In der Tonhöhe und Intensität, wie Mark Webber seine Emotionen über den Sieg beim Großen Preis von Deutschland rausbrüllte, können das sonst nur halbwüchsige Tennisspielerinnen. Keine Sorge, der 32-Jährige Australier ist ein ganzer Mann. Vor einem guten halben Jahr wurde ihm nach einem Fahrradunfall im Outback (falsche Fahrbahnseite!) keine Chanc mehr auf die Formel-1-Saison gegeben - Schulter und Bein gebrochen. Der Gasfuß heilte im Renntempo: Beim neunten von 17 WM-Läufen konnte er trotz einer Durchfahrtstrafe wegen einer Startrempelei mit Rubens Barrichello am Ende mit 9,2 Sekunden Vorsprung seinem Red-Bull-Teamkollegen Sebastian Vettel die Show stehlen. Der zweite Doppelsieg des Dosen-Rennstalls innerhalb von drei Wochen, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Sieben Jahre hat Webber auf diesen Tag hingearbeitet.
Gleichzeitig rutschten die bisherigen WM-Favoriten Jenson Button und Rubens Barrichello mit den fröstelnden Brawn-Mercedes auf die Ränge fünf und sechs - im Eifelsommer, der wie ein britischer Winter anmutete, kamen die Reifen nicht auf Temperatur, und die Tankstrategie war diesmal nicht die beste. In der WM-Tabelle hat das Auswirkungen, die zumindest einen Schimmer Hoffnung auf Rest-Spannung hervorrufen: Button führt mit 68 Punkten vor Sebastian Vettel (47), Mark Webber (45,5) und Rubens Barrichello (44). Interessant und entscheidend in diesem neu sortierten Spitzenquartett wird auch sein, wie viel Punkte sich die jeweiligen Inteam-Feinde gegenseitig wegnehmen. Vettel weiß, nachdem Webber zum fünften Mal in diesem Jahr besser platziert ist, dass er den größten Rivalen vielleicht sogar neben sich hat.
Für das Rennen auf dem Nürburgring musste Sebastian Vettel, der nach einem verpennten Start zwischenzeitlich auf Rang sechs und hinter Button zurückgefallen war, anerkennen: "Mark war diesmal unschlagbar. Aber ich habe mit guter Strategie und vollem Tank im Rennen Boden gutmachen können. Ein schwieriger Tag, aber ich kann mit dem Resultat zufrieden sein. Ich hätte natürlich lieber gewonnen..." Seinem bittersüßen Lächeln war anzusehen, wie ihn die Reihenfolge beim Heimspiel wurmte. Verschenkt hatte er den möglichen Sieg schon in der verregneten Qualifikation. Kurz vor Ende der Stunde war er zu den entscheidenden beiden Runden aufgebrochen. Aber nach einem neuerlichen Missverständnis mit dem Team war nur Zeit für einen schnellen Umlauf geblieben, ihm fehlten dann zwei Zehntel zur ersten Startreihe. "Das hat einen großen Unterschied gemacht", wusste er selber. Weniger politischer korrekt, aber entschieden deutlicher kommentierte er die daraus resultierende Startsituation: "Ich steckte in der Sch....e."
Es bleibt hitzig
Der graue Nachmittag in der Eifel könnte dennoch Wendepunkt gewesen sein in dieser scheinbar schon entschiedenen Weltmeisterschaft. Der Brawn-Mercedes kann nicht mehr von seinem innovativen Vorsprung zehren, jetzt muss das Team die technische Aufholjagd aufnehmen. Die schon für den Nürburgring geplanten Verbesserungen sollen in zwei Wochen auf dem Hungaroring bei Budapest ans Auto kommen. Dort ist es traditionell heiß, was das einzige richtige Handicap an dem weißen Rennwagen löst - dass die Reifen bei kühlem Wetter nicht auf die optimale Betriebstemperatur kommen. Nicht nur von den Außentemperaturen her zeigt das Eifel-Rennen: Es bleibt trotz des komfortabel erscheinenden Vorsprungs der Brawnbären hitzig in der Formel 1.