Zum ersten Mal seit 17 Jahren ist die Formel 1 eine Schumacher-freie Zone, aber trotzdem ist das einig' Raserland bestens vertreten, wenn am Sonntag mit dem Großen Preis von Australien die neue Saison gestartet wird. Es ist die Generation der Schumi-Erben, die das Geschehen von nun an bestimmen will. Um der Bedeutung der Formel 1 als Fernsehsportart gerecht zu werden (RTL und Premiere haben ihre Verträge gerade um mehrere Jahre verlängert) bietet sich ein berüchtigtes TV-Format als Prüfstand bestens an: Deutschland sucht den Superfahrer.
Fünf Stammfahrer auf einen Streich - die Deutschen stellen die stärkste Fraktion im Starterfeld: Nick Heidfeld (BMW-Sauber), Nico Rosberg (Williams), Timo Glock (Toyota), Sebastian Vettel (ToroRosso) und Adrian Sutil (Force India) vertreten die - selbsternannte - Autofahrernation Nummer eins.
Dazu mischen Mercedes, BMW und das in Köln ansässige Toyota-Team auch in der Markenwertung mit. So viel Deutsch war nie, nimmt man mal die bis zu zwölf Einzelstarter Anfang der Fünfziger Jahre aus. Aber haben die Protagonisten auch das entsprechende Talent? Ein kleiner Test für ein Quintett von unterschiedlichen Charakteren, das besser auf Touren kommt als ein Bohlen in Bestform.
Nick Heidfeld: Der Zähe
Doch, doch, er kann aus seiner Haut raus. Über sich hinaus wachsen, also über einsfünfundsechzig. Jede Techno-Disco verlässt er als Sieger, auf der Rennstrecke ist das nicht ganz so. 132 Rennen, aber keinen Grand Prix gewonnen. Seit mittlerweile achteinhalb Jahren ohne den ganz großen Erfolg. Aber der ist für 2008 dem BMW-Vorstand versprochen, obwohl sein neuer Dienstwagen am Anfang noch nicht in Balance war. Beflügelt von der letzten Saison, in der Heidi so wertvoll für die Entwicklung des Werksteams war wie nie zuvor. Der 30-Jährige mag ja schmächtiger und stiller sein als andere, aber er ist auch zäher. Wie Berti Vogts, der andere Gladbacher: Beißer unter sich, Durchbeißer.
Urteil der Jury: Podiumsplätze sind drin, mit etwas Glück auch der erste Sieg. Und dann mal sehen, ob es mit dem großen Durchbruch klappt.
Nico Rosberg: Der Sonnige
Drei-Wetter-Taft hätte den Sonnyboy längst zur Werbefigur machen sollen: Egal wie das Wetter ist, die blonde Surfer-Tolle, die er sich so telegen unter den Helm drapiert, sitzt. Außerdem hat er wirklich Manieren, und so gar nix von einem verwöhnten Bürschchen. Clever, smart und schnell - die Kombination ist relativ selten. Alles fällt ihm leicht, das kann nicht nur am Weltmeister-Vater liegen. Williams hat ihn mit 22 zum Junior-Chef gemacht, aber eigentlich fährt er um einen Vertrag bei Mercedes. "Das nächste große Ding", sagt Frank Williams über ihn. Sein treuer Husar hat den Winter mit Bergsteigen verbracht, für Kondition und Konzentration. Und um den Weg nach oben zu üben.
Urteil der Jury: Wenn das Auto so konstant schnell ist wie bei den Testfahrten, ist der anvisierte Sprung aufs Podium möglich.
Sebastian Vettel: Der Lustige
Ein Deutscher, der britische Spaßmacher zum Lachen findet? Ziemlich komisch, oder? Sebastian Vettel ist das breite Grinsen ins Gesicht gelegt. Zum Smiley passt der rasante Aufstieg: Vor anderthalb Jahren erst zum BMW-Testfahrer berufen, im letzten Jahr als Ersatzmann für Robert Kubica jüngster Punktgewinner der Grand-Prix-Geschichte, dann von ToroRosso abgeworben und mit dem Hinterbänkler-Team in Shanghai einen vierten Platz geholt. Deutschland ist sich nur beim Spitznamen für den 20-Jährigen noch nicht einig: Baby-Schumi? Bonsai-Schumi? Bubi-Schumi? Was wenige wissen: Am liebsten wäre der Seppi Fahrradkurier geworden. Kein Witz.
Urteil der Jury: Ist vorerst mit dem alten Auto unterwegs, das bremst. Aber aufhalten lassen wird er sich nicht, sondern jede Punktchance nutzen.
Timo Glock: Der Handfeste
Hat sich auf sein Comeback in der Formel 1 (war 2004 schon mal Ersatzpilot bei Jordan, zwei WM-Punkte) ein Vierteljahr lang in der Klinik aufgehalten - bei Schumis Ex-Trainern in Bad Nauheim. Bringt aus der zweiten Liga der Formel 1 den Titel mit, als Nachfolger von Nico Rosberg und Lewis Hamilton. Noch länger trägt er ob der Zweikampfstärke den Spitznamen "Kampfdackel", einst von einem Streckensprecher verliehen. Deshalb hat er sich einen stilisierten Hund auf den Helm malen lassen, und zu Ehren des neuen Arbeitgebers, der ihn als Ralf-Schumacher-Ersatz verpflichtete, trägt dieser nun Stirnband und japanische Schriftzeichen. Übersetzt steht dort: "Sohn des Windes". Doch ein Windhund ist der noch 25-Jährige nicht, sondern ein bodenständiger Handwerker. Mit Gesellenbrief als Gerüstbauer. Und der Neigung zu Wortspielen: Rock around the Glock, Glockspiel, Glock'n'Roll...
Urteil der Jury: Der Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Ralf Schumacher. Kann nicht anders als leistungsbezogen denken. Schon dafür wären ihm Punkte zu gönnen.
Adrian Sutil: Der Virtuose
Die Klaviatur der Public Relations beherrscht er besser als sein Kumpel Lewis Hamilton, und das ist am Ende des Feldes noch wichtiger als ganz vorn. Piano, in Anlehnung an den musikalischen Vater und die eigene, mit sieben gestartete Konzert-Karriere, wäre nach dem Debütjahr vielleicht angebrachter, als ihm der Titel des Dreherkönigs nicht zu nehmen war. Immerhin fuhr er aber im Regen-Chaos von Fuji auch den ersten WM-Punkt ein. Zweifel kennt der 25 Jahre alte Spätstarter ohnehin nicht: "Es ist ganz wichtig, dass man selber weiß, was man kann. Und das muss man sich auch immer wieder sagen. Das machen übrigens alle Fahrer - jeder muss glauben, dass er der Beste ist."
Urteil der Jury: Hat es von allen Landsleuten am schwersten, seine wahren Talente zu zeigen. Der nächste Punktgewinn wäre schon eine Sensation.
Die zweite Erbengeneration ist bereit
Wer von den Kandidaten das fünfte Rad am Wagen ist? Schon steht die zweite Erbengeneration in den Startlöchern. Schumi-Entdecker Willi Weber hat sich aus dem Vorruhestand zurückgemeldet und Nico Hülkenberg (20) als Testpilot bei Williams untergebracht. Siegertypen, die aus dem langen Schatten der Schumachers treten könn(t)en, sind immer gefragt. Die Suche nach Deutschlands Superfahrer fängt erst an.