Eigentlich müsste man Jürgen Klopp für den Oscar nominieren. Schauspielerisch hat er es an der Seitenlinie ohnehin drauf - und hätte es damit schon seit Jahren verdient, vorgeschlagen zu werden.
In dieser Saison fällt er allerdings eher als Regisseur auf. Er produzierte das bisher spannendste Drama der Saison: Erst taumelte seine Borussia auf den letzten Platz, um dann, kurz bevor die Situation eskalierte, eine Siegesserie zu starten und diese anschließend, quasi als Cliffhanger für den letzten Teil des großen BVB-Films, mit einem unglaublich dominanten Sieg gegen Schalke zu krönen.
Wie das Kloppsche Werk letztlich endet, ist noch nicht klar (darum ist es ja auch so spannend). Fest steht hingegen, dass der Regisseur in Ruhe zu Ende produzieren darf. Das war vor vier Wochen nicht unbedingt abzusehen. Und deswegen muss ich eine Einschätzung zurücknehmen.
"Wenn echte Liebe zur dummen Liebe wird"
Vor ein paar Wochen schrieb ich einen Kommentar zur Lage des BVB. Damals stand die Borussia auf Platz 18 und war nach der Niederlage gegen Augsburg am Tiefpunkt angekommen. Meine Zeile lautete: "Wenn echte Liebe zur dummen Liebe wird", der Tenor war jener: Ein Fußballverein ist immer größer als eine Person. Wenn es also beim BVB weiter nicht laufen sollte - so meine These - dann muss der Verein über eine Entlassung von Jürgen Klopp zumindest diskutieren. Im Artikel warf ich zudem die Frage auf, ob Klopp langfristig überhaupt weiter erfolgreich sein könnte. Ob sich nicht vielmehr ein Neustart in Dortmund anbieten würde.
Es gehört zu den wunderbaren Wendungen von Klopps Saison-2015-Spielfilm, dass ich vier Wochen später als großer Idiot dastehe. Denn seit meinem Artikel haben Reus und Co. jedes Bundesliga-Spiel gewonnen.
Sturheit kritisiert - zu Unrecht
Das bedeutet nicht, dass sich an meiner grundsätzlichen Einschätzung etwas ändert. Ich glaube nach wie vor, dass ein Club immer größer sein sollte als eine Einzelperson, mag sie auch noch so viele Erfolge aufzuweisen haben. Das bedeutet auch: Kritik und Diskussion sollten zur Tagesordnung gehören.
Doch mit meiner Einschätzung, Klopps Zeit könnte ohnehin zu Ende sein in Dortmund, lag ich offensichtlich falsch. Er hat es geschafft, dem BVB wieder den alten Ehrgeiz, das alte Selbstbewusstsein und die alte Lockerheit zu vermitteln. Das hat vor allem damit zu tun, dass Klopp weiter an seine Arbeit und seine Philosophie geglaubt hat, dass er sich nicht verändert hat. Genau diese Sturheit hatte ich eigentlich kritisiert. Zu Unrecht.
Dresden vor der Brust - der Favorit entscheidet
Man darf nun gespannt auf die letzten Wochen der Filmproduktion blicken. Der BVB hat in drei Wettbewerben noch alle Möglichkeiten. Am Dienstagabend geht es im Pokal-Achtelfinale erstmal zu Dynamo Dresden (ab 20.30 Uhr im Liveticker). "Über Sensation oder nicht entscheidet der Favorit, nicht der Herausforderer. Sollten wir ein Problem damit haben, uns auf das Spiel einzulassen, würden wir völlig zu Recht ausscheiden", sagt Klopp vor dem Spiel. In guten wie in schlechten Zeiten gilt für Klopp eben immer zuerst der Glaube an die eigene Stärke. Und das sollte er auch beibehalten. Klopp hatte recht damit.