Joachim Löw "Wir werden kein Gras fressen"

Der Bundestrainer forscht nun, was falsch gelaufen sein könnte gegen Kroatien. Die Gründe will er schnellstens herausfinden. An seine Philosophie glaubt er immer noch. Doch die Mannschaft wird er gegen Österreich anders aufstellen.

Eines der bekanntesten Stücke der Punk-Band "Die Ärzte" befasst sich mit einem Mann, der von seiner Frau betrogen und verlassen worden ist. "Warum hast Du mir das angetan?", fragt der Mann. Er steigert sich hinein in sein Schicksal, leidet, wird immer wütender, kann es einfach nicht fassen ...

Warum nur? Warum gewinnt man recht souverän gegen Polen und wird beim zweiten Spiel von der Nationalmannschaft Kroatiens beherrscht? Warum erarbeitet man sich nach dem Anschlusstreffer zum 1:2 keine einzige Chance mehr, kassiert stattdessen eine rote Karte und fast noch einen dritten Treffer? Warum?

Endspiel gegen Österreich

Joachim Löw weiß das noch nicht. Er wird mit den Spielern reden, sie fragen, was los gewesen sei gegen die Kroaten am Wörthersee in Klagenfurt? Nun will er "die Gründe erforschen". Denn der Bundestrainer braucht Antworten. Am Montag gegen die doch nicht so schwachen Österreicher findet, wie Philipp Lahm das ausdrückt, ein "Endspiel" statt. Löw sieht das ähnlich: "Die Österreicher werden um ihr Leben rennen."

Den ersten Befund hat Joachim Löw bereits benannt: Seine Mannschaft war nicht um ihr Leben gerannt. Man habe "kein Tempo aufgenommen" und die "Positionen nicht gehalten", habe sich von den Kroaten "einlullen" lassen.

Das Spiel ohne Ball sei nicht befriedigend, der Spielaufbau voller Mängel gewesen: Man habe nicht flach und vertikal in die Spitze gespielt. Letzteres wurde in der Tat im Laufe des Spiels immer offensichtlicher: Deutschland bolzte Bälle hoch nach vorne – und bekam Sekunden später Probleme mit kroatischen Konterattacken.

Schweinsteiger hat dem Team geschadet

"Schade, dass Bastian Schweinsteiger ausfällt", fand Löw, und mit dem Münchner Mittelfeldspieler hat er durchaus schon gesprochen: "Damit hat er sich selbst und der Mannschaft geschadet. Das habe ich ihm gesagt." Eine Überheblichkeit seiner Spieler hat der Bundestrainer nicht ausgemacht, "das wäre nach einem Sieg bei so einem Turnier auch fatal". Die Mannschaft habe schlicht "nicht ihr wahres Gesicht gezeigt".

Löw, 48, beschönigt wenig nach der kleinen Katastrophe von Klagenfurt. Er habe auch sich selbst hinterfragt: "Was hätte man persönlich im Spiel bewirken können?" Dass seine Entscheidung, David Odonkor nach der Pause zu bringen, falsch war, gestand er indirekt ein: "Mit der Einwechselung haben wir nicht die erhoffte Wende geschafft. Ich hatte auf tiefe Pässe für David Odonkor gehofft, doch auch er konnte sich nicht in Szene setzen." Am Ende musste der verkappte Stürmer sogar verteidigen. Der ins Spiel gebrachte Kevin Kuranyi blieb beinahe ohne Ballkontakt.

Löw wird anders aufstellen

Löw erwähnte ein weiteres Mal die guten Trainingsleistungen von Arne Friedrich und Heiko Westermann, und er kündigte an, gegen Österreich "sehr wahrscheinlich" anders aufzustellen. Marcell Jansen, der zwar immer mal wieder erfolgreich nach vorn stürmte, aber wie schon gegen Polen mit seinen Abwehraufgaben überfordert war, dürfte ohnehin ausfallen: Er ist auf die Schulter gefallen und wurde heute erst einmal zur Kernspintomographie in die Röhre geschoben. Auch um Deutschlands bisher einzigen EM-Torschützen wird die Nation bangen müssen: Lukas Podolski erlitt eine Kapselverletzung im Sprunggelenk, die sich zum Glück als nicht schwerwiegend entpuppte.

Wechseln also wird der Bundestrainer, seinen Weg aber, das offensive und technisch anspruchsvolles Spiel zu forcieren, den will er unbedingt fortsetzen. "Ich bin nicht der Trainer, der sagt, wir müssen jetzt Gras fressen." Immerhin aber räumt er ein, dass es seinem Team an Kampfeskraft fehlte.

In dem Song der Ärzte zeigt sich der Verlierer durchaus kampfesbereit, er ist sogar optimistisch: "Eines Tages werd ich mich rächen …" Optimistisch gibt sich auch Joachim Löw: "Wir werden ins Viertelfinale einziehen."

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