Bundesliga Warum die Bayern-Blamage in Bochum nicht unbedingt als Argument für Play-offs in der Liga taugt

Die Anzeigtafel lügt nicht: Mit 4:2 hatte der Aufsteiger aus Bochum am Ende den Serienmeister Bayern München besiegt
Die Anzeigtafel lügt nicht: Mit 4:2 hatte der Aufsteiger aus Bochum am Ende den Serienmeister Bayern München besiegt
© Bernd Thissen / DPA
Oh, wie war das schön! Bochum fiedelt die Bayern weg. In der aktuellen Debatte über die Langeweile in der Bundesliga kommt der Coup des Aufsteigers zum günstigen Zeitpunkt. Ein Argument für die Einführung von Play-offs ist er dennoch nicht.

Man könnte fast zum Verschwörungstheoretiker werden: Ausgerechnet, wenn in der Liga tatsächlich die Diskussion über eine Veränderung des Spielmodus Fahrt aufnimmt, nehmen sich die übermächtigen Bayern einen Blackout und verlieren beim wehrhaften Ruhrpott-Aufsteiger aus Bochum. So als wollten sie sagen: Tut doch gar nicht Not, über Play-offs zu diskutieren. Wir verlieren doch auch ohne. Zumindest ab und zu…

Wenn's doch nur so einfach wäre. Denn gerade der letzte Spieltag hat wieder mal gezeigt, was dem deutschen Fußball derzeit komplett abgeht. Jene Spur Wahnsinn. Die Unberechenbarkeit. Dieses "keiner weiß, wie's ausgeht", das der damalige Bundestrainer Sepp Herberger einst über die Faszination Fußball gesagt hat.

Bochum-Coup mitten in der Play-off-Debatte

Nun ist es vermutlich Zufall, dass der Coup der Bochumer just zu einem Zeitpunkt passiert ist, an dem sich der deutsche Fußball endlich einer überfälligen Debatte öffnet. Nämlich wie die Wettbewerbsfähigkeit in der Bundesliga wieder hergestellt werden kann angesichts der Dauer-Dominanz aus München. Ausgerechnet die neue Chefin der Deutschen Fußball Liga (DFL), Donata Hopfen, hatte die Diskussion vor dem jüngsten Spieltag befeuert: "Die Liga wäre natürlich attraktiver, wenn sie mehr Wettbewerb an der Spitze hätte", hatte Hopfen in einem Interview mit der "Bild am Sonntag" erklärt und angekündigt: "Wenn uns Playoffs helfen, dann reden wir über Playoffs."

Das Kuriose ist, dass sich nun sowohl Befürworter als auch Gegner eines Endspiel-Modus am Ende der Saison das Straucheln der Bayern in Bochum auf ihre Fahne schreiben können. Wer braucht schon Playoffs, wenn es jetzt schon solche Spiele wie das in Bochum gibt, argumentieren die Liga-Bewahrer, zu denen laut einer "Kicker"-Umfage nach wie vor die Mehrheit der Bundesligisten gehört. So sagt etwa Christian Streich, Trainer beim SC Freiburg: "Ich finde, dass derjenige, der nach 34 Spielen die meisten Punkte hat, auch Meister werden sollte." In seinen Augen sei die "Meisterschaft in dem Modus, wie sie jetzt ist, am gerechtesten und mit der größten Aussagekraft. Aber nicht immer am spannendsten".

Spannend oder gerecht – welche Bundesliga wollen wir?

In der Tat ist das die Kernfrage, vor der die Clubs, Liga-Verantwortliche und auch die Fans stehen: Spannend oder gerecht? Welche Bundesliga wollen wir eigentlich sehen? Eine, die dem sportlichen Leistungsgedanken Rechnung trägt, wonach am Ende das Team vorne steht, das über die gesamte Spielzeit hinweg am konstantesten spielt? Oder ein Play-off-Spektakel, eine nach der Saison angehängte "Week of Football", in der im K.o.-Modus unter den besten Vier der Meister ausgespielt wird. Und wo dann Sensationssiege wie der in Bochum oder jüngst vom FC St. Pauli gegen Borussia Dortmund im DFB-Pokal zumindest im Bereich des Möglichen liegen?

