mit zwei Millionen Euro. Die meisten aus dem etwa 31 Mann umfassenden Lizenzspieler-Kader verdienen mehr als eine Million im Jahr – gleich, ob sie gewinnen oder verlieren. Alleine die Gehaltskosten plus Prämien für die Profis summieren sich so auf deutlich über 50 Millionen Euro im Jahr – bei nur 129 Millionen Umsatz. Nicht gerechnet die Millionen an Ablösesummen, die einst für den Wechsel der Spieler zum HSV zu bezahlen waren oder immer noch abgestottert werden müssen. So musste der HSV 2015 allein für Holtby laut der Webseite transfermarkt.de neun Millionen Euro Ablöse an den englischen Verein Tottenham Hotspurs überweisen.

Unaufhörliche Geldverbrennerei

Angesichts dieses wirtschaftlichen und sportlichen Desasters, der andauernden Verluste, der ständigen Trainerwechsel, der unaufhörlichen Geldverbrennerei und des drohenden Abstiegs in die Bedeutungslosigkeit fragen sich inzwischen auch die gusseisernen Fans, wofür die vierköpfige Manager-Riege laut Bilanz im Geschäftsjahr 2016/2017 eigentlich zusammen 3,95 Millionen Euro an Gehalt bezogen hat. Obendrein ist es mit Blick auf das katastrophale Zahlenwerk höchst fraglich, ob die wirtschaftliche Perspektive, die die Herren Klubmanager für die kommende Bundesligasaison 2018/19 demnächst den Bossen der Deutschen Fußball-Liga vorlegen müssen, seriös genug ist, um wieder eine Lizenz für die 1. Liga zu bekommen. Wenn nicht, dann hat das bei Heimspielen im Volksparkstadion zu den Klängen der HSV-Hymne "Hamburg, Deine Perle" swingende Dino-Maskottchen als Symbol für die Unabsteigbarkeit ausgetanzt.

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