1. Bundesliga Bundesliga-Check - SC Freiburg

Es herrschten einst Harmonie und Vertrauen im Breisgau. Diese Zeit scheint vorbei zu sein. Sieben Spieler und der Trainer wurden mit dem Eisenbesen ausgekehrt. Der Star Papiss Demba Cisse ist nach England verkauft. Wir berichten über große Umwälzungen und viele neue Gesichter in Freiburg.

Überragende läuferische Leistungen, taktische Flexibilität auf hohem Niveau und dazu ein gepflegtes Kurzpassspiel. Das Ergebnis? Der letzte Tabellenplatz.

Obwohl die Freiburger spielerisch oft überzeugten, sind sie die Schießbude der Liga. Letztlich wurde sogar das Bild der immerwährenden Breisgauer Harmonie zerstört. Der Kapitän und der Trainer mussten gehen. Wir berichten über große Umwälzungen und viele neue Gesichter in Freiburg.

Falschester Satz aus dem Sommer-Check

"Wer sich nicht verletzen darf? Hier könnte man reflexartig Papiss Cisse antworten, doch durch die Verpflichtung von Garra Dembele scheint die Gefahr der absoluten Sturmflaute bei einem Ausfall von Cisse zumindest abgemildert“, schrieben wir vor Saisonbeginn. Allerdings entpuppte sich der teuerste Transfer der Freiburger Vereinsgeschichte bis dato als Flop. Dembele, der für 2,2 Millionen Euro von Levski Sofia geholt wurde, erzielte in zwölf Partien (meist als Einwechselspieler) nur ein einziges Tor. Dembele war bisher keine ernstzunehmende Alternative für Cisse und das obwohl Cisse (neun Tore in 17 Spielen) nicht so stark agierte, wie in der Vorsaison.

Zum Rückrundenauftakt fehlen dem Sportclub nun sogar beide Angreifer. Cisse wechselt zu Newcastle United in die Premier League, Dembele weilt beim Afrika Cup. Freiburg reagierte schon vor dem Cisse-Transfer und holte Sebastian Freis aus Köln. In Köln erzielte Freis in 48 Bundesligapartien aber nur vier Tore. Neben Freis stehen für den Rückrundenstart noch drei weitere Stürmer zur Verfügung: Stefan Reisinger (60 BL-Spiele/10 Tore), Erik Jendrisek (28 BL-Spiele/2Tore) und Youngster Simon Brandstetter (ohne Bundesligaeinsatz).

Cisse bleibt unersetzlich. Die Freiburger sind nach seinem Abgang gezwungen seine Klasse im Kollektiv aufzufangen. Bisher war dies immer eine Stärke der Breisgauer, doch gegen Ende des Jahres zogen dunkle Wolken über dem Badenova-Stadion auf. Sechs Spieler wurden geschasst, letztlich musste auch der Trainer gehen. Für Freiburger-Verhältnisse ein Erdbeben, der Rest der Republik nahm kaum Notiz vom Fegen mit dem Eisenbesen im Breisgau.

Größte Enttäuschung

Sollte man enttäuscht sein, wenn ein Klischee nicht aufgeht? Weder enttäuscht noch froh berichten wir darüber, dass wir unser "eingefahrenes Denkschema“ vom Harmonie-Club zumindest vorerst revidieren müssen. Von Grüppchenbildung wurde berichtet, unzufriedene Spieler sollen die Harmonie gestört haben. Es folgte der Paukenschlag. Yacine Abdessadki erhielt die fristlose Kündigung, fünf weitere Spieler sollten sich einen neuen Verein suchen – darunter Kapitän Heiko Butscher und Stammspieler Felix Bastians.

Bastians wollte seinen Vertrag in Freiburg nicht verlängern und sein Berater ist bei Sportdirektor Dirk Dufner alles andere als gern gesehen. Der Abschied wurde also nur vorgezogen. Bei Heiko Butscher ist die Sachlage eine andere. Dem sympathischen und beliebten Kapitän soll seine Verletzungsanfälligkeit und Leistungsschwankungen den Kopf gekostet haben. Schließlich musste auch Trainer Markus Sorg gehen und die Badische Zeitung titelte "Chaostage gehen weiter.“

Sorg hatte nicht mehr den Rückhalt der Spieler. "Kleine Revolten im Eigeninteresse haben wir im Keim erstickt. Es geht um das Gesamtinteresse", sagte Dufner laut Badischer Zeitung Ende Dezember.“Wir wollen auch auf der Trainerposition einen Impuls setzen”, vereidigte Dufner den Rausschmiss.

