1. Bundesliga Fünf Fragen zum 3. Spieltag

Leidet der deutsche Fußball tatsächlich unter einem Mangel an Führungsspielern, wie jüngst Oliver Kahn in Richtung Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger meinte? Mit dieser und anderen Expertenmeinungen á la Mario Basler oder Christoph Daum setzen wir uns in der Bundesliga-Vorschau auseinander.

Wir wollen nicht wirklich ohne sie sein, ehemalige Profis als Fußball-Experten sind aber häufig sehr speziell. Polarisieren gehört genauso zum guten Ton wie das Floskel-ABC oder das mangelnde Vermögen, taktische Dinge fundiert und verständlich erklären zu können. Aktuell hat Oliver Kahn eine Debatte losgetreten, die auf den ersten Blick ganz passabel klingt.

Mangelt es im deutschen Fußball tatsächlich an sogenannten Führungsspielern? In der Vorschau auf den aktuellen Bundesliga-Spieltag beleuchten wir diese These und nehmen es gleich mit vier weiteren Experten-Meinungen auf.

1) Hat der deutsche Vereinsfußball ein Leuchtturm-Problem?

Oliver Kahn ist noch ein bisschen auf der Suche nach seiner Rolle im Post-Fußballerleben. TV-Experte hier, Kolumnenschreiber dort, in Asien begibt er sich auch auf die Suche nach Torwart-Talenten. Nun hat Kahn eine Debatte losgetreten, die einerseits die Erfolglosigkeit der Bundesliga im europäischen Geschäft erklären sollte, auf der anderen Seite aber auch ein bisschen nach Eigenlob klingt.

Denn den letzten europäischen Titel holte der FC Bayern 2001 mit Kahn als Kapitän. Mit ihm als absoluten Führungsspieler. Seine Nachfolger Philipp Lahm und Bastian Schweinsteiger würden dagegen Image über Erfolg stellen, könnten nicht genug antreiben und wären nicht unbequem genug. Im Kicker legte Kahn dann sogar nach: "Sie stehen exemplarisch als Vertreter einer Generation."

Wie viele andere Experten auch verschließt Kahn dabei die Augen vor der Tatsache, dass sich der Fußball weiter entwickelt hat. In der modernen Generation wollen die Spieler mitgenommen und überzeugt werden, ein reines Abnicken von Entscheidungen wird immer seltener. Damit einher geht auch eine flachere Hierarchie, was allerdings nicht bedeutet, dass Mannschaften ohne Führungsspieler auskommen. Aber es werden vermehrt Dinge intern geregelt.

Rein sportlich ist die These von Kahn ebenfalls nur schwer haltbar. Denn gerade die Bayern hatten zuletzt mit Mark van Bommel einen Spieler in ihren Reihen, der dem Ideal des Ex-Titans wohl sehr nahe kommt. Für den Sieg in der Champions League 2010 reichte es trotz der Finalteilnahme aber nicht. Die relative Erfolglosigkeit der vergangenen Jahre hat deshalb eine ganz andere Ursache: In der Spitze fehlt es einfach an Qualität.

2) Wird Stale Solbakken bereits verheizt?

Beim 1. FC Köln brennt gerne und früh der Baum, was auch immer das außerhalb der Weihnachtszeit genau bedeutet. Nach dem 2. Spieltag ist es mal wieder so weit, die Geißböcke stehen nach zwei deftigen Pleiten im Tabellenkeller. Der neue Trainer Stale Solbakken spürt den medialen Gegenwind in Köln bereits.

Und schon kommt auch der erste Experte mit klugen Kommentaren, aber völlig ohne Hintergedanken um die Ecke. Christoph Daum kramte gegenüber Sport1 erneut die Kapitänsdebatte hervor: "Da hat er ein unnötiges Fass aufgemacht. Lukas Podolski hat dem FC wieder ein Gesicht gegeben und er war in der letzten Rückrunde einer der überragenden Spieler. Ich konnte das nicht nachvollziehen."

Immerhin stellte Daum direkt klar, dass er nicht auf Jobsuche sei und sowohl Solbakken als auch Manager Volker Finke sicher seien. "Unter den augenblicklichen Konstellationen" will er nicht zurückkehren. "Ich will auch jetzt nichts auslösen, was diesen Verein in noch größere Probleme bringt. Man hat Volker Finke installiert, und der ist jetzt dazu da, die Dinge zu klären", sagte Daum über den Sportdirektor. Richtig nett.

Wie schon in unserer Saisonvorschau geschrieben, war der Beschluss, über die Vergabe der Kapitänsbinde nachzudenken und sie letztlich dann auch so zu entscheiden, völlig in Ordnung. Podolski ist vom Typ her kein Kapitän, ob Pedro Geromel allerdings die richtige Wahl war, darf zumindest auch bezweifelt werden. Man kann Solbakken trotzdem nur wünschen, dass der Kölner Vorstand diesmal die Ruhe behält und sich auch von einem Christoph Daum nicht beeinflussen lässt.

3) Wer findet Mario Basler witzig?

Über die Serie von Super Mario in der Zeitung mit den vier großen Buchstaben kann es eigentlich nur eine Meinung geben. Hatte Max Merkel - oder sein Ghostwriter - früher noch den einen oder anderen originellen Einfall, so wirken Baslers Ergüsse in der Regel platt, polemisch, provozierend - und nicht lustig.

In seiner zweiten Expertenrolle beim Doppelpass von Sport1 hat Basler dann aber den Nagel auf den Kopf getroffen. Die Analyse zum FC Bayern enthielt viel Richtiges: "Sie haben in ihrem Spiel keine großen Überraschungsmomente." Es fehle vor allem an Tempo. "Dann ist es für den Gegner kein Problem, sich rechtzeitig zurückzuziehen." Mit modernem Fußball hat das Spiel der Münchner derzeit tatsächlich wenig zu tun, die Saison ist aber auch noch lang.

4) Wird Ottmar Hitzfeld noch von den Bayern bezahlt?

Zugegeben, das Interview ist schon ein paar Tage alt. Aber der Kontrast zu Basler ist schon enorm. Ottmar Hitzfeld wurde vor der Saison zu den Chancen des FC Bayern befragt. In einem Interview mit der Bild-Zeitung wurde nach langen Lobeshymnen die Frage gestellt, ob der FC Barcelona wieder unschlagbar sei. "Sie sind das Maß aller Dinge. Aber Bayern kann sie in einem Finale schlagen", lautete Hitzfelds Antwort. Muss man wirklich erst mal auf sich wirken lassen.

5) Kann Mario Götze auch einfach normal spielen?

BVB-Trainer Jürgen Klopp wirkte am vergangenen Spieltag extrem genervt. Seine Dortmunder kassierten in Hoffenheim die erste Saisonniederlage, doch nicht die Pleite im Kraichgau war der Stimmungskiller, sondern die mediale Berichterstattung über Mario Götze. Und auch da hatten Experten ihre Finger im Spiel. Franz Beckenbauer verglich Götze mit Lionel Messi, Mehmet Scholl stieg mit Andres Iniesta und Xavi kaum niedriger ein und Giovane Elber machte Deutschland wegen des Dortmunders gleich zum Favoriten für die WM 2014.

Trotzdem klangen Klopps Worte ein wenig beleidigt. Mit solchen Lobeshymnen müssen sowohl Spieler als auch der Verein umgehen können. Gegen den 1. FC Nürnberg sollte nach einer Woche Ruhe der Beweis folgen.

Marcus Krämer

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