Es sind gute Tage für RB Leipzig. Das nach anfänglichen Schwierigkeiten noch gedrehte Heimspiel gegen den FC Augsburg, die damit einhergehende Herbstmeisterschaft und dann auch noch eine Fülle von Presseberichten, wie sie sich keine PR-Abteilung hätte gefälliger ausdenken können. Der "Spiegel" schlagzeilte ebenso euphorisch wie rechercheschwach, der Klub sei "plötzlich beliebt" und in der sonntäglichen Schwafelrunde "Doppelpass" wurde RB-Boss Oliver Mintzlaff derart hofiert, dass sich niemand gewundert hätte, wenn am Ende statt Weizenbier Red-Bull-Dosen serviert worden wären.
Es ist der vorläufige Höhepunkts eines im deutschen Fußballs einzigartigen Projekts, und das in vielerlei Hinsicht. Einzigartig ehrgeizig, einzigartig erfolgreich und einzigartig skrupellos. Eine dreistellige Millionensumme hat der österreichische Getränkekonzern Red Bull ausgegeben, um einen Klub an die Spitze der Bundesliga zu hieven. Einen Klub, der nach allen Maximen des modernen Entertainments geformt wurde: glatt, klatschpappig, familienfreundlich und straff geführt.
Werdegang und Wesen des RB Leipzig bedeuten eine Gefahr für die Bundesliga
Einen Klub, der zu Recht für seine sportliche Arbeit gelobt wird, die so konsequent und mit Weitsicht an keinem anderen Bundesliga-Standort betrieben wird. Einen Klub, der zwar als Ostklub firmiert, aber nie einer war. Einen Klub schließlich, dessen Werdegang und Wesen eine Gefahr für die Liga bedeutet, nicht nur für ihre Kultur, sondern auch für ihre Strahlkraft und damit für ihr Geschäft.
Denn letztlich fußt der Klub RB Leipzig auf der Überzeugung, dass alles, wirklich alles am Reißbrett planbar und für kommerzielle Zwecke nutzbar zu machen ist. Das mag für den Fußball gelten, aber nicht für seine Kultur. Die kann nur dort entstehen, wo es im Kern etwas gibt, was sich kommerzieller Verwertungsstrategien entzieht. Eine Idee, eine Überzeugung, eine gemeinsam erkämpfte Geschichte. Das alles gibt es in Dortmund, auf Schalke, in Bochum und in Kaiserslautern. Das ist nicht immer schön anzuschauen und oft auch nicht sportlich erfolgreich. Aber es ist etwas, für das es sich lohnt, auch im Regen in der dritten Liga zum Auswärtspiel zu fahren. In Leipzig ist der innere Kern des Klubs, mehr Getränkedosen zu verkaufen, nicht mehr und nicht weniger.
Ein Klub wie RB Leipzig ist noch kein Problem für die Liga. Weil es eine Menge anderer Klubs gibt, die den Job für die Leipziger mitmachen, deren Fans den Gästeblock in Leipzig füllen und die sich zwar auch als Wirtschaftsunternehmen verstehen, die aber die Mitbestimmung der Mitglieder und Anhänger nicht als ungebetene Störung des Betriebsfriedens begreifen. Aber wenn das Leipziger Modell des aseptischen Investorenklubs Schule macht, wird das nicht ohne Folgen für die Ausstrahlung der Bundesliga bleiben und damit auch für ihre internationale Vermarktungsstrategie. Die deutsche Eliteklasse braucht Stimmung auf den Rängen, lebendige Klubs und immer wieder neue, überraschende Geschichten, die auch die Menschen in Nordamerika und Asien so interessant finden, dass sie jedes Wochenende aufs neue Bundesliga schauen wollen. Die Vorstellung, dass demnächst womöglich vier oder fünf Klubs der öden Leipziger Machart um den Titel kämpfen, dürfte deshalb auch die Marketing-Experten in den Verbänden gruseln lassen.
Das alles mindert nicht den sportlichen Erfolg der Leipziger. Die Hinrunde war beeindruckend, und die Fortschritte der Mannschaft unter Julian Nagelsmann unübersehbar. Und wenn die Bayern nicht noch deutlich zulegen, wird Leipzig auch Meister. Wenn es soweit ist, sollte man nicht auf die Unsummen verweisen, die der ganze Spaß gekostet hat und sich auch den Hinweis verkneifen, dass die viel gerühmte Jugendarbeit oft genug darin bestand, mit Wildwest-Methoden anderen Klubs die besten Talente abzujagen. Sondern man sollte neidlos gratulieren. Dem Coach, den Spielern, dem Besitzer und natürlich auch den 19 Mitgliedern des Klubs.