0:45 Uhr Ortszeit. Arena Națională Bukarest. Frankreichs Mittelstürmer Kylian Mbappé schickt den Ball mit seinem rechten Fuß aus elf Metern auf die Reise Richtung Tor. Eine der leichtesten Übungen für einen Fußballer seines Formats. Könnte man meinen. Doch das 22-jährige Jahrhunderttalent bringt die Kugel nicht am Schweizer Torwart Yann Sommer vorbei. Fast auf den Tag genau drei Jahre nach dem spektakulären 4:3 im WM-Achtelfinale gegen Argentinien besiegelt Mbappés Fehlschuss das Aus des amtierenden Weltmeisters. Ausgerechnet Mbappé könnte man nun sagen. Doch das trifft es irgendwie nicht. Folgerichtig Mbappé passt besser. Denn der Stürmer von Paris St. Germain blieb in allen vier EM-Spielen nicht nur torlos, sondern auch meilenweit unter seinen herausragenden Möglichkeiten.

Überirdisch. Von einem anderen Stern. Von wegen.
Sinnbildlich für das verkorkste Turnier Mbappés ist die 111. Minute des Achtelfinals gegen die Schweiz. Beinahe kläglich jagt er den Ball nach einem Traumpass von Paul Pogba aus wenigen Metern mit links weit am Kasten von Yann Sommer vorbei. Ausgelaugt und sichtlich angezählt, steht er danach mit schmerzverzerrtem Gesicht an der Werbebande. Der Mann, der Paris St. Germain zwei Mal zur französischen Meisterschaft schoss. In der abgelaufenen Saison traf er 27 Mal. Und dabei übrigens sechs Mal vom Elfmeterpunkt. Kein Fehlschuss. Der Mann, der bei der WM 2018 im zarten Alter von 19 Jahren vier Tore zum glanzvollen Triumph der Equipe Tricolore beisteuerte. Überirdisch. Von einem anderen Stern. Unmenschlich. Was Kylian Mbappé danach nicht alles über sich lesen durfte. Und nun?
"Ich habe versagt", twitterte er rund 30 Minuten nach dem verhängnisvollen Elfmeter kleinlaut aus der Kabine. Er habe dem Team helfen wollen, versucht sich Mbappé zu rechtfertigen. "Es wird mir schwer fallen, Schlaf zu finden, aber auch das gehört zu dem Sport, den ich so sehr liebe", schreibt er weiter an seine Fans. Fast 150.000 seiner mehr als sechs Millionen Follower trösten den traurigen Kicker mit einem virtuellen Herz. Mehr als 8000 schreiben sich den Frust von der Seele und versuchten ihr Idol mit Kommentaren aufzumuntern.
"Kleine Diva": Wagner teilt gegen Mbappé aus
Kaum Mitleid hatten die ZDF-Kommentatoren Oliver Schmidt und Sandro Wagner mit Mbappé und den Franzosen. Jedenfalls nicht in der ersten Halbzeit. "Selbstgefällig" nannte Schmidt das zunächst seltsam uninspirierte und einfallslose Spiel der Elf des Weltmeisters. Und Ex-Bayern-Stürmer Wagner wollte gar divenhafte Züge an Mbappé erkannt haben. 23 Zweikämpfe bestritt der in den 120 Minuten. Ganze sieben entschied er gegen die bissigen Schweizer für sich. Sechs Mal zielte er aufs Tor von Sommer. Der musste kein einziges Mal eingreifen. Die 22 Akteure hätten noch zwei Stunden weiterspielen können. Mbappè wäre an diesem Abend wohl ohne Tor geblieben. Wahrlich nicht die besten Voraussetzungen, um vor Selbstvertrauen strotzend zum Elfmeterpunkt zu schreiten. Und genau das sah man Mbappé irgendwie schon auf dem Weg zum Strafraum an. Hatte Trainer Didier Deschamps ihn dazu verdonnert, den fünften Elfmeter zu schießen? Oder wollte sich Mbappé selbst nach einem dürftigen Auftritt noch zum Held des Abends krönen? Niemand könne ihm böse sein, dass er beim letzten Elfmeter die Verantwortung übernommen habe, klärte Deschamps auf und stellte sich nach dem Spiel zugleich hinter die tragische Figur des Abends.
Weltfußballer müssen mit Rückschlägen und Niederlagen klar kommen. Das weiß auch Kylian Mbappé. Er werde aufstehen und stärker zurückkommen. Das versprach er trotz aller Enttäuschung in seinem Tweet.