Pep Guardiola wittert Verrat, der FC Bayern sucht einen Maulwurf. Die Stimmung beim deutschen Fußball-Rekordchampion ist trotz des sportlichen Höhenfluges gereizt, nachdem offenbar Interna aus Mannschaftsbesprechungen des Triplesiegers nach außen gelangt sind. Kurz vor der Champions-League-Reise nach Moskau machte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge dem vermeintlichen Übeltäter via TV erheblichen Druck: "Ich kann demjenigen nur raten, schnell den Spielbetrieb einzustellen, sonst bekommt er ein ernsthaftes Problem, nicht nur mit Pep Guardiola, sondern mit dem ganzen Club."
Im Vorfeld des 3:0-Sieges der Münchner im Bundesligagipfel bei Borussia Dortmund am Samstag sollen unter anderem taktische Anweisungen von Guardiola via "Bild"-Zeitung publiziert worden sein. Der Starcoach war angeblich bitter erzürnt und auch Rummenige reagierte verärgert: "Das gefällt keinem bei uns. Deshalb werden Mannschaftssitzungen intern gemacht, dass sie extern nicht kundgetan werden", sagte der Vorstandschef am Sonntagabend dem Fernsehsender Sky. Absprachen weiterzugeben "geht gar nicht". Mediendirektor Markus Hörwick warnte am Montag den bayerischen Maulwurf: "Wenn derjenige identifiziert wird, gibt's ein Riesenproblem. Das wird der auch wissen."
Der Vorfall vom Wochenende war nicht der erste dieser Art unter Guardiola. Laut "Spiegel Online" wurden in der laufenden Saison unter anderem folgende Bayern-Interna an die "Bild"-Zeitung weitergegeben.
- Am 21. September die Aufstellung gegen Schalke. Guardiola ließ im Geheimtraining spielen.
- Am 23. Oktober die Aufstellung gegen Pilsen. Weil die Innenverteidiger Jerôme Boateng und Dante ausfielen, musste Guardiola improvisieren. Der Maulwurf enthüllte, dass Philipp Lahm im Geheimtraining auf der Sechs spielte. Auch im Spiel lief er dort auf.
- Am 25. Oktober den ersten Teil des Elfmeterstreits: Guardiola hatte zunächst keinen Elfmeterschützen bestimmt. Im Spiel gegen Mainz wollte Arjen Robben schießen, durfte aber nicht. Gegen Pilsen sollte der Niederländer dann antreten, schmollte aber und gab den Ball Franck Ribéry. Vor dem Pilsen-Spiel soll Guardiola bei der Teambesprechung Robben persönlich angesprochen haben: "Solche Sachen wie beim Elfer sind nicht fair der Mannschaft gegenüber."
- Am 28. Oktober den zweiten Teil des Elfmeterstreits: Guardiola legte nun die Spieler fest, die antreten sollen. Vor jedem Spiel hängt der Trainer jetzt eine Liste mit zwei Schützen aus.
- Am 2. November die Kritik vor dem Hoffenheim-Spiel: Im Abschlusstraining unter Ausschluss der Öffentlichkeit soll Guardiola gerufen haben: "Das Umschalten ist eine Katastrophe!"
- Am 4. November die Worte, mit denen Guardiola sich nach dem Hoffenheim-Spiel Schweinsteiger zur Brust nahm: "Du bist einer meiner wichtigsten Spieler. Und wichtige Spieler benutzen den Kopf", soll Guardiola gesagt haben.
Nach fünf sportlich erstklassigen Monaten unter Guardiola drohen nun im Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft erste Risse. Die "Bild"-Zeitung will erfahren haben, dass der Spanier kurz vor der Partie gegen den BVB dem Urheber der Indiskretionen mit Rausschmiss gedroht habe. "Nie wieder" werde der Maulwurf für den FC Bayern spielen, soll Guardiola demnach gesagt haben. Hörwick versuchte die öffentliche Aufregung etwas zu dämpfen. Das Thema werde "ganz klein aufgehangen", beteuerte er, bei der Suche wolle man "kreativ vorgehen" und "keine großen Nachforschungen" anstellen.
Guardiola verlangt absolute Loyalität
"Das ist seit 30, 40 Jahren ein Thema in der Bundesliga, dass jemand Informationen nach außen streut und sich einen Vorteil erhofft", sagte Rummenigge. Beim FC Bayern standen Maulwurf-Affären zuletzt im Fokus, als Giovanni Trapattoni (1996-1998) und Ottmar Hitzfeld (1998-2004) noch auf der Trainerbank saßen. Jürgen Klinsmann echauffierte sich 1996, dass den Medien Details aus seinem Arbeitsvertrag zugespielt werden würden: "Ich warte nur noch darauf, wann mein ganzer Vertrag als Kopie in der "Bild"-Zeitung steht."
Ein Jahr später wurden Details aus einer heftigen Ansprache von Vereinschef Franz Beckenbauer ("Scheiß-Mannschaft") publik. 1998 beschwerte sich Lothar Matthäus lautstark, dass eine gegen ihn verhängte Geldstrafe in Boulevardblättern landete. "Es gibt schon wieder einen Maulwurf", schimpfte er. Auch die Bundestrainer mussten mehrmals nach Geheimnisverrätern fahnden - zuletzt Joachim Löw bei der EM im vergangenen Jahr, als vor dem Viertelfinale gegen Griechenland die Aufstellung schon Stunden vorher öffentlich wurde.
Jetzt droht in München wieder interner Krach, ein bisschen wie einst beim "FC Hollywood". Besonders pikant ist die Affäre, weil Guardiola jedem seiner Profis auch öffentlich vehement Gefolgschaft und Loyalität abverlangt hat wie kaum einer seiner Vorgänger. "Wer meine Entscheidungen annimmt, den unterstütze ich - wer das aber nicht verstehen will, wird oft auf der Tribüne sitzen", erklärte er im Herbst im vereinseigenen "Bayern-Magazin". Guardiola wolle nun "alles tun, um herauszufinden, wer es ist", behauptete die "Bild". Mit einer Ausnahme: "Wir werden keine NSA einschalten", scherzte Rummenigge.