Nationalelf vor dem Türkei-Spiel Das bessere Deutschland

Es wird wieder ernst für Bundestrainer Löw und seine Spieler - heute abend gegen die Türkei. Doch ob die DFB-Auswahl das wichtige Qualifikationsspiel für die Europameisterschaft gewinnt, scheint beinahe zweitrangig.

Wenn es so weiter geht, wird Joachim Löw für dieses Land irgendwann, was Willy Brandt für die SPD war: ein Übermensch, der stets das Richtige im Sinn hatte, dem man vertraute und von dem man wusste, dass er die eigenen Interessen gut vertrat. Und den man nicht mehr missen mochte.

Einen Tag vor dem EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei (heute 20.45 Uhr, Live-Ticker auf stern.de) hat Joachim Löw in einem Berliner Autohaus vor der Sponsorenwand des DFB Platz genommen. Er schaut in Kameras, in Gesichter von Journalisten. Der Bundestrainer: Nun wird er zum Volk sprechen.

Es geht um die Gefährlichkeit der Türken und um deutsche Dominanz und darum, dass zuletzt viele junge Spieler in die Mannschaft integriert worden sind. Bekannt ist das meiste und von geringer Brisanz. Der Bundestrainer hat keine große Botschaft an diesem Tag, doch seine Worte werden weiter getragen.

Das Volk kann aufatmen: Alles ist in Ordnung

Am Ende hat man jenes Gefühl, das Löws und auch die Auftritte seiner Schüler oft vermitteln: Alles ist in bester Ordnung. Schweinsteiger ist zwar verletzt, der wichtigste Spieler der Mannschaft, aber Löw sagt, Müller, Träsch oder Kroos könnten ihn ersetzen. Der zuletzt bedeutende Bayern-Block steckt zwar in der Krise, aber Lahm sagt, zuletzt habe man das bei der Nationalelf ja auch hinter sich gelassen. Dem Torwart Manuel Neuer schießen sie in der Bundesliga die Bude voll und mit Arne Friedrich fehlt der Abwehr-Stabilisator der WM. Na und? "Die Vorfreude auf das Spiel", sagt Löw, "ist sehr, sehr groß."

Man schaut auf eine glückliche deutsche Nationalmannschaftswelt, und es wäre wohl nicht unnatürlich, wenn sich der Himmel über ihr auch mal wieder verfinsterte. Es hat ja lange nicht gewittert, im Gegenteil. Durch die WM ist die DFB-Auswahl leichtfüßig gestürmt, umgestoßen nur vom späteren Weltmeister, was man sich schnell verziehen hat. Ihren Trainer hat sie dann behalten dürfen. Und die Spitze des Verbandes in Person Theo Zwanzigers wurde am Ende gar vom vorher schwer verstimmten Löw zum Weitermachen überredet. Verlierer? Nirgends.

Die Vertreter der neuen deutschen Tugenden

Zudem hat jetzt auch noch eine Umfrage ergeben, dass Deutschlands Elf im Lande höchst beliebt ist - nicht fürs Grätschen und Rennen, sondern für Teamgeist, Weltoffenheit und Toleranz, die offenbar neuen deutschen Tugenden. Fußballdeutschland wirkt im Moment wie das bessere Deutschland. Durchsichtig, aber nachvollziehbar ist es deshalb, dass die Politiker der am Boden liegenden CDU sich hartnäckig an die strahlenden Kicker heranmachen. Die Bundeskanzlerin, der Bundespräsident, im Sommer in Südafrika, jetzt in Berlin: Vergnügt zeigten sie sich Seite an Seite mit den jungen Musterdeutschen.

Die Türken werden rennen am Freitagabend, sie werden kratzen, beißen, treten, und im Olympiastadion werden ihre Fans sie nach vorne schreien. Die Türkei nahm nicht an der WM teil, bei der letzten EM schied sie gegen Deutschland aus. Es könnte dies ein Unterschied mit Folgen sein: Löws Gegner haben einen Weg vor sich. Löws Mannschaft scheint längst angekommen.

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