Formel 1 in Bahrain "Über Geld müssen wir nicht reden"

Formel-1-Fans werden diese Saison neue Rennstrecken kennen lernen, in Mittel- und Fernost. Boss Ecclestone freut's; dort wird nicht diskutiert, sondern gemacht. In der Wüste von Bahrain sollen im April die Motoren heulen. Das kann heiter werden.

Er hoffe sehr, dass er nicht wegen der Formel 1 gekommen sei, ansonsten könne er gleich wieder gehen, habe Bernie Ecclestone ihm damals gesagt, und er habe geantwortet: Nein, er doch nicht. Er sei der Kronprinz von Bahrain, würde seit Jahren mit allem Rennen fahren, was Krach mache und Benzin verbrauche, und wolle fragen, wie man in seinem Land den Motorsport fördern könne. Seine Berater hätten gesagt, dass Ecclestone, der Veranstalter der Formel 1, der Beste für solche Fragen sei. Wahrscheinlich fügte Kronprinz Shaikh Salman bin Hamad Al Khalifa bei dem Treffen in Monza vor über vier Jahren noch den Satz hinzu, mit dem sich Scheichs überall recht beliebt machen: Geld ist nicht das Problem.

Ecclestone liebt solche Sätze, auch wenn man denken könnte, dass es jemandem, der bereits Milliardär ist und 73 Jahre alt, irgendwann egal sein müsste. Ist es aber nicht. Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb Ecclestone seine ursprünglichen Bedenken sehr schnell aufgegeben hat - und nun am ersten Aprilwochenende ein kleiner Inselstaat im Persischen Golf mit etwa so vielen Einwohnern wie Frankfurt am Main das erste Formel-1-Rennen im Mittleren Osten austragen wird. Einer davon dürfte sein, dass für die Familie von Kronprinz Salman Geld wirklich kein Problem ist. Es gibt diese Geschichte, dass der Onkel des Kronzprinzen in einem Jahr 5,4 Milliarden Dollar für Feste, Diamanten und Reisen ausgegeben haben soll. Als der neu gegründete Rechnungshof das vermeldete, war die Familie entrüstet: Unerträglich sei dieses Verhalten. Es wurde lange diskutiert und am Ende beschlossen, die Behörde doch nicht sofort wieder abzuschaffen.

Gegen das Formel-1-Projekt wird der Rechnungshof vermutlich nichts sagen, auch wenn Ecclestone 40 Millionen Dollar Provision bekommen haben soll und der Kurs 150 Millionen Dollar gekostet hat. Er ist der teuerste der Welt, was sich auch damit erklären lässt, dass für den Fahrbahnbelag mitten in die arabische Wüste unbedingt englischer Sand verbaut werden musste, weil er am besten für Rennstrecken geeignet ist. Formel-1-Techniker sagen dennoch, dass eine dünne Sandschicht reicht, um aus der griffigen Strecke eine Marmorplatte zu machen, auf der kein Wagen fahren kann. Wüstenstürme sind aber selten im Frühling. Hitze jedoch nicht, und darum wird das Fernsehen Flimmerbilder zeigen, in denen das gesamte Areal aus der Ferne wie eine Fata Morgana aussieht. Es dürften schöne Aufnahmen werden - vor allem wenn die Kameras einen kleinen Schwenk machen, bis eine kleine Ortschaft zu sehen ist, und anschließend einen in die andere Richtung, wo es für die Gazellen in dem kleinen Wildpark bald mit der Ruhe vorbei sein dürfte. Es gibt wohl nicht viele Orte auf der Welt, wo man eine Formel-1-Rennstrecke zwischen ein Dorf und einen Zoo bauen könnte. Das Wort Bürgerinitiative ist eher selten in Bahrain. Das dürfte ein weiterer Grund sein, warum Ecclestone Bahrain so gefallen hat. Die Königsfamilie führt das Land ungefähr so wie Ecclestone die Formel 1. Außer den 150 Millionen für den Bau der Piste hat der Kronprinz dieselbe Summe für ein Industriegebiet und eine Autobahnanbindung ausgegeben. Das hat er gern getan. Ob er denn selbst auf der Strecke mal fahren wolle? "Selbstverständlich, schließlich habe ich das alles bezahlt."

Kronprinz Salman ist ein untersetzter Mann mit Doppelkinn, einer sonoren, freundlichen Stimme und der Fähigkeit, den Menschen in seiner Umgebung mit den Augen Befehle zu geben. So etwas lernt man wohl nur, wenn man schon als Kind gesagt bekommt, dass man irgendwann König sein wird. Seine Audienzen gibt er in seinem Arbeitspalast, einem großen, flachen Bau mit riesigem Innenhof und vielen blau gekleideten Dienern, die abwechselnd bitteren Kaffee und süßen Tee servieren, während die Herren von der Königsgarde manchmal in den Warteraum schauen, um nachzusehen, ob sich die Männer und Frauen aus dem Westen geziemend benehmen.

