Die staatliche Tourismusbehörde von Saudi-Arabien soll offizieller Sponsor der Frauenfußball-WM in Australien und Neuseeland werden. Noch ist der Deal vom Fußball-Weltverband Fifa nicht offiziell verkündet, doch Kritik daran gibt es schon zahlreich. "Für diese Werte stehen viele in unserer Sportart nicht", sagte die deutsche Torhüterin Almuth Schult: "Gerade Frauen sind dort in der Gesellschaft nicht gleichwertig und dann ist dieses Projekt einfach nur unglaubwürdig."
Die Kapitänin der deutschen Nationalelf Alexander Popp sieht das Sponsoring von Visit Saudi skeptisch: "Ich glaube, die anderen aus anderen Nationen haben schon viel ausgesprochen, dass das kein optimaler Sponsor für eine Frauen-Weltmeisterschaft ist – für das, wofür wir Frauen auch stehen", sagte Popp. Der Superstar des US-Teams, Alex Morgan, nannte das Sponsoring "bizzar". Die Menschrechtsorganisation Human Rights Watch forderte in einem Kommentar, dass die Fifa den Deal rückgängig mache.
Neuseeland: schockiert und enttäuscht
Sogar die Veranstalter zeigten sich überrascht. Man sei "schockiert und enttäuscht", teilte der neuseeländische Verband Anfang Februar mit, schließlich habe die Fifa wegen des unliebsamen Sponsors keinen Kontakt mit dem heimischen WM-Komitee aufgenommen. Australiens Verband gab eine Erklärung heraus, in der die Vielfalt der Liebe hervorgehoben wird. Ein Sponsor aus Saudi-Arabien passt da schlecht – in dem Wüstenstaat drohen Homosexuellen harte Strafen, bis hin zum Tod.
Saudi-Arabien hat bei den Frauenrechten in den vergangenen Jahren einige Fortschritte erzielt. Seit 2018 dürfen Frauen selbstständig Autofahren, der Kopftuchzwang wurde aufgehoben, sie dürfen seit Kurzem ohne Vormund ins Kino, auf Konzerte und ins Stadion gehen. Frauen können frei von der Zustimmung eines Vormundes studieren oder arbeiten, was sie wollen. Auch selbstständige Reisen ins Ausland sind nun möglich, zumindest ab 21 Jahren.
Doch die Fortschritte täuschen darüber hinweg, dass das strenge Vormundschaftssystem in entscheidenden Lebensbereichen weiterhin existiert. Heiraten ist ohne Zustimmung des Vormunds nicht möglich, freie und kritische Meinungsäußerung nicht erlaubt. Die ungeschriebenen Bekleidungsregeln bleiben in den streng konservativem Land rigide. Legen Frauen das Kopftuch und die traditionelle Abaya, ein Überkleid, ab, müssen sie mit Diskriminierung und Anfeindungen rechnen.
Schlimmer steht es um die Rechte der LGBTQ+-Community. Wer sich zu seiner Homosexualität bekennt, dem droht Gefängnis. Angesichts der Tatsache, dass zahlreiche Fußballerinnen des Weltfußballs offen lesbisch sind, wirkt der Deal mit Visit Saudi noch befremdlicher.
Saudi-Arabien will die WM 2030 ausrichten
Aus Sicht des erzkonservativen Königreichs ergibt der neue Sponsoring-Vertrag hingegen Sinn. Er fügt sich in die Strategie des Landes, durch Sport-Events von den nach wie vor gravierenden Menschenrechtsverletzungen abzulenken und Sportswashing zu betreiben. Zuletzt hat es die Golf-Tour LIV etabliert und dafür einige der besten Golfprofis der Welt mit viel Geld gelockt.
Die Formel 1 gastiert mit einem Grand Prix seit 2021 in Dschidda, das Land ist Schauplatz des Box-Duells zwischen den Schwergewichtlern Tyson Fury und Oleksandr Ussyk. Fußball-Weltmeister Lionel Messi ist bereits Botschafter von Saudi Visit und der alternde Superstar Cristiano Ronaldo wurde vom saudischen Verein Al Nassr FC angeheuert.
Eines der großen Ziele lautet, die Fußball-WM der Männer 2030 ins Land zu holen. Vorbild ist Katar, wo im vergangenen Jahr das erste WM-Turnier in einem arabischen Land stattfand. Für die dortige Herrscherfamilie war die WM, die erste in einem arabischen Land, trotz aller Kritik aus dem Westen ein großer Erfolg.
Katar hat gezeigt, dass die Fifa und ihr Präsident Gianni Infantino keinerlei Berührungsängste mit autoritären Staaten haben. Und das Kritik wenig bis gar nichts bewirkt. Die Fifa ließ jegliche Einwände wegen der gravierenden Menschrechtsverletzungen in Katar kühl abperlen und verwies auf angebliche Verbesserungen. Infantino sprach stattdessen von der "besten WM aller Zeiten". Man darf davon ausgehen, dass Infantino auch den Vertrag mit Saudi Visit als vielversprechende Zusammenarbeit verteidigen wird.
Der Widerstand gegen den Deal zeigt sich bislang nur in vereinzelten Stimmen. Bislang habe man "noch nicht wirklich diskutiert, was wir unternehmen können", gesteht Torhüterin Schult. "Aber für den Fall, dass das Sponsoring bestätigt wird, kann ich mir gut vorstellen, dass Protest geäußert wird."
Quellen: DPA, Human Rights Watch, "New York Times", "Forbes", "Focus", "Sportschau"