Der erste Titel ist verspielt. Die Pokal-Blamage von Aachen bringt Deutschlands erfolgreichsten Fußballclub in eine bedrohliche Schieflage. Der FC Bayern München hinkt nach dem 1:2 (1:1) im Viertelfinale des DFB-Pokals beim Zweitligisten Alemannia Aachen seinen hohen Ambitionen weit hinterher. "Wenn man weiß, man spielt gegen Real Madrid und fliegt gegen Aachen raus, dann sind die Ansprüche geringer geworden. Bei uns herrschte Trauerstimmung in der Kabine. Wir haben uns blamiert´", ließ Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld kein gutes Haar an seinen leidenschaftslosen Profis.
Fußball mit Herz präsentierten nur die "Davids" der unterklassigen Alemannia, die den Cup-Verteidiger und Rekord-Pokalgewinner vor 20 400 Zuschauern im ausverkauften Tivoli-Stadion durch die Tore von Stefan Blank (33.) und Erik Meijer (81.) düpierten. Ein Kopfballtreffer des enttäuschenden Bayern-Spielmachers Michael Ballack (45./+1) zum unverdienten 1:1 und einige gute Möglichkeiten in der zweiten Halbzeit - mehr hatten die lust- und teilnahmslos wirkenden Münchner nicht zu bieten.
Beckenbauer: Klarer Fehlstart
Bayern-Präsident Franz Beckenbauer sprach nach dem 1:1 in Frankfurt und dem Pokal-Aus von einem "klassischen Fehlstart", nach dem offenbar die Angst vor weiterem Versagen umgeht. Der "Kaiser" zeichnete ein erschreckendes Gegenwarts-Bild: "Der Rest der Mannschaft schaut zu, wenn einer den Ball führt. Dann drücken sie ihm die Daumen, dass es gut geht."
Hitzfeld sieht vor der Bundesliga- Partie am Sonntag gegen Hannover 96 Redebedarf: "Die Mannschaft muss sich rehabilitieren." Doch der rechte Glaube daran fehlt ihm angesichts "eklatanter Abwehrfehler". Der Bayern-Coach war nur noch enttäuscht: "Das Finale war unser klares Ziel."
"Wir haben einiges zu besprechen"
Gedanken wolle man sich jetzt machen, meinte Ballack: "Wir müssen uns steigern, sonst werden wir auch die nächsten Spiele nicht gewinnen." Obwohl die Bayern vor dem Tivoli-Auftritt letztmals am 5. November beim 1:2 in der Champions League gegen Olympique Lyon verloren, wirkten sie psychisch angeschlagen. "Wir haben einiges zu besprechen", kündigte Hitzfeld vor den Aufgaben gegen Hannover, beim VfL Bochum, gegen den Hamburger SV und dem Achtelfinal-Hinspiel der Champions League am 24. Februar gegen Real Madrid ein Machtwort an. "Über Real spreche ich nicht" - die Bewältigung einer sich offenbar anbahnenden Gegenwarts-Krise hat für Hitzfeld höchste Priorität.
Die Alemannia dagegen feierte ihre Renaissance, der Jubel war grenzenlos. 34 Jahre nach dem letztmaligen Einzug in ein Pokal- Halbfinale träumen Coach Jörg Berger und seine Spieler von Berlin. "Grandios, jetzt ist Karneval. Das ist einfach ein geiles Gefühl. Wir sind über uns hinausgewachsen", meinte Erik Meijer nach seinem Siegtreffer und dem «Traumlos», das Schauspieler Mario Adorf zog: Gegen Borussia Mönchengladbach hat Aachen am 16./17. März erneut ein Heimspiel. "Ich freue mich riesig für die ganze Region, das ist ein tolles Los", sagte Berger. Hitzfeld ist vom Aufstieg des Pokal-Konkurrenten überzeugt: «Wenn Aachen so weiter spielt, werden wir die Alemannia in der Bundesliga sehen.»