Ein wenig erstaunlich ist, dass ausgerechnet Bayern-Vorstandsboss Oliver Kahn dem Play-off-Gedanken etwas abgewinnen kann. "Ich finde es spannend, über neue Modelle wie Play-offs in der Bundesliga nachzudenken", hatte Kahn in einem "Kicker"-Interview verlauten lassen. "Ein Modus in der Bundesliga mit Halbfinals und Finals würde Spannung für die Fans bedeuten. Es macht also Sinn, so einen Gedanken durchzuspielen."

Dass sich die Bayern zumindest offen zeigen für die Diskussion, verdient Respekt. Und in der Tat hätte eine Play-off-Regelung, was die aktuelle Saison betrifft, durchaus ihren Charme. Geht man von einem Modell mit Halbfinale und Finale zwischen den besten Vier einer Saison aus, könnte sich aktuell selbst der Tabellenzehnte Eintracht Frankfurt bei drei Punkten Rückstand noch Hoffnung auf Platz vier machen und damit mit etwas Glück auch auf die Meisterschaft. In Spielen wie Köln gegen Frankfurt oder Mainz gegen Leverkusen, wie sie am kommenden Wochenende stattfinden, würde es tatsächlich noch um etwas gehen.

Allerdings, und darauf hat in der aktuellen Debatte gerade das Fanbündnis "Unsere Kurve" hingewiesen, ist die Play-off-Diskussion keine Lösung, so lange in der Liga durch die Spreizung in Reich (durch regelmäßige Teilnahme an der Champions-League oder ein finanzkräftiges Unternehmen als Geldgeber) und Arm (der ganze schnöde Rest) eine Zweiklassengesellschaft zementiert ist. Was nutzen schließlich Play-offs, wenn das Quartett Bayern, Dortmund, Leipzig und Leverkusen jede Saison das Rennen unter sich ausmacht?

Bundesliga als Zweiklassengesellschaft

"Wir brauchen keine neuen Formate und Wettbewerbe, die durch noch mehr Vermarktung mehr Geld in den Fußball spülen. Wir brauchen endlich Regularien, die die Integrität des Wettbewerbs sicherstellen", erklärte "Unsere Kurve". Und dazu gehöre eine gleichmäßigere Verteilung der TV-Gelder ebenso wie die Einführung eines nationalen Financial Fairplays, "die dringend notwendige Deckelung" von Gehältern im Fußball sowie die Verhinderung von Mehrfachinvestitionen.

Und exakt das ist dann auch der Sachverhalt zu dem man von Oliver Kahn tatsächlich mal etwas mehr hören möchte. Derzeit erhalten die Bayern für diese Saison rund 90 Millionen Euro aus der TV-Vermarktung, Aufsteiger Bochum gerade mal gut 31 Millionen. Für die Champions-League-Teilnahme bekamen die Bayern zuletzt 125 Millionen Euro überwiesen. Ab 2024 wird diese Summe durch den neuen Modus noch mal deutlich zunehmen. Ob und unter welchen Bedingungen die Münchner womöglich bereit sind, einen Teil dieses Geldes im Sinne des Gesamtprodukts Bundesliga an die Konkurrenz abzutreten, das wäre mal eine Kahn-Ansage. Und nicht bloß Gratismut.

Übrigens: Wie eine Meisterschaft aussehen könnte, an der alle – Spieler, Funktionäre und Fans – wieder ihren Spaß haben, ist gerade in der 2. Liga zu besichtigen. Dort haben noch sechs Teams eine realistische Chance auf den Titel, darunter die drei einstigen Erstliga-Schwergewichte Schalke, Werder und der HSV. Spannung und Tradition, es geht also auch beides. Fußballherz, was willst Du mehr!

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