"Ich wollte diesen Platz unbedingt haben. Für dieses Team anzutreten, ist die größte Chance meiner Karriere. Als es mir Frank Williams 20 Minuten vorher mitgeteilt hat, konnte ich es kaum glauben", sagte Nick Heidfeld überglücklich nach der Bekanntgabe seiner Verpflichtung durch den britischen Teamchef bei der Präsentation des neuen Rennwagens FW 27 am Montag im spanischen Valencia.
"Es war eine sehr schwierige Wahl. Die Entscheidung ist erst in letzter Minute gefallen", erklärte BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen. "Wir haben viel nachgedacht und abgewogen. Beide Fahrer sind ebenbürtig", sprach Williams von einer hauchdünnen Entscheidung zu Gunsten des 84-maligen Grand-Prix-Starters. Der unterlegene Brasilianer Antonio Pizzonia bleibt Testfahrer des britisch- bayerischen Top-Teams. Mark Webber (Australien) stand schon seit Monaten als erster Stammpilot fest.
Interview Nick Heidfeld
Wie groß ist ihre Freude, das ersehnte zweite Cockpit bei Williams-BMW zu besetzen?
Nick Heidfeld:
"Bis gestern Abend war ich noch gar nicht aufgeregt. Dann wurde es aber immer schlimmer. Und als Frank Williams mir 20 Minuten vor der offiziellen Präsentation sagte, dass ich den Platz bekomme, war das ein unglaublicher Moment. Ich war selbst verwundert, dass ich vor Freude nicht in die Luft gesprungen bin."
Haben Sie nach den Stationen Prost, Sauber und Jordan jemals gezweifelt, den Sprung in ein Team, dass um die Weltmeisterschaft mitfahren will, noch einmal zu schaffen?
Heidfeld:
"Nein. Ich habe immer an mich geglaubt. Dies ist nun die größte Chance meiner Karriere. Es ist fantastisch."
Was macht den Vorteil im Vergleich zu ihren bisherigen Teams aus?
Heidfeld:
"Alles ist viel einfacher. Man hat mehr Ansprechpartner. Man kann sich vielmehr einbringen und alles wird viel schneller umgesetzt."
Was haben Sie und Williams-BMW sich vorgenommen für die am 6. März in Melbourne beginnende Saison?
Heidfeld:
"Die Ziele des Teams sind sehr hoch. Mit dem zweiten oder dritten Platz will man sich nicht zufrieden geben. Mein persönliches Ziel ist es, alle zu schlagen, nicht nur Michael Schumacher, und in Zukunft die Weltmeisterschaft zu gewinnen. Wann, weiß ich noch nicht."
Erstmals echte Titelchancen für Heidfeld
Offensichtlich haben Heidfelds überzeugende Leistungen bei dem mit 5:2 gewonnenen Testduell gegen Pizzonia sowie seine Erfahrung und technischen Fähigkeiten, das Auto weiterzuentwickeln, den Ausschlag gegeben. "Nick hat einen beeindruckenden Job gemacht. Er hat das zweite Cockpit mit seiner souveränen Vorstellung verdient", bestätigte Theissen den gelungenen Auftritt des 27 Jahre alten Mönchengladbachers. Er sei zuversichtlich, dass Heidfeld die Erwartungen eher übertreffen werde, als sie nicht zu erfüllen.
Bei Heidfeld löste sich nach diesem Volltreffer die Spannung schnell. "Das ist der große Schritt, den ich mir in den letzten Jahren immer erhofft habe", sagte der zuvor bei den Mittelfeldteams Prost, Sauber und Jordan fahrende Rheinländer. Jetzt sieht der als großes Talent geltende frühere Formel-3000- Meister endlich echte Titelchancen für sich. "Mein Ziel ist, in Zukunft die WM zu gewinnen. Wann, weiß ich noch nicht." Mit einer direkten Kampfansage an den siebenmaligen Champion und erneuten Favoriten Michael Schumacher bei der am 6. März in Melbourne startenden Saison hielt sich Heidfeld jedoch zurück. Schließlich war Williams-BMW im Vorjahr als enttäuschender Vierter der Konstrukteurs-Wertung meilenweit hinter den hoch gesteckten Erwartungen zurückgeblieben.
Ungewisse Aussichten mit neuen Fahrern und neuem Fahrzeug
Mit dem neuen Wagen und dem neuen Fahrerduo hoffen die Weiß-Blauen wieder auf bessere Zeiten. "Wir wollen in die Erfolgsspur zurückkehren", sagte Williams, verzichtete aber im Gegensatz zu 2004 auf vollmundige Titelversprechungen. Schließlich bleibt abzuwarten, ob der FW 27 nicht eine ähnliche Enttäuschung wie das Vorgängermodell wird und ob Webber und Heidfeld, die sportlich noch keine großen Erfolge vorweisen, die große Lücke der zu Toyota bzw. McLaren- Mercedes abgewanderten Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya stopfen können. "Wir können dem Team Stabilität geben", äußerte sich der Australier zuversichtlich. "Ich bin glücklich, mit Nick zu fahren und hoffe, dass wir eine wunderbare Zukunft haben."
Der neue Bolide fällt durch eine spitze, relativ hohe Nase und Kaminrohre an den Seitenkästen auf. Der 910 PS starke FW 27 soll 375 km/h schnell sein. "Es ist eine komplette Neuentwicklung mit dem leichtesten Chassis, das wir je gebaut haben", teilte Technik- Direktor Sam Michael den 450 Medienvertretern nach der feierlichen Enthüllung in einem Flughafenhangar mit. BMW will weiter an der Zuverlässigkeit des Motors P 84B arbeiten und danach dessen Power steigern.
Jens Marx/DPA