Bayern München vor Barcelona Zielgerichtet in den Misserfolg

Von Jens Fischer
Einsatz, Willen, Disziplin - das fordert Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann von seinen Spielern gegen Barcelona. Reicht das? Liegt die Krise der Bayern nicht eher in einer fehlerhaften Personalplanung begründet? Der Spagat zwischen Sparen und Siegen scheint einfach nicht zu klappen.

Es ist immer so eine Sache mit langfristigen Projekten. Da hat man große Pläne, an deren Ende ein großes Ziel verwirklicht werden soll. Allein der Begriff "Projekt" verinnerlicht, dass etwas Zeit braucht und nicht von heute auf morgen funktioniert. Auch Bayern-Trainer Jürgen Klinsmann hat vor der Saison ein Projekt gestartet. Mit einem entscheidenden Unterschied, der Klinsmanns Projekt von Beginn an ad absurdum führt: Klinsmann hat keine Zeit.

Ein Verein wie Bayern München braucht schnelle Erfolge, ein langfristig angelegtes Projekt droht beim erfolgsverwöhnten Branchenprimus abrupt zu scheitern. So wie jetzt vor dem "Spiel der Spiele", dem Champions-League-Viertelfinale gegen den großen FC Barcelona.

Am Mittwochabend (ab 20.45 Uhr im stern.deLive-Ticker) steht im legendären Stadion Camp Nou für die Bayern nahezu alles auf dem Spiel. Kein Wunder, dass Klinsmann in den Tagen nach dem Untergang von Wolfsburg vom Obama des Fußballs zum frustrierten Opfer mutierte. Lange hat es gebraucht, aber jetzt hat Klinsmann einfach keine Lust mehr, permanent in die Büßerrolle schlüpfen zu müssen. Müde und erschöpft wirkte er nach seinen unzähligen medialen Canossagängen in den letzten Monaten.

Flehender Appell an die Spieler

Jetzt sollen es in Barcelona endlich auch einmal die Spieler richten. Schluss mit dem eingefrorenen Lächeln und den ausweichenden Floskeln nach Niederlagen, vorbei die ständigen Diskussionen um Reformen und anderem abgehobenen Schnickschnack. Für Klinsmann ist es fünf vor zwölf, das weiß er und beruft sich auf die viel zitierten Grundtugenden Einstellung, Opferbereitschaft, Willen, Einsatz und Disziplin. Erfolg ist Mentalitätssache. Sagt Klinsmann, aber es liegt nahe, dass er sich im Innersten eine andere Meinung gebildet hat.

Es ist zu kurz gesprungen, die verkorkste Bayern-Saison mit mangelhafter Einstellung und fehlender Motivation zu begründen. Im Prinzip ist Klinsmann zu bedauern, weil er in seinem ersten Jahr auch die personelle Fehlplanung des Managements ausbaden muss. Uli Hoeneß und Karl-Heinz-Rummenigge hatten sich vor Saisonstart darauf verlassen, mit Stars wie Franck Ribéry und Luca Toni bestens aufgestellt zu sein. Ein Irrglaube, wie sich jetzt herausstellt.

Keine personellen Alternativen

Gegen Wolfsburg spielten irgendwann die völlig überforderten Andreas Ottl und Breno in der Innenverteidigung, vorne mühten sich ein halbfitter Luca Toni und ein fehlgeleiteter Lukas Podolski. Zu wenig, die Bayern haben es verpasst, frühzeitig für personelle Alternativen zu sorgen. Im Ernstfall wie jetzt nach Wolfsburg und vor Barcelona sind Klinsmann die Hände gebunden. Seine Ersatzbank hält nichts für ihn parat.

In der Winterpause versuchte es Klinsmann noch einmal. Die Verpflichtung Landon Donovans war sein persönlicher Hilferuf. Keine echte Verstärkung, darüber war er sich vielleicht sogar im Klaren. Eher ein Signal an seine Chefs, auf dem Transfermarkt nachzulegen. Hoeneß und Rummenigge reagierten nicht und verwiesen lieber darauf, wie schön es sich anfühlt, ausreichend Festgeld auf dem Konto haben. Eine breitere Auswahl an hoch qualitativen Akteuren wäre Klinsmann sicher lieber gewesen.

Nur Sparen reicht nicht

"Wir unterstützen Jürgen. Es war klug von ihm, den Druck auf die Mannschaft weiterzugeben. Die muss wissen, dass Jürgen kein Blitzableiter ist", sagt Rummenigge jetzt. Die Rückendeckung für Klinsmann überrascht nicht, denn Rummenigge und Hoeneß sind viel zu schlau, um nicht zu ahnen, dass ihr Trainer beim Spagat zwischen Sparen und Siegen am Ende als großer Verlierer dastehen könnte. Klinsmann weiß nur zu genau, welche Sisyphos-Arbeit ihm in den kommenden Wochen ins Haus steht. Auf der einen Seite muss er Erfolge bringen, auf der anderen Seite besitzt er vielleicht einfach nicht ausreichend gutes Spielermaterial, um auch international bestehen zu können.

Wer regiert die Champions League? Die Besten der Besten und das sind nicht zuletzt Mannschaften, die auch jede Menge Geld in ihre Starensembles gepumpt haben. Bei den Bayern wirkt die Kluft zwischen Anspruch und Realität zu groß. Geld schießt Tore, und wer wie Hoeneß und Rummenigge nicht bereit ist, ausreichend zu investieren, muss damit leben, auch einmal ein Jahr titellos zu bleiben. Ob das dann allerdings Klinsmann beruflich überlebt, scheint doch mehr als fraglich.

Irgendwie scheinen die Bayern dieser Tage auf ihren Mythos angewiesen zu sein. Auch Barcelona, spielerisch den Bayern sicher überlegen, zeigt großen Respekt. Da werden auf dem vereinseigenen Fernsehkanal "Barca-TV" historische Bayern-Siege mit Panzerimpressionen zusammengestückelt, und auch vor der "bestia negra", der "schwarzen Bestie", zittern sie in Spanien schon wieder. Nur: Das alles ist Vergangenheit. Die Gegenwart sieht anders aus. Zum Leidwesen von Jürgen Klinsmann.

PRODUKTE & TIPPS