Nein, DFB-Präsident Reinhard Grindel hatte keinen schönen Sommer. Lediglich zwei Tage Urlaub in Österreich habe er sich gegönnt, berichtet er im Interview mit der "Bild am Sonntag". Er habe es vorgezogen, als "Kapitän vor Ort auf der Kommandobrücke" zu bleiben. Was verständlich ist, schließlich hätten die Turbulenzen nach dem blamablen WM-Aus durchaus die Kraft gehabt, auch Grindel selbst über Bord zu spülen.
Nun, wo der Sturm der Entrüstung abflaut und Fußball-Deutschland sich wieder auf den geliebten Vereinsfußball konzentrieren kann, findet der DFB-Präsident Zeit für ein bisschen Selbstkritik. Im "Bild"-Interview nimmt Grindel noch einmal ausführlich Stellung zum WM-Desaster und räumt ein, dass er sich in der Causa Mesut Özil vielleicht nicht ganz vorbildlich verhalten hat, weil man einen Nationalspieler als DFB-Präsident gegen rassistische Angriffe schützen sollte.
DFB-Präsident will mehr Fannähe
Das ist schon mal eine gute Erkenntnis, aber möglicherweise hat der DFB-Präsident in seinem Nicht-Urlaub sogar noch mehr gelernt. Aufhorchen lassen in dem Interview nämlich auch Grindels Aussagen zum Thema Fannähe. Man wolle wieder "eine größere Nähe zu den Fans bekommen", sagt Grindel, und denkt dabei an "mehr öffentliche Trainingseinheiten" und "niedrigere Ticketpreise". Und dann sagt er: "Und ich nehme auch wahr, dass an der Basis der Begriff "Die Mannschaft" als sehr künstlich empfunden wird. Auch das sollten wir auf den Prüfstand stellen."
Das Streichen des Slogans wäre in der Tat ein nicht zu unterschätzender symbolischer Schritt. "Die Mannschaft" ist der PR-Begriff, den die DFB-Funktionäre der deutschen Auswahl nach dem WM-Titel 2014 verpassten, weil eine knackige Bezeichnung wie "Selecao" oder "Les Bleus" bislang fehlte. "Die Mannschaft" sollte zur Marke werden, vor allem im Ausland. Dass kein deutscher Fußballfan die Nationalelf so nennt, war Oliver Bierhoff und den DFB-Strategen dabei egal.
Die falsche Geburtslegende des Begriffes
Dafür gab es eine hervorragende Geburtslegende für den Begriff, die sich leider später als unwahr herausstellte. So soll England-Legende Steven Gerrard nach dem 7:1 gegen Brasilien getwittert haben: "Brasilien hat Neymar. Argentinien hat Messi. Portugal hat Ronaldo. Deutschland hat eine Mannschaft". Der englischsprachige Tweet (in dem vom "team" die Rede ist, keinesfalls von "the mannschaft") existierte tatsächlich, stammte allerdings nicht von Gerrard, sondern von einem gewöhnlichen Liverpool-Fan.
Dennoch tauchte das vermeintliche Gerrard-Zitat später sogar im offiziellen Trailer für den Film "Die Mannschaft" auf - der vom DFB glattpolierten Doku über den Titelgewinn in Brasilien. (Der Trailer ist bis heute auf dem Youtube-Kanal von Constantin-Film zu sehen.)
Auch abgesehen von diesem Schönheitsfehler, konnten sich die meisten deutschen Fans nie mit dem Begriff identifizieren. Er wurde vielmehr zum Symbol für die Marketingmaschine DFB - in einer Zeit, in der vielen Fußballfans der allgegenwärtige Kommerz sowieso zu viel wird. Statt für Werte wie Teamgeist stand er für ein seelenloses Kunstprodukt. Seit 2015 wird "Die Mannschaft" als Marke inszeniert, der Begriff prangt auf dem Team-Bus, auf Werbeplakaten und wo man ihn sonst noch so unterbringen kann.
Letztlich muss man Mannschaftsgeist aber eben nicht nur in Werbekampagnen beschwören, sondern täglich vorleben - in der Kabine, auf dem Platz und auch drumherum. In einer der ersten "Die Mannschaft"-Kampagnen im Jahr 2015 heißt es: "Was uns als Mannschaft auszeichnet, ist unser Zusammenhalt. Wir sind füreinander da, wir stehen natürlich auch für den Erfolg." Gesprochen werden diese Sätze von Mesut Özil.