Zur Pressekonferenz in Szekesfehérvár kam der Trainer des 1. FC Köln, Steffen Baumgart, schon mal zu spät. Der Grund war einfach: Baumgart hatte seine Mannschaft vor dem Playoff-Rückspiel zur Conference League am Donnerstag beim Fehérvár FC (19 Uhr/RTL+) länger trainieren lassen. Schließlich saß er aber auf dem Podium, um die Fragen der Journalisten zu beantworten. "Ich entschuldige mich nicht. Training ist wichtiger. Und ich hoffe, dass das alle verstehen", sagte er zur Begrüßung.
Nach der 1:2-Niederlage im Hinspiel will Baumgart nichts dem Zufall überlassen. Das Euro-Märchen soll nicht enden, bevor es richtig begonnen hat. Ausreden will er nicht zulassen. "Der Platz ist sehr gut. Die Gastfreundschaft auch, das Hotel ist in Ordnung, der Flug war in Ordnung", sagte Baumgart: "Alles in allem ist das ein sehr, sehr guter Rahmen, um ein gutes Spiel zu sehen."
Mischung aus Wut, Trotz und Entschlossenheit
Mit einer Mischung aus Wut, Trotz und Entschlossenheit war die Mannschaft am Mittwochmittag in Budapest gelandet. Sie braucht kein Wunder im Rückspiel, aber einen guten Tag und muss dumme Fehler wie den Platzverweis vermeiden, wenn der Traum von Europa nicht enden soll. "Dass es nicht leichter geworden ist, ist klar", sagte Baumgart "Wir liegen in Rückstand. Aber wir sind überzeugt, dass wir in der Lage sind, das Ergebnis zu drehen."
Dafür braucht es einen Lerneffekt. Vor dem Hinspiel waren die Euphorie rund um den Verein und das Selbstbewusstsein groß, vielleicht zu groß. Der 1. FC Köln sah sich eindeutig in der Favoritenrolle. Doch es kam, wie es so oft kommt. Der vermeintlich schwächere Gegner trumpfte auf. 20 Minuten lang war Köln zwar die bessere Mannschaft und ging 1:0 in Führung. Aber die rote Karte für Kölns Julian Chabot änderte die Statik des Spiels und Köln verlor die Partie trotz Führung und 80 Prozent Ballbesitz in der 2. Halbzeit mit 1:2.
Es war ein klassischer Fall von Selbstüberschätzung. Die rote Karte war selbstverständlich einer der Gründe für die Niederlage, aber alles darauf zu reduzieren, wäre zu einfach. Zumindest nach außen hin taten das aber viele Kölner. Die Ungarn verteidigen gut und waren immer gefährlich, wie die beiden blitzsauberen Treffer bewiesen. Und: Allein schon in einem solch wichtigen Spiel einen Platzverweis zu kassieren, ist amateurhaft. Das darf im Rückspiel nicht mehr passieren.
Sportdirektor Keller baut vor
Einfach wird es nicht. Die Mannschaft von Steffen Baumgart muss mit zwei Toren Vorsprung gewinnen, um in die Gruppenphase einzuziehen. Vorsichtshalber versuchte Sportdirektor Christian Keller, den Druck zu nehmen: "Wir müssen gar nichts", sagte er auf die Frage, ob der finanziell angeschlagene und schon im DFB-Pokal gescheiterte 1. FC alleine schon wegen der Mehreinnahmen von rund zehn Millionen Euro weiterkommen müsse. Die wichtigste Lehre aus dem Hinspiel sei, "die Erwartungshaltung in einem vernünftigen Maß zu halten", sagte Keller.
Der Sportdirektor baut vor, weil er weiß, das Aus gegen den ungarischen Klub die Euphorie im FC-Umfeld mit einem Mal auslöschen würde. Für die erst zweite Europacup-Saison in den letzten 30 Jahren wurden extra Trikots kreiert, Rapper Mo-Torres hat einen Song namens "Effzeh International" geschrieben, der Verein stellt die Saison unter das Motto "Mer fiere dä FC – den Kölle & Europa" ("Wir feiern den FC – in Köln & Europa"). Vielleicht wäre es besser gewesen, mit den Trikots und dem Song zu warten, bis man tatsächlich qualifiziert ist. Die Kölner wären nicht die ersten, die mit einer Mischung aus Naivität und vorgeschütztem Selbstbewusstsein an der Realität scheitern.