Siegen oder fliegen: Huub Stevens muss Hertha BSC zu zwei Erfolgen gegen Hansa Rostock führen oder beim Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga seinen Hut nehmen. Mit dieser schweren Hypothek reisen der Trainer und die noch sieglosen Berliner am Samstag zum Bundesliga-"Kellerduell" ins Ostseestadion, wo am Dienstag nächster Woche auch das Zweitrunden-Spiel im DFB-Pokal ansteht.
Das Wort "Ultimatum" bleibt ungesagt
"Wir können nicht mehr lange warten und mussten der veränderten Situation Rechnung tragen. Ich habe diese Option durchgespielt und bin damit zu Huub Stevens gegangen", sagte Hertha-Manager Dieter Hoeneß zur letzten Schonfrist, die Stevens trotz öffentlichen Gegenwinds und vorübergehender Bedenken im eigenen Verein nach mehreren Krisensitzungen eingeräumt worden war. Hoeneß erklärte, die Mannschaft trage die Vereinbarung mit, die ein Novum in der Bundesliga-Geschichte darstellen dürfte. Den Begriff Ultimatum vermied der Hertha-Manager jedoch.
"Ich kann es nicht allein. Ich wollte hören, ob auch die Spieler einverstanden sind. Von daher war klar, dass ich die Herausforderung annehme", sagte Stevens. Er gab zu, dass ihn die massiven Missfallensbekundungen nach dem UEFA-Cup-Aus in Grodzisk und am Samstag beim 1:4 gegen Bayer Leverkusen getroffen haben. "Huub Stevens ist ein Mensch. Es ist nicht einfach, wenn er ausgepfiffen wird. Auch Huub Stevens hat Gefühle", erklärte der Niederländer.
Ablösung galt als so gut wie sicher
Nach der jüngsten Heim-Pleite war eigentlich mit der Ablösung des 49-Jährigen gerechnet worden, der sein Amt im Juli 2002 angetreten hatte und einen Vertrag bis zum Juni 2005 besitzt. "Es macht keinen Sinn, einseitig emotionale Entscheidungen zu treffen", begründete Herthas Aufsichtsratsvorsitzender Rupert Scholz das Festhalten an Stevens. Der frühere Verteidigungsminister forderte aber auch: "Wir müssen aus diesem Schlamassel raus. Ganz, ganz schnell." Ob Stevens eine geschätzte Abfindung von einer Million Euro selbst dann bekommt, wenn er in Rostock nicht erfolgreich ist, blieb offen. "Geld hat mit dieser Entscheidung nichts zu tun", sagte Hoeneß.
Und wenn's schief geht?
Mit dem Festhalten an seinem Wunschkandidaten wurden auch Spekulationen genährt, dass andere, möglicherweise teure Lösungen nicht zu Stande kamen. Als preiswerte "Feuerwehrleute" waren die früheren Hertha-Profis Michael Preetz und Andreas Thom gehandelt worden. Das Szenario des allerschlimmsten Falls werde hinten angestellt, betonten Hoeneß und Scholz, der Manager stellte indes klar, man werde die Zeit nutzen, sich auf andere Optionen einzustellen.
Bis zur abendlichen Pressekonferenz hatte sich der Tag an der Hertha-Geschäftsstelle zum Katz-und-Maus-Spiel entwickelt. Am Vormittag hatte der Club den für 14.00 Uhr angesetzten täglichen Medientermin mit Stevens abgesagt. Dies wurde als weiteres Indiz für eine Trennung gewertet.
Merkwürdige Szenen am Trainingsgelände
Am Nachmittag hatten sich schon zahlreiche Journalisten am Olympia-Gelände eingefunden, durften es jedoch zunächst nicht betreten. Erst kurz vor Trainingsbeginn wurden die Medienvertreter, darunter auch ein Fernseh-Team aus den Niederlanden, auf den Übungsplatz gelassen. Dort fuhr Stevens mit dem Auto vorbei an den wartenden Journalisten und arbeitete auf einem abgelegenen Platz mit den Reservisten. Die Stammspieler fuhren ebenfalls per Auto zum Lauftraining zum nahe gelegenen Berliner Teufelsberg.
Ärger vor dem Sportgericht
Weiteres Ungemach droht dem Coach durch das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), nachdem ihn Schiedsrichter Markus Merk am Samstag während der Begegnung gegen Leverkusen von der Trainerbank verwiesen hatte. Der Sonderbericht von Merk ist Stevens zugesandt worden. Der Coach hat nach DFB-Angaben bis Mittwoch Zeit, Stellung zu nehmen. Danach entscheidet der DFB-Kontrollausschuss, ob Anklage erhoben wird. Im Anschluss an die Rote Karte für den Berliner Denis Lapaczinski hatte es vor den Trainerbänken ein Handgemenge zwischen Stevens und dem Leverkusener Ulf Kirsten gegeben. Dabei soll Stevens den früheren Torjäger in den Magen geboxt haben. Er selbst hatte erklärt, Merk habe ihn wegen einer Beleidigung weg geschickt.