"Viele Länder um uns herum versuchen, sich auf die Zukunft vorzubereiten. Für mich, ist die Formel 1 ein Startschuss für unsere Gesellschaft", sagt Kronprinz Salman.

Er macht sich Sorgen. Niemand, der den Namen der Königsfamilie Al Khalifa trägt, wird jemals Geldnot haben. Aber ob es in 30 Jahren immer noch möglich sein wird, jedes einzelne Pflänzchen auf den Grünstreifen zu bewässern, obwohl es im Sommer bis zu 62 Grad heiß wird? Es ist das gleiche Problem wie in Katar oder Dubai. Das Öl geht zu Ende, und damit die Quelle für Reichtum, Wohlstand und für zufriedene Bürger, von denen viele nichts gegen eine Monarchie haben - so lange jedes Kind eine gute Ausbildung erhält, medizinische Versorgung kostenlos ist, der Scheich zur Hochzeit ein großzügiges Geschenk überreicht. Und körperlich anstrengende Arbeit Inder, Pakistani oder Ägypter für 250 Euro im Monat erledigen.

Die Autobahnen in Bahrain

sind breit, modern und ohne Berufsverkehr, was wohl daran liegt, dass die Leute, die arbeiten, sich kein Auto leisten können. Es gibt kaum einen besseren Ort auf der Welt, um sich zu fragen, ob die Sehnsucht nach Freiheit und Demokratie nicht etwas damit zu tun hat, wie groß das Auto und der Pool sind, die man sich gerade leisten kann.

In Bahrain wurde 1925 Öl entdeckt, mitten in einer kleinen Insel, 25 Kilometer vor Saudi-Arabien, in der es außer wunderschönen Perlen und den reinrassigsten Hengsten Arabiens kaum etwas gab. Sie waren die Ersten am Golf, die Öl gefördert hatten, und sie werden zu den Ersten gehören, denen es ausgeht. Manche sagen, dass es nicht klug war, sich auf die Formel 1 zu verlassen, um das Land bekannt zu machen und Touristen anzulocken. Da Michael Schumacher zum sechsten Mal Weltmeister wurde, lässt das Interesse bei den Zuschauern langsam nach. Für die Formel 1 und die Hersteller macht es aber aus vielen Gründen Sinn, Europa zu verlassen und nach Shanghai oder eben Bahrain zu gehen. Dort darf man vielleicht keinen Champagner bei der Siegerehrung trinken, aber für Zigaretten werben, das darf man.

Die Formel 1

, sagt der Kronprinz, "ist keine Veranstaltung, mit der man kurzfristig Geld verdient, aber ich glaube, dass sie eine Volkswirtschaft verändern kann". Es ist diese Hoffnung, die ihn antreibt, die Hoffnung auf eine Wirtschaft, die ohne Öl genug verdient, die Hoffnung, dass seine Untertanen und Auto-Fans aus Saudi-Arabien oder den Emiraten bereit sein werden, bis zu 620 Dollar Eintritt für den Besuch einer Sportart auszugeben, die in der Region ungefähr so viel Tradition hat wie Falkenzucht in Deutschland. Bisher sind für das Rennwochenende etwa 37 000 Tickets verkauft worden; wenig verglichen mit dem Andrang in Hockenheim, Barcelona oder Monte Carlo, aber genug, um für die Zeit des Rennens kein Hotelzimmer mehr in Bahrain zu bekommen. Dabei bestand ursprünglich der Sinn darin, mit Hilfe der Formel 1 Touristen ins Land zu holen.

Kronprinz Salman sollte sich vielleicht mit Fayez Ramzy Fayez unterhalten. Der könnte ihm ein paar andere, grundsätzlichere Probleme erklären. Fayez Ramzy Fayez ist ein großer, kräftiger Mann, Mitte dreißig, für den das erste Wochenende im April der wichtigste Tag seines Lebens wird. "Ich habe die Verantwortung, ich muss aufpassen, dass alles funktioniert", sagt er. Es wird sein Rennen werden. Schumacher oder Räikkönen werden es vielleicht gewinnen, RTL wird aus einem Zwei-Stunden-Ereignis wieder vier Stunden Programm machen, die Al Khalifas werden sich das alles vom Dach des achtstöckigen Vip-Towers anschauen, und Bernie Ecclestone wird ein wenig reicher geworden sein. Aber für keinen von ihnen wird dieses Rennen so wichtig wie für Fayez Ramzy Fayez. Keiner von ihnen verzichtet seit anderthalb Jahren auf die Wochenenden, auf Urlaub, überhaupt auf Freizeit, keiner von ihnen kann sagen, dass er vor Freude geweint hat, als bekannt wurde, dass die Formel 1 in sein Land kommt, keiner kann sich vorstellen, wie viel Angst er hat, dass die Streckenposten, die er gerade ausbildet, bei einem Unfall versagen und die falsche Flagge schwenken.

