Zehn Jahre nach der größten Saison der Vereinsgeschichte hat Bayer Leverkusen mal wieder die Chance, ins Viertelfinale der Champions League einzuziehen. Theoretisch zumindest, denn mit dem FC Barcelona wartet am Dienstagabend im Achtelfinal-Hinspiel (ab 20.45 Uhr live bei Sky und im stern.de-Liveticker) der Titelverteidiger und die Übermannschaft der vergangenen Jahre.
Das schwere Los hat sich die Werkself aber selbst eingebrockt, denn mit dem 1:1 am letzten Spieltag gegen Genk wurde der Gruppensieg und die Option auf leichtere Gegner wie Zenit, ZSKA oder Basel verspielt.
Damals, in der Saison 2001/2002, stand Bayer im Finale der Champions League und hatte auch schon in der Vorrunde gegen Barcelona gespielt. Einem 2:1-Heimsieg stand eine 1:2-Niederlage im Nou Camp gegenüber. Auch 1988, als Tita und Co. den Uefa-Pokal holten, hieß der Gegner im Viertelfinale FC Barcelona.
Die Spanier zogen als souveräner Gruppensieger ins Achtelfinale ein, die Probleme in der Liga sollen hier aber nicht verschwiegen werden. Dort ist die Titelverteidigung kaum noch machbar, vor allem auswärts kämpft Barca immer wieder mit Problemen. Doch wer sich nun auf Leverkusener Seite freut, der sei an Barcas zwölf Auswärtstore in der Gruppenphase erinnert. Wenn es wirklich darauf ankam, war Barcelona auch in dieser Saison kaum zu schlagen.
Die Taktik
Bayer war bisher ein klassisches 4-2-3-1-Team. In der Rückrunde hat Dutt aber umgestellt, nun wird mit zwei Stürmern in einem 4-4-2 gespielt. Klingt gut und auch offensiv, ist es aber nicht. Bei Borussia Dortmund verzichtete der Trainer nämlich dahinter gänzlich auf gelernte Offensivspieler im Mittelfeld, es war auch der Probelauf für Barcelona.
Diese Idee entstand bei der Analyse der bisherigen Barca-Gegner. "Wir haben viele Spiele von Barcelona angeschaut", sagte Dutt vor dem Spiel. "Wenn es mal einen Tag gibt, an dem Barcelona unentschieden spielt, muss schon einiges zusammenkommen. Letztlich haben es viele Mannschaften mit unterschiedlichen Philosophien versucht und sind als Verlierer vom Platz gegangen - aber nicht immer."
Bei den zahlreichen Clasicos der vergangenen Monate scheint Dutt aber nicht genau hingeschaut zu haben. Denn Real Madrid sah immer dann gut aus, wenn das Augenmerk nicht nur auf die eigene Defensive gelegt wurde. Manndecker Pepe als zusätzliche Kraft im Mittelfeld einzusetzen war nicht die beste Idee von Real-Coach José Mourinho, Stefan Reinartz in dieser Rolle macht die Sache auch nicht besser. Barcelona muss auch mit Offensive bekämpft werden, auch wenn das ganze mit Risiko verbunden ist.
Mit einer Leistung wie in Dortmund wird Bayer nicht nur verlieren, dann droht ein Fiasko. Die Katalanen haben ohnehin schon fast 80 Prozent Ballbesitz. Wenn, wie gegen den BVB geschehen, die Zweikämpfe nicht angenommen werden, die Stürmer unter fehlender Unterstützung leiden und in der Vorwärtsbewegung Fehlpässe gespielt werden, wird das eine Mannschaft wie der FC Barcelona gnadenlos ausnutzen.
Deshalb muss Renato Augusto, trotz der fehlenden Spielpraxis, von Beginn an spielen. Nur so ist Entlastung möglich, und die braucht Bayer.
Barca-Trainer Pep Guardiola sind solche Gedankenspiele fremd, er lässt seine Mannschaft grundsätzlich im 4-3-3 spielen, als Weiterentwicklung zu den vergangenen Jahren ohne echten Stürmer. Lionel Messi, Cesc Fabregas und Alexis Sanchez spielen in der offensiven Dreierreihe, das aber sehr flexibel und ohne feste Raumaufteilung.
Das Personal
Gespielt hätte er nach den Querelen der letzten Wochen ohnehin nicht, nach seinem Muskelfaserriss rückt das Ende der Bundesliga- und Champions League-Karriere von Michael Ballack immer näher. Schwerer wiegen da schon die Verletzungen von Sidney Sam, Tranquillo Barnetta und Eren Derdiyok, der Kader der Leverkusener ist insgesamt einfach zu dünn besetzt.
Barcelona kann dagegen in Bestbesetzung auflaufen, nur der langzeitverletzte David Villa fällt von den potenziellen Stammspielern aus. Andres Iniesta steht ebenso wie Sergio Busquets wieder zur Verfügung, und schonen wird Guardiola in der BayArena sicherlich keinen Akteur.
Die Generalproben
Offiziell will Guardiola die Meisterschaft in Spanien noch nicht aufgeben, seine Aufstellung in Pamplona, bei der er sein Stammpersonal schonte, war aber ein klares Statement. Die logische Konsequenz war eine 2:3-Niederlage gegen CA Osasuna. Der Rückstand auf Real Madrid ist bereits auf zehn Punkte angewachsen. Bayer wiederum schonte keine Stammspieler und war gegen Dortmund trotzdem chancenlos. Gute Signale sehen anders aus.
Die Prognose
Schon an normalen Tagen ist der FC Barcelona für Bayer Leverkusen eine Nummer zu groß, in der derzeitigen Verfassung umso mehr. Barcas Auswärtsschwäche ist nur ein partielles Problem, aus diesem Duell wird schon nach dem Hinspiel die komplette Luft raus sein.