Pep Guardiola war eigentlich immer ein zurückhaltender Mensch. Er war nie wirklich einer, der lospoltert und unüberlegt seine Mitmenschen herumkommandiert oder zurechtweist, egal ob Spieler oder Pressevertreter. Darum war es bislang mitunter schwierig Guardiolas Gemütslage richtig einzuschätzen. In dieser Vorbereitung allerdings zeigte sich Guardiola verändert. Er war so direkt wie nie.
Er machte keinen Hehl daraus, dass er von all der Aufregung über seine unklare Haltung zu seiner Bayern-Zukunft, den Abgang von Bastian Schweinsteiger, eine mögliche Hispanisierung des FC Bayern - und was sonst noch so alles an ihn herangetragen wurde - ziemlich genervt war. Mal brach er eine Pressekonferenz ab, mal gab er unmissverständlich zu verstehen, was er dachte und sagte: "Ich verstehe nicht, warum wir nicht über Fußball reden können."
Pep Guardiola steht vor einem Dilemma
Guardiola steht vor seiner schwersten Saison. Aus der Entfernung betrachtet wirkt es, als stünde er vor einem großen Dilemma. Er liebt den Fußball, und darum betont er auch immer wieder, was er fußballerisch bei Bayern verändert hat. Aber Guardiola ist auch stolz und eitel. Er weiß, dass er lange als der beste Trainer der Welt gehandelt wurde. Nicht nur die fußballerische Schönheit und Dominanz ist ihm wichtig, sondern auch der reine Erfolg.
Mit seiner Station beim FC Bayern wollte und will er sich und allen anderen beweisen, dass er auch außerhalb des FC Barcelona, ohne einen Lionel Messi im Team, Erfolg haben kann, dass er ein großer Trainer ist.
Der FC Bayern München hat den besten Kader der Welt (in der Breite)
Für ihn heißt das ganz konkret, dass er die Champions League gewinnen möchte. Das ist sein großes Ziel, das hat er selbst immer betont. Hier beginnt das Dilemma. In den vergangenen Jahren klappte es aus vielerlei Gründen nicht mit dem Triumph. Jetzt hat er wohl nur noch eine Chance. Seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag hat er schließlich noch nicht verlängert. Doch wenn er die Bayern ohne Champions-League-Titel verlässt, das weiß er selbst, wirkt es auch ein bisschen so, als sei er gescheitert. Überragende Meisterschaften und Pokalsieg hin oder her.
Pep Guardiola weiß schließlich auch, dass er den besten Kader der Welt zur Verfügung hat. Barcelona, Real, Chelsea, PSG - kein Team ist in der Breite so gut besetzt wie der FC Bayern. Die Bayern haben Pep ein Paradies geschaffen. Doch ohne den Champions-League-Titel bröckelt es auseinander. Das verschärft Pep Dilemma weiter. Jeder Laie ahnt schließlich, dass mit dem Spielermaterial wohl auch Lothar Matthäus als Bayern-Trainer Meister werden würde. Der Kader garantiert nationalen Erfolg. Doch selbst der beste Kader in der Breite garantiert noch nicht den Champions-League-Triumph. Dort zählen am Ende die Top elf. Es ist Guardiolas Aufgabe, diese auf den Platz zu bekommen. Nur hier unterscheidet sich der gute Trainer vom Weltklasse-Trainer.
Guardiola kann nur verlieren
Guardiola steckt also in der Zwickmühle. Er befindet sich in einer Situation, in der er fast nur verlieren kann. Pokert er hoch und setzt darauf, in dieser Saison alles zu gewinnen, wird er ständig gefragt werden, warum er keine klare Ansage zu seiner Zukunft macht. Das wird Unruhe bedeuten, für ihn, für den Verein - das wird wiederum die Saisonziele gefährden und damit wiederum ist es eine Gefahr für Guardiolas Stolz.
Er wirkt derzeit maximal genervt. Er legt er sich nicht nur mit der Presse an, er droht sogar den eigenen Spielern. Laut "Bild"-Zeitung soll er in einer Kabinenansprache gesagt haben: "Dieses Jahr läuft jeder nur so, wie ich es will. Ich sage, wo lang gelaufen wird - ihr hört zu. Es gibt nur eine Ausnahme auf der ganzen Welt, die das nicht machen müsste - das ist Messi". Solche Aussagen verwundern. Einen solch strikten Guardiola kannte man bislang nur kurz - so dunnhäutig und dominant war er auch in seiner letzten Halbserie bei Barcelona. Da störte er sich auch an der ewigen Fragerei der Presse (in Spanien funktioniert das Geschäft schließlich nicht anders als in Deutschland). In der Folge erhöhte er den Druck aufs Team.
Eine Wette mit sich selbst - es gibt nur einen Ausweg
Das Ende ist bekannt. Guardiola stieg aus, legte ein Sabbat-Jahr ein und musste sich erstmal sammeln. Ob es am Ende der Saison noch einmal so kommt? Vieles hängt wohl einfach davon ab, ob er weiter eine Wette mit sich selbst eingeht. Ob er sich zutraut, aller Kritik zu trotzen, das Team zufrieden zu halten und es am Ende zum Champions-League-Triumph zu führen. Oder ob er die Unruhe frühzeitig im Keim erstickt und klar sagt, was er in der kommenden Saison macht. Der Zwickmühle könnte er am einfachsten entkommen, in dem er noch mindestens ein Jahr dranhängt beim FC Bayern. Dann könnte er mit dem besten Kader der Welt zumindest eine weitere Saison lang in Ruhe arbeiten.
Allem Anschein nach gibt es an der ganzen Sache allerdings einen Haken. Pep Guardiola scheint derzeit selber nicht zu wissen, was er in Zukunft machen möchte.
Kein Wunder, warum er so unzufrieden wirkt.