Generationswechsel Der Bundesliga gehen die guten Schiedsrichter aus

Die Bundesliga steht vor einem Generationswechsel bei den Schiedsrichtern. Mit Knut Kircher und Florian Meyer gehen zwei Liga-Größen in den Ruhestand. Nächstes Jahr folgen weitere - und in der Nachfolgegeneration sieht es düster aus.

Aufgebracht toben die Spieler von 1860 München um Knut Kircher herum. Wild gestikulieren sie vor seinem Gesicht, brüllen ihn an. Doch der schlacksige Referee steht einfach nur da. Starrt sie von oben nieder, keine Regung im Blick, kein Zucken. Die Spieler resignieren und ziehen ab. So sah das aus, im Juni 2015, in der Relegation zwischen der zweiten und dritten Liga. München setzte sich am Ende gegen Holstein Kiel durch. Für 1860 ging es um die Existenz, die Nerven lagen verständlicherweise blank. Solche Spiele brauchen besondere Schiedsrichter. Typen, die sich auf dem Platz Respekt verschaffen ohne überheblich zu wirken. Zumindest zwei solche Schiedsrichter verliert die Bundesliga nach diesem Sommer: Eben jenen Kircher und Florian Meyer. Beide erreichen die Altersgrenze von 47 Jahren und gehen in den Zwangsruhestand.

Dabei gehören sie seit Jahren zu den besten Schiris des Landes, werden oft für die großen Partien angesetzt: die Derbys, die Pokalfinals, die Aufstiegsspiele. Beide zeichnen sich durch eine ruhige, entspannte Art auf dem Platz aus. Natürlich sind auch sie nicht frei von Fehlern - aber im Gegensatz zu vielen ihrer Kollegen stehen sie dazu. Sie stellen sich nach einem großen Bock vor die Kameras und geben offen zu, dass sie sich getäuscht haben. Das erfordert Größe und schafft Respekt.

Fehler machen alle. Auch der beste Referee der Welt wird manchmal daneben liegen. Doch geht es auch gar nicht darum, immer die richtige Entscheidung zu treffen. Ein Schiedsrichter muss ein Spiel leiten, stets das Gefühl vermitteln, alles im Griff zu haben. Das geht vor allem über das Auftreten auf dem Platz, über die Ausstrahlung. Mit Kircher und Meyer verliert die Liga zwei der charismatischsten Schiris - und leider ist nicht allzu viel guter Nachwuchs in Sicht. Felix Zwayer, Felix Brych und Manuel Gräfe vielleicht noch am ehesten, aber ein Spieltag braucht nun mal mindestens neun Hauptschiedsrichter - und das nur in Liga eins. 

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Bundesliga-Schiedsrichter im Generationswechsel

Zudem verschlimmert sich die Lage zunehmend: Auch Michael Weiner - ebenfalls gern für größere Spiele eingesetzt, geht nach diesem Sommer. Nach der Folgesaison werden dann Günter Perl, Wolfgang Stark, Peter Sippel und Jochen Drees zu alt sein, um noch zur Pfeife zu greifen.

Eine routinierte, gute Schiedsrichtergeneration geht, ohne dass adäquater Nachwuchs bereitsteht. Bei DFB und DFL hat man offenbar verpasst, geeignete Kandidaten zu finden. Und das, obwohl Schiedsrichter ein wirklich lukrativer Nebenjob ist. Rund 40.000 Euro Grundgehalt gibt es pro Saison, dazu kommen bis zu 4000 Euro pro Erstliga-Partie, circa die Hälfte für ein Spiel in Liga zwei. Ein Knut Kircher kam so auf über 100.000 Euro Zusatzverdienst in der abgelaufenen Saison - für grob jedes zweite Wochenende Arbeit.

Trotz so leckerer Aussichten: Typen wie Kircher sind in der Folgegeneration die Ausnahme. Dieses Maß an Ausstrahlung und Ruhe verkörpert kaum einer der neuen Referees. Vielleicht liegt das ja auch ein bisschen an der aktuellen Spielergeneration. Kircher selbst sagte kürzlich in einem Interview mit "Funke Sport": "Ich bin mit anderen Spielertypen groß geworden. Die heutige Generation hat andere Ansprüche. Ich frage mich, ob es immer noch diese Typen gibt. Da denke ich zum Beispiel an einen Mario Basler, an Stefan Effenberg oder an Lothar Matthäus. An denen hat man sich gerieben, sich gemessen." Gut möglich, dass der neuen Generation Referees diese Reibungspunkte fehlen. Doch das Spiel wird immer schneller. Die Fehlentscheidungen häufen sich - und werden auch trotz technischen Fortschritts (Videobeweis, Torkamera) nie auszumerzen sein. Da braucht es Spielleiter, die ein aufgebrachtes Rudel Fußballer einfach niederstarren können.

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