Wenn der deutsche Meister Borussia Dortmund beim kriselnden französischen Meister Olympique Marseille mit 0:3 verliert, sollten die Alarmglocken schon von alleine läuten. Fast noch ernüchternder war aber die Art und Weise, wie diese Niederlage zustande kam. Denn der rote Faden der mangelhaften Chancenverwertung fand bei OM einen neuen Höhepunkt.
Der BVB machte vorne die vielen guten Torchancen nicht rein und produzierte zudem in der Abwehr haarsträubende Fehler. Klopp wirkte dann auch ernst wie selten. Missmutig und nachdenklich kommentierte er die bedenkliche 0:3-Lektion seiner jungen Mannschaft: "Es war die Geschichte dieser Saison in ein Spiel gepackt. Wir führen in jeder Statistik, nur nicht beim Ergebnis." Das immense und mittlerweile fast stete Missverhältnis beim deutschen Meister zwischen Aufwand und Ertrag bereitete auch Nationalspieler Mats Hummels mächtig Kopfzerbrechen: "Das ist grotesk - und unglaublich frustrierend."
Die Naivität, mit der die Borussia derzeit zu Werke geht, ist mit der Königsklasse nicht kompatibel. Wie schon vor zwei Wochen beim 1:1 gegen den FC Arsenal erarbeitete sich der Revierclub auch in Marseille Feldvorteile, konnte sie aber nicht nutzen. Selbst die einstmals sichere Abwehr macht inzwischen peinliche Fehler. Zu allen drei Treffern wurden die Franzosen geradezu eingeladen. Es passte ins Bild von einem missratenen Auftritt, dass sogar der zuletzt starke Hummels mit einem Schnitzer das 0:2 einleitete - just zu dem Zeitpunkt, als der BVB dem Ausgleich nahe schien. Aus seinem Frust machte Klopp keinen Hehl: "Das ist mal ein richtiger Scheißabend."
Warum lässt Klopp nicht mehr rotieren?
Allerdings sollte sich auch Klopp fragen, ob er derzeit alles richtig macht. Vor der Saison wurde der Kader vor allem in der Breite verstärkt, um für die Doppelbelastung, aber auch für etwaige Formschwankungen gewappnet zu sein. Genau dies ist derzeit der Fall, aber Klopp hält in großer Nibelungentreue an weite Teile seiner Meistermannschaft fest.
Neven Subotic läuft seit Wochen seiner Form hinterher, Felipe Santana bekommt trotzdem keine Chance. Shinji Kagawa lechzt förmlich nach einer Pause, beginnt aber auch in jedem Spiel. Und auch Kevin Großkreutz hat die Denkpause nicht weiter gebracht, Ivan Perisic musste in Marseille unverständlicherweise wieder auf die Bank. Einzig im Sturm waren Klopp bisher die Hände gebunden, nun kämpft sich Lucas Barrios aber zurück und dürfte schon bald wieder in der Startelf stehen.
Die Wende ist schon in Piräus geplant
Trotz des Fehlstarts in die Gruppenphase mit nur einem Punkt aus zwei Spielen glaubt der Coach aber weiter an ein Happy End. Trotzig stellte er schon für die kommende Partie Besserung in Aussicht: "Man wird uns bereits in Piräus ansehen, dass wir aus dem bisherigen Geschehen die richtigen Schlüsse gezogen haben. Noch sind zwölf Punkte zu vergeben."
Wirklich sicher kann er sich seiner Sache jedoch nicht sein. Denn von der einstigen Leichtigkeit des Seins, die noch in der vorigen Saison zum Meistertitel verhalf, ist dem BVB wenig geblieben. Mit jeder Partie, die das Team trotz spielerischer Überlegenheit verliert, wachsen die Zweifel. Sichtlich genervt reagierte Neven Subotic auf Fragen nach den vielen Möglichkeiten des BVB, den Spielverlauf positiv zu verändern. "Hätte, hätte, Fahrradkette. Wir hatten zwar Chancen, hätten aber auch in drei Stunden kein Tor erzielt", kommentierte der Abwehrspieler.
"Verzweiflung ist bei uns kein Thema"
Noch hält Klopp seine Profis für stabil genug, um solche Rückschläge ohne größere Schäden zu verkraften. "An der Psyche kratzt das nicht. Wir haben nicht vor, das jetzt lange mit uns herumzuschleppen." Ähnlich wie sein Trainer sieht auch Mannschaftskapitän Sebastian Kehl keinen Grund zur Sorge: "Verzweiflung ist bei uns kein Thema. Die Jungs sind sehr gefestigt und werden schon die nächste Partie wieder mit breiter Brust angehen."
Zur Freude der BVB-Profis bietet sich bereits am Samstag die Chance zur Stimmungsaufhellung. Im Heimspiel gegen den Aufsteiger aus Augsburg will der BVB den 2:1-Auswärtssieg am vergangenen Wochenende in Mainz veredeln. "Es kann positiv sein, wenn wir nicht viel Zeit haben, über das Negativerlebnis in Marseille nachzudenken", sagte Mittelfeldspieler Sven Bender voller Hoffnung auf eine Trotzreaktion des Teams.