TV-Kritik Eine Flugshow im Studio und Wortneuschöpfungen von Claudia Neumann – der WM-Auftakt im ZDF ist erfrischend anders

  • von Ingo Scheel
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg spricht in ein ZDF-Mikrofon
Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg stand nach Abpfiff dem ZDF Rede und Antwort
© Mediathek / ZDF
Mit einem halben Dutzend startet die deutsche Nationalmannschaft ins WM-Turnier, auch in Sachen Berichterstattung braucht es keine lange Anlaufzeit. Im ZDF-Studio ging es gleich mit vollem Körpereinsatz zur Sache.

Ein paar Tage war Geduld und Warm-up angesagt, jetzt endlich erklang der Anpfiff auch für das deutsche Team bei der Fußball-WM in Australien und Neuseeland. Der Gegner Marokko, die Kräfterverhältnisse eindeutig, das Ergebnis hätte gut und gern auch noch zwei, drei Tore höher ausfallen können, aber wer wollte bei einem 6:0 zum Start in ein internationales Turnier überhaupt kritteln.

Im WM-Studio des ZDF schon mal keiner, im Gegenteil. Mit Teamkäptn Sven Voss als Moderator, der verletztungsbedingt zur Expertin mutierten Nationalspielerin Giulia Gwinn und Allround-Könnerin Kathrin Lehmann war die Runde so übersichtlich  besetzt wie auf den Punkt vorbereitet. Gwinn etwa konterte mögliche Rest-Frustration übers Daheimbleiben mit einem Hingucker von einem Dress. Wer vom letztjährigen Experten-Aufgalopp noch an die Funktionsjacken eines Per Mertesacker gewöhnt war, musste sich womöglich etwas die Augen reiben.

Was allein die Vorberichterstattung angeht, geriet das Vorgeplänkel solide bis überzeugend: ein kompaktes Porträt über Felicitas Rauch, ein bisschen Teamkunde unter zoologischen Aspekten und die universelle Einsicht, wie man bei der Mannschaftsaufstellung am besten vorgeht: Setz’ den Besten auf das beste Pferd. Hü-hott, möchte man gerade noch sagen – und nebenbei doch noch etwas mehr über die von Sven Voss leider nur angedeutete persönliche Playlist erfahren – da übernehmen auch schon ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann und Co-Kraft. Fast jedenfalls, vorher sammelt Sven Voss noch die Tipps der Expertinnen ein, da ist Kathrin Lehmann eher zurückhaltend (2:2), Giulia Gwinn dagegen ausgesprochen zuversichtlich und mit einem 3:0-Tipp durchaus in der Spur, wenngleich am Ende sogar noch drei Tore zu niedrig.

ZDF startet mit Claudia Neumann in die WM

"Ein Quantum Druck" war bei ZDF-Stimme Claudia Neumann angesagt, die mit ihrer Kollegin vom Fach, Ex-Nationalspielerin Tabea Kemme, bestens harmonierte, dabei schon in einigen Szenen den traditionellen Neumann-Growl, diesen Frosch im Hals hatte, ein untrügerisches Indiz für ausreichend Spieldrama. Inhaltlich ging es angesichts des Euphorie befeuernden Geschehens schon mal in rhetorischen Grenzbereiche. "Es gibt kaum noch Patschehändchen", entfuhr es Neumann angesichts der unübersehbar verbesserten Grundleistung der Torwartfrauen im allgemeinen. Dass Schiedsrichterin Tori Penso den Laden so souverän zusammenhält, sei ihrer Rolle als dreifache Mutter zu verdanken – "die weiß, wie man mit den jungen Frauen hier umgeht" – und nebenbei musste natürlich auch noch angemerkt werden, dass Linksaußen Klara Bühl in ihrer Freizeit häkelt.

Häkeln, das passende Stichwort – beim Versuch, das "physisch kaum mögliche Tor" von Alexandra Popp zum 2:0 mit Worten zu beschreiben, verstrickten sich Neumann/Kemme zwischen "Popp-Ohr-Tor", "Ohr-Katapult" und noch so einigen Wortschöpfungen, um sich am Ende zumindest auf eine Aussage, so simpel wie wahr, einigen zu können: "Ein schönes Tor, ne?"

Kathrin Lehmann mit vollem Körpereinsatz

Um einiges spektakulärer ging man, was das betraf, im Studio zu Werke. Da drehte es sich logischerweise auch sofort ums Kopf-Ohr-Schulter-Tor von "Poppi" und bevor man sich dort nun auch noch verbal um Kopf und Kragen redete, versuchte sich Kathrin Lehmann lieber gleich am vollen Körpereinsatz, einer Art "Goal Enacting", und legte vor den erstaunt-sprachlosen Gwinn und Voss eine Art Bauchklatscher hin, um die Flugkurve von Alex Popp zu veranschaulichen. Das Mikro flog, es schepperte kurz, einen Moment lang sah es nach blauen Flecken aus, aber da stand Kathrin Lehmann bereits wieder und machte jedweden Sanitäterinnen-Einsatz obsolet.

"Alle Kritik an die Wand gespielt und ein Ausrufezeichen gesetzt", so fazitierte Guilia Gwinn am Ende einer erfrischend-unterhaltsamen Live-Übertragung. So darf es gern weitergehen. Bis zum nächsten Gruppenspiel ist für deutsche Fans erst einmal wieder Geduld angesagt. Am kommenden Sonntag, den 30. Juli, geht es in Sydney im zweiten Gruppenspiel (Anstoß 11.30 Uhr) gegen Kolumbien.

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