Bilanz der WM-Vorrunde Sauber, leise, langweilig

Stimmung? Mau. Der Sport? Na ja. Organisation? Mies. Die Gruppenphase bei der Frauenfußball-WM ist vorbei. Zeit für eine Zwischenbilanz.

Tatort Borussia-Park, 30 Minuten vor dem Anpfiff zum letzten Gruppenspiel der deutschen Frauenfußball-Nationalmannschaft gegen Frankreich: Auf der Pressetribüne der Mönchengladbacher WM-Arena herrscht Chaos. Ein Dutzend Volunteers wird von zwei Dutzend verzweifelter Journalisten über steile Treppen und durch Kommentatorenreihen getrieben. Die Presseleute suchen die Reihe 19. Die freiwilligen Helfer sollten sich eigentlich auskennen. Stattdessen verzweifeln auch sie. Es gibt in diesem Stadion-Block gar keine Reihe 19. Strenge Fifa-Herren in dunkelblauen Anzügen lösen schließlich das Problem und platzieren die Pressevertreter da, wo noch Platz ist.

Es gibt Sachen, die laufen prima bei dieser Frauen-WM in Deutschland. Die Arenen sind überwiegend gut gefüllt. Und kaum jemand hatte erwartet, dass die TV-Einschaltquoten bei den Spielen des DFB-Teams derart hoch sein würden. In Sachen Organisation aber, und das zeigt die kleine Randgeschichte aus Mönchengladbach, hinkt das Turnier den eigenen Ansprüchen hinterher.

Auch was die Stimmung in den Stadien betrifft, gibt es noch viel Luft nach oben. Die erste Fußball-WM der Frauen in Deutschland sollte das Sommermärchen reloaded werden. Genauso fröhlich, genauso bunt. Mit schwarz-rot-goldener Begeisterung in den Stadien und auf den Marktplätzen. Dann aber begann das Turnier in Berlin mit einer Stimmung wie auf einem Turnfest. Die Stadien mögen voll sein. Meist sind es Familien, Väter mit ihren Töchtern und Frauen, die ihre Männer in Ballack-Trikots hinter sich her ziehen. Die Karten waren verhältnismäßig billig. Außerdem ist Frauenfußball die saubere Variante des Fußballs. Hier gibt es keine tätowierten und Bier kippenden Fans. Alles geht ein bisschen gesitteter zu. Auf der Tribüne steht man beieinander, isst mit seinen Kindern Pommes, schlürft Cola. Wie auf einem Kindergeburtstag halt. Und ähnlich fundiert sind oft die Kommentare.

Wenn die Ränge Schweigen

Von Begeisterung, gar Ekstase wie bei der WM der Männer 2006 ist bisher wenig zu spüren. Zu mehr als den stupiden "Deutschland, Deutschland"-Sprechchören reicht es nicht. Von echtem Support für die eigene Mannschaft ganz zu schweigen. Nur ab und zu kommt eine Welle zustande. Dazwischen herrscht phasenweise minutenlang Stille auf den Rängen. Nur als ein paar freche Franzosen während der Partie gegen das DFB-Team beginnen, "Deutschland raus" zu skandieren, fühlt sich das Publikum in Mönchengladbach herausgefordert. Und grölt die Franzosen nieder.

Und wenn dann Abpfiff ist, gehen die Zuschauer so still und leise wieder nach Hause, wie sie gekommen sind. Ein Hoffnungsschimmer: Anders als noch in Berlin oder Frankfurt wurde das deutsche Team in Mönchengladbach einige Minuten nach dem Abpfiff auf dem Feld gefeiert.

Auf den Marktplätzen der Nation herrscht derzeit dagegen noch gähnende Leere, so dass das Fernsehen nur an den Main in Frankfurt blenden kann, will es feiernde Fans zeigen. Die Fußball WM ist ein Fernsehereignis. Was man guckt, weil es eben läuft. Und Fußball geht in Deutschland irgendwie immer. Die berauschte und fahnenschwenkende Stimmung von 2006 bleibt wohl noch länger nur eine Erinnerung.

Chauvi-Sprüche

Vor allem die Männer in Deutschland sind überrascht, dass Frauen wirklich gekonnt gegen den Ball treten können – und nicht drüber stolpern. Auch unter Journalisten ein verbreitetes Phänomen. Noch bei der Auslosung der Gruppen für die WM im Dezember machten die versammelten männlichen Reporter jeden frauenfeindlichen Witz, der sich irgendwie anbot. Und meinten dann gönnerhaft: "Ich werde mir das aber anschauen. Muss ja." Jetzt sitzen sie auf der Tribüne und staunen.

Und das sportliche Zwischenfazit nach Beendigung der Gruppenphase? Vor der WM glaubte man, die deutsche Mannschaft könne über Wasser gehen, und der Weltmeistertitel sei ein Selbstläufer. In den ersten beiden Spielen wurde schnell klar, dass das nicht stimmt. Erst im dritten Spiel gegen Frankreich hat eine Stabilisierung der Mannschaft eingesetzt. Jetzt, da Silvia Neid sich entschlossen hat, nicht mehr länger an der Altstürmerin Birgit Prinz festzuhalten.

Die Rekordnationalspielerin mit der Rekordtorquote ist die große Verliererin der WM. Zu langsam, zu behäbig, nicht richtig fit - und dann im dritten Spiel ganz raus. Ob sie nach der desaströsen Vorstellung noch mal ran darf? Darauf wollte sich Bundestrainerin Silvia Neid nicht festlegen. Zweifel bleiben.

Ein Duracell-Häschen auf dem Spielfeld

Lira Bajramaj durfte endlich im letzten Gruppenspiel ran. Die Dritte bei der Wahl zur Weltfußballerin 2010 war eigentlich auserkoren, das Gesicht dieser Frauen-WM zu werden. In den ersten beiden Spielen war sie aber nur das Gesicht der Ersatzbank. Zu viele Werbetermine und zu viele Interviews. Ihr Auftritt gegen Frankreich war ein Anfang. Ab und zu ließ sie ihre feine Technik aufblitzen. Rannte wie das kleine Duracell-Häschen immer die Linie auf und ab. Fast hätte sie ein Tor geschossen, und einen Elfmeter hat sie rausgeholt. Aber groß aufgespielt hat sie noch nicht.

Das Spiel gegen Kanada war okay. Gegen Nigeria kam das deutsche Team mit der Härte der Gegnerinnen nicht zurecht. Gegen Frankreich wirkte alles ein bisschen stabiler. Ansonsten bot das Turnier sportlich vor allem viel Erwartetes: Trotz überwiegend knapper Resultate kam in den Gruppenspielen nur selten echte Spannung auf. Ein Grund: die miserable Chancenverwertung. Ganze 14 Mal fand der Ball in den ersten acht Vorrundenbegegnungen den Weg ins Tor. Vor vier Jahren hatten die Spielerinnen zum gleichen Zeitpunkt schon 39 Mal ins Schwarze getroffen. Zum Abschluss der Vorrunde haben wenigstens die Stürmerinnen der Topteams aus den USA, Brasilien und Deutschland ihre Treffsicherheit wiedergefunden. Andere Teams dagegen offenbarten unfassbare Schwächen beim Torschuss.

Am Wochenende beginnt mit den Viertelfinalspielen die Frauen-WM zumindest sportlich bei Null. Alles auf Anfang - dem Turnier kann es nur gut tun.

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