Zwölfmal hatte Deutschland vor diesem Turnier an einer EM teilgenommen, neun Mal standen die Spieler dabei mindestens im Halbfinale, sechsmal im Endspiel. Nicht ganz so krass, aber ähnlich stark sieht die Bilanz bei Weltmeisterschaften aus: 13 Mal Halbfinale - oder besser - bei 19 Teilnahmen. Kurzum: Deutschland ist bei großen Turnieren erfolgsverwöhnt, die DFB-Elf ist die so oft beschriebene "Turniermannschaft".
Doch die letzten beiden Turniere scheren da deutlich aus der Parade. Nach dem blamablen Vorrunden-Aus bei der WM 2018 ist das Team von Joachim Löw mit der Achtelfinalpleite gegen England erneut früh ausgeschieden. War Deutschland vor drei Jahren in Russland noch als Titelverteidiger mit großen Erwartungen in das Turnier gestartet, war die Enttäuschung entsprechend groß, dieses Mal lässt sich festhalten: Wirklich überraschend kommt das Aus der deutschen Elf nicht.
Müller ist der große Verlierer und einer der heimliche Chef – die Einzelkritik

Löw-Elf gewann nur ein Spiel
Deutschland konnte nämlich in keinem Spiel bei diesem Turnier restlos überzeugen. In jeder der vier Partien war der Gegner in Führung gegangen. Nur gegen Portugal gelang danach ein Sieg. Selbst Fußballzwerg Ungarn brachte Deutschland an den Rand der Blamage. Und gegen ein nicht sonderlich gutes England war dann Schluss. Dabei mangelte es in Wembley nicht an Einsatz oder Einstellung, die deutsche Elf gab alles, was sie hatte. Nur ist das halt nicht mehr so viel wie früher.
Bereits im Vorfeld musste Coach Joachim Löw sich eingestehen, dass der von ihm angegangene Umbruch ein Stück weit gescheitert war. Zu viele schwache Partien hatte die Nationalmannschaft abgeliefert mit dem traurigen Höhepunkt eines 0:6 gegen Spanien. Vor dem Turnier holte Löw dann zwei der Spieler wieder, die er eigentlich nach der WM-Blamage über die Klinge hatte springen lassen – an seiner statt, behaupten böse Zungen.

Deutschland fehlt es an Klasse
Nach der großen Spieler-Generation um Schweinsteiger, Lahm und Klose kam einfach nicht genug Klasse nach. Die Klostermanns, Kochs und Halstenbergs versprühen weitaus weniger Weltklasse-Flair. Und so setzte Löw bei der EM wieder auf die Weltmeisterachse aus Neuer, Hummels, Kroos und Müller. Sieben Jahre später sind die allerdings auch alle sieben Jahre älter – und damit nicht unbedingt besser. Sané und Gnabry liefern noch nicht beständig auf dem Niveau, Havertz deutete mehrfach an, was er kann, während Gündogan das nur bei Manchester City zeigt. Und Werner – nun ja – der ehemalige Leipziger hat das Toreschießen nicht erfunden.
Deutschland fehlt es an offensiver Durchschlagskraft und an defensiver Stabilität. Dem Team fehlt es schlicht vorne und hinten an Klasse, das muss man so deutlich sagen.
Und so war beim zweiten Turnier in Folge früh Schluss. Die Verantwortung dafür trägt – wie bereits vor drei Jahren – der Übungsleiter, aber der geht ja ohnehin freiwillig, dieses Mal zumindest.
Besonders dramatisch ist die Situation, weil bereits nächstes Jahr das nächste große Turnier ansteht. Wüsten-WM in Katar, dann mit Hansi Flick als Chefcoach. Der hat nicht allzu viel Zeit, eine neue schlagkräftige Truppe zu formen. Suboptimale Voraussetzungen für seinen neuen Job. Es droht womöglich das dritte enttäuschende Turnier in Folge.