Fayez Ramzy Fayez ist Präsident

des "Bahrain Motorsport Marshals Club". Marshals sind die Leute, die mit einem grellfarbenen Leibchen am Rande des Formel-1-Kurses stehen und aus einem Rennen - in dem Autos fahren, die in 2,2 Sekunden auf hundert Stundenkilometer beschleunigen - eine etwas weniger gefährliche Sache machen sollen. Früher ist Fayez Ramzy Fayez selbst ein wenig gefahren, mit ein paar Freunden in der Wüste. Mittlerweile hat ihm seine Frau das verboten. Sie findet Rennsport gefährlich, teuer und nicht sonderlich intelligent. Er jedoch nicht, darum steht er wie fast jeden Abend in einem der Klassenzimmer des "University College Bahrain", in dem gerade ein Motorsport-Experte aus Australien zwanzig jungen Leuten erklärt, was der Unterschied zwischen einer roten Fahne (Rennabbruch), einer grünen (freie Fahrt) und einer gelben (Überholverbot) ist.

700 Freiwillige hat Fayez Ramzy Fayez zusammenbekommen, die 400 besten will er in den nächsten Wochen aussuchen. Er ist an diesem Abend ein wenig nervös, weil morgen ein wichtiger Tag sein wird. Zum ersten Mal wird ein Formel-1-Wagen in einem arabischen Land fahren, und seine Leute müssen beweisen, dass sie in der Lage sind, eine Strecke so zu sichern, dass niemand in Gefahr ist, wenn ein Rennauto mit 300 Kilometern pro Stunde auf einem Stadtparcours fährt. Der Kronprinz hat sich damit einverstanden erklärt, den King Faisal Highway, direkt vor dem Diplomatenviertel, absperren zu lassen, um den Einwohnern von Bahrain zu zeigen, wie laut und schnell Formel-1-Wagen sein können. "Morgen ist der letzte Test, morgen müssen wir beweisen, dass wir es können", sagt Fayez Ramzy Fayez.

Es war nicht seine Schuld.

Eigentlich hatte niemand Schuld, dass am Ende des nächsten Tages die Techniker von Sauber aussahen, als hätten sie eine Straßenschlacht überlebt, und dass Hunderte von Besuchern auf die Strecke rannten und das Vip-Zelt auf der Suche nach Frei-T-Shirts stürmten. Wahrscheinlich sind nur Europäer so dumm, irgendwo nicht reinzugehen, bloß weil jemand am Eingang sagt, dass dies nur mit einem Pass möglich sei, auf dem Vip steht. Die Menschen in Bahrain sind freundliche, tolerante Leute, die sich vereinfacht ausgedrückt in zwei Gruppen einteilen lassen - in Scheichs und solche, die einen Scheich kennen. Es gibt gewissermaßen nur Vips, Menschen, die sich und andere wichtig nehmen; und irgendwie ist das sympathisch.

Fayez Ramzy Fayez sah am Abend nach dem Debakel traurig aus. Dabei hatte alles gut begonnen. Als Vorprogramm waren ein paar Harley Davidsons den Highway abgefahren, anschließend einige aufgemotzte Minis. Das erste Problem trat auf, als plötzlich ein Paraglider auf der Strecke landete, kurz nachdem die Porsches losgedüst waren. Welche Fahne man bei Paraglidern schwenkt, die auf der Strecke landen, wusste nicht mal der australische Ausbilder. Fayez Ramzy Fayez schaffte den Flieger weg, und er wurde unruhig. Der Moment, in dem ihm klar geworden sein dürfte, dass es in seinem Land wichtigere Dinge gibt als die Regeln des Automobil-Rennverbandes Fia, kam, als er einen der Streckenposten anschrie. Gerade war der Sauber-Wagen den Highway hochgerast, und einige Menschen sprangen auf die Strecke, um ihm nachzusehen. Fayez Ramzy Fayez brüllte in sein Funkgerät: "Marshal, Marshal, das musst du verhindern."

"Chef, das ist schon okay, das sind meine Brüder."

Der ursprünglich geplante zweite Lauf des Sauber-Teams auf dem Highway wurde abgesagt. Die Straße war voller gut gelaunter Menschen, die sich alle mal ein Formel-1-Auto ganz aus der Nähe ansehen wollten. Vielleicht gehen einige von ihnen ja zum Rennen.

Juan Moreno

PRODUKTE & TIPPS