Die kleine Nayla wird stolz auf ihren Papa sein, wenn sie in einigen Jahren die Bilder vom EM-Achtelfinale an diesem denkwürdigen Montagabend in Bukarest anschaut. Nayla wurde am 16. Juni geboren und ist die kleine Tochter des Schweizer Nationaltorhüters Yann Sommer. Der parierte kurz vor Mitternacht einen Elfmeter von Frankreichs Kylian Mbappé. Es war der entscheidende. Der Elfmeter, der die Eidgenossen zum ersten Mal seit 1954 wieder ins Viertelfinale einer Welt- oder Europameisterschaft brachte. Mit dem linken Handschuh wehrte Sommer den wenig überzeugenden Schuss Mbappés ab. Doch statt direkt in die Kurve mit den ekstatischen Schweizer Fans zu stürmen, verharrte der 32-Jährige noch einige Momente wie angewurzelt vor dem Kasten. Warum?
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Sommer bremst Teamkollegen beim Jubeln aus
Unmittelbar vor dem Elfmeterschießen hatte sich der argentinische Schiedsrichter Fernando Rapallini Sommer und seinen französischen Torwartkollegen Hugo Lloris zur Brust genommen. Offenbar, um sie eindringlich an das mittlerweile durchaus komplexe (und sich immer wieder ändernde) Regelwerk beim Shoot-out zu erinnern. So müssen die Füße des Torwarts bis zur Ausführung des Elfmeters die Torlinie berühren. Im Moment des Schusses soll zumindest ein Fuß die Torlinie berühren. Penibel kontrolliert wird das von einem der beiden Assistenten.

Und natürlich vom gefürchteten Video Assistent Referee, kurz: VAR. Bei einem solch wichtigen Spiel guckt der natürlich besonders genau hin. Das wusste Sommer. Und statt sich direkt wie von Sinnen das Trikot vom Leib zu reißen, um Momente später jäh ausgebremst zu werden, ging Gladbachs Keeper lieber auf Nummer sicher. Es muss sich wie eine kleine Ewigkeit angefühlt haben. Trotzdem behielt Sommer die Nerven. Selbst seine heranstürmenden Teamkollegen bremste er noch kurz aus. Kurz bevor die über ihren Keeper herfallen konnten, erlöste der Unparteiische Sommer und eine ganze Nation mit dem Schlusspfiff.
Und die Fernsehbilder belegten später, dass alles mit rechten Dingen zugegangen war. Als Mbappé den Ball auf die Reise schickte, stand Sommer mit dem linken Fuß noch auf der Torlinie. Zwei Sekunden später klatschte die Kugel an seinen Handschuh.
Die Nummer 1 von Borussia Mönchengladbach wird die lange Nacht von Bukarest sicher nicht so schnell vergessen. "Ich stehe immer noch ein bisschen neben mir", stammelte er nach dem Spiel ins ZDF-Mikrofon. In der Schweiz ist er spätestens seit diesem Abend eine lebende Legende. Ganz nebenbei überflügelte er mit seinem 65. Länderspiel Erich Burgener als Rekord-Torhüter der Nati. Und auch davon wird Sommer seiner kleinen Tochter Nayla in ein paar Jahren mit leuchtenden Augen erzählen.