"Seit Wochen wird gefordert, wir sollen etwas unternehmen, um der sportlichen Talfahrt begegnen zu können", äußerte sich der Vorsitzende Fritz Keller zuvor laut Badischer Zeitung, "jetzt tun wir etwas – und trotzdem ist es nicht recht. Typisch Freiburg." Typisch Freiburg waren diese Tage des Donners sicherlich nicht. Absolut Freiburger Gangart war die Neubesetzung des Trainerstuhls.

Hoffnungsträger

Co-Trainer Christian Streich wurde auf den Chefposten befördert. Eine Position, die dem Naturell des 46-Jährigen nicht fern zu sein scheint. "Er war schon immer autoritär, aber das ist gut, das muss so sein", sagt Johannes Flum, der unter Streich bereits in der U-19 des Sportclubs gespielt hat.

Der neue Trainer selbst lobt die Leistungen des Teams in der Hinrunde und hält gleichzeitig den Finger in die Wunde. "Es lag nicht an der Abwehr. Natürlich hat die Abwehr Fehler gemacht. Aber es lag an der Verbindung der Mannschaftsteile. Wir konnten die nötige Dichte nicht über 90 Minuten aufrechterhalten. Dazu kam, dass wir viele Torchancen vergeben haben“, so Streich laut Badischer Zeitung.

Die Kernprobleme sieht Streich in der Rückwärtsbewegung der gesamten Defensive und im Zusammenwirken der Mannschaftsteile – zudem im Zusammenwirken als Team auch außerhalb des Platzes. "Ich habe bereits die fehlende Dichte erwähnt. Und ich habe über Verbindungen gesprochen: Darum geht es: Wir müssen eng beisammen sein – auf dem Spielfeld, aber auch außerhalb davon. Es geht darum, über das soziale Gefüge das fußballerische Gefüge zu stabilisieren. Nur so kann es auf Dauer funktionieren.“

Streich hat mit seiner Analyse nicht ganz Unrecht. Die größte Schießbude der Liga (39 Gegentore) hat zum einen die Schwächen nicht nur in der Abwehr gezeigt, zum anderen waren die Freiburger auch in den verlorenen Spielen oft ebenbürtig, zeigte phasenweise mehr Ball- und Spielkontrolle als der Gegner. Im Spielaufbau wurde oft geschickt die erste gegnerische Pressinglinie überwunden, die Außenstürmer zogen sich in die Mitte und die Außenverteidiger sorgten für die nötige Breite. Allerdings machten viele individuelle Fehler und eine zu leicht zu überspielende, hoch stehende Vierkette die guten Ansätze oft zunichte.

Prognose

Freiburg agierte oft mit herausragender Laufleistung und taktischer Flexibilität. Die individuellen Fehler und Probleme innerhalb der Mannschaft kosteten dem SC allerdings viele Punkte. Auch Papiss Demba Cisse traf nicht so zuverlässig, wie noch in der Vorsaison. Im offensiven Mittefeld fehlte es oft an Ideen und am gescheiten letzten Pass. Die Probleme für die Rückrunde stapeln sich weiter haushoch. Mensur Mujdza und Oliver Barth sind verletzt, Beg Ferati stieg erst spät ins Training ein. Auch Schlüsselspieler Julian Schuster und Jan Rosenthal konnten während des Trainingslagers nicht trainieren.

Die Neuzugänge Fallou Diagné (Innenverteidiger) und Michael Lumb (Linksverteidiger) müssen sich erst an das Tempo der Bundesliga gewöhnen. Sebastian Freis und Garra Dembele werden Cisse nicht ersetzen können. Der neue Trainer macht einen guten ersten Eindruck, ist aber ein unbeschriebenes Blatt. Wir sind der Meinung, dass es für den Sportclub sehr schwer wird, die Klasse zu halten. Auch wenn die Freiburger einen taktisch guten Fußball spielen, am Ende fehlt die Qualität, da hilft auch der Eisenbesen nicht.

Michel Massing

sportal
sportal.de

PRODUKTE & TIPPS