Die Krise beim HSV geht weiter und der Höhenflug der Gladbacher ebenso. Am sechsten Spieltag der Bundesliga setzten sich die Borussen in der Imtech Arena mit 1:0 durch ein Tor von Igor de Camagro durch.
Nach einer extrem schwachen und einschläfernden ersten Hälfte, kam Borussia Mönchengladbach stärker aus der Kabine zurück. Nach einer Doppelchance, war es jedoch der HSV, der spielbestimmend war. Genau in der guten Phase der Hamburger traf de Camargo. Anschließend ging das Spiel nur noch in eine Richtung und fand einen hoch verdienten Sieger, der weiter vom internationalen Geschäft träumen darf.
Wenig Rotation
Die Vorzeichen waren klar. Die Gastgeber mussten punkten und so nahm Sportdirektor Frank Arnesen die älteren Spieler schon vor dem Match in die Pflicht. Acht Akteure, die schon in der vergangenen Saison für den HSV spielten, standen von Beginn an auf dem Platz. Im Gegensatz zum Nordderby setzte Trainer Michael Oenning Paolo Guerrero auf die Bank und berief für ihn Tomás Rincón in die Startelf.
Ohne Druck durften die Gladbacher agieren. Mit drei Siegen, einem Unentschieden und nur einer Niederlage aus fünf Partien standen die Fohlen auf Platz drei der Tabelle. Ein Saisonstart nach Maß für ein Team, das letzte Saison schon als so gut wie abgestiegen galt. Trainer Lucien Favre musste auf Stürmer Mike Hanke verzichten, der eine Knieverletzung hat. Den freigewordenen Startelf-Platz nahm Patrick Herrmann ein.
Die Bilanz sprach für den Bundesliga-Dino aus dem Norden. Hamburg konnte bisher 37 mal siegen, die Elf vom Niederrhein "nur 30 mal. Dazu kamen 24 Unentschieden in der knapp 40-jährigen Geschichte dieses Duells in der Bundesliga. Letzte Saison konnte Gladbach in Hamburg ein 1:1 erspielen, was zumindest den Hamburgern in dieser Saison zu wenig sein dürfte.
Schwache erste Hälfte
Die Partie begannen beide Vereine sehr zurückhaltend, fast schon ängstlich. Die Borussia stand in der Defensive wie unter Favre gewohnt sehr kompakt und ließ den HSV kommen und wartete auf Konter. Die wenigen Chancen zum Gegenstoß, die der HSV zuließ, konnten die Gladbacher nicht nutzen. Auffällig war vor allem, das fast jeder Angriff über Mittelfeldspieler Marco Reus lief.
Der HSV bemühte sich, das Spiel zu gestalten und offensiver zu spielen als die Gäste. Doch bis auf die eigene gute Leistung in der Abwehr, konnte man die Hamburger bis dato auch nicht loben. Lediglich ein Torschuss durch einen Jarolim-Freistoß (34. Minute) konnte der Tabellenletzte verbuchen.
Die erste Hälfte wurde somit von vielen Diskussionen, Auseinandersetzungen und gutem Abwehrverhalten geprägt. Dass beide Trainer mit der Leistung scheinbar nicht zufrieden waren und ihren Jungs in der Kabine Feuer gemacht haben müssen, sahen die Zuschauer nach dem Seitenwechsel.
Druckvoller Beginn zur 2. Halbzeit
In der 48. Minute hatte Reus zu viel Platz vor dem Sechzehner des HSV und konnte Igor de Camargo seelenruhig in den Lauf spielen. Dessen Schuss wehrte Jaroslav Drobny gerade noch so mit dem Fuß zur Ecke ab. Nur eine Minute später kam Juan Arango aus acht Metern frei zum Schuss, dieses Mal warf sich Slobodan Rajkovic in den Ball und rettete. Gladbach trat nun aktiver auf und wartete nicht mehr nur auf Konter. Doch auch der HSV wurde mutiger.
Nachdem Oenning seinen wohl auffälligsten Spieler der ersten Hälfte, Marcell Jansen, gegen Gökhan Töre eintauschte und Heung-Min Son für Per Skjelbred brachte, wurde es brenzlig für die Gladbacher. Son passte bei seiner ersten Aktion auf die linke Außenbahn zu Töre, der den Ball an den langen Pfosten flankte. Dort köpfte Robert Tesche in Richtung Tor, doch Filip Daems rettete, worauf die Schreie nach einem Elfmeter laut wurden, der Pfiff blieb jedoch trotz des vermeintlichen Handspiels aus (59.). Direkt im Anschluss war es erneut Töre, der den Ball flach vor das Tor der Gäste brachte und wieder war es Daems, der klärte.
De Camargo erledigt Hamburg
Die Partie nahm an Fahrt auf und genau in dem Moment, in dem die Hamburger Fans spürten, dass ihr Team stärker wurde, rappelte es im eigenen Tor. Wie so oft in dieser Saison geschah es nach einer Standardsituation. Arango brachte den Freistoß aus dem rechten Halbfeld hoch in den Strafraum. Beim HSV stimmte die Zuordnung überhaupt nicht und nachdem sich weder Son noch Rajkovic um de Camargo kümmerten, köpfte jener locker zum 1:0 in der 66. Minute ein.
Der HSV war am Boden zerstört und lief Gefahr, schnell auch noch das zweite Tor zu kassieren. Direkt nach der Führung schaffte es Daems im Strafraum querzulegen auf Reus, der völlig frei zum Abschluss kam. Den Schuss des Mittelfeldakteurs hielt Drobny allerdings stark.
Während Oenning seinen letzten Wechsel vollzog und Marcus Berg für Jarolim ins Spiel brachte (69.), machte Gladbach das Spiel. Der Gastgeber kam kaum aus der eigenen Hälfte, während die Gladbacher immer wieder ruhig das Spiel aufbauen konnten. So auch in der 77. Minute: Reus und Bobadilla spielten sich mit einem Doppelpass auf der linken Seite zur Grundlinie durch. Von da aus spielt Reus auf den Elfmeterpunkt zurück zum freistehenden Arango, dessen Schuss erneut Drobny stark parieren konnte.
Symptomatisch für das Hamburger Angriffsspiel war dann die 78. Minute. Es gab etwas frische Luft in der eigenen Hälfte, als Töre sich auf den Weg zum Strafraum der Gladbacher machte. Die Flanke in die Mitte fand keinen Abnehmer, da mal wieder keiner mitgelaufen war. Die Gladbacher merkten, dass vom HSV nichts mehr kam und man beschränkte sich auf Ballbesitz, um das 1:0 zu verwalten.
Nach dem Schlusspfiff war klar, dass es für den HSV nicht leichter wird und keine Besserung in Sicht ist. Die von Arnesen angesprochene positive Entwicklung, scheint noch nicht zu fruchten. Für die Gladbacher geht der Traum von den oberen Rängen weiter. Am nächsten Spieltag empfangen die Fohlen den 1. FC Nürnberg im heimischen Nordpark. Der HSV tritt die Reise zum VfB Stuttgart an und wird dort erneut versuchen den ersten Dreier einzufahren.
Tobi Becker