"Es ist eine völlig normale Geschichte, dass ein Torhüter ab einem bestimmten Zeitpunkt permanent mit seinen Vorderleuten zusammenspielen will", sagte Kahn beim Treffen der deutschen Nationalmannschaft in Hamburg. "Jürgen sieht das etwas anders. Er trägt dafür aber auch die Verantwortung." Bundestrainer Klinsmann sieht weiterhin keine Veranlassung zur Änderung seiner Torwart-Pläne: "Es ist unnötig, uns eine frühere Deadline zu setzen", widersprach er. "Wir sehen es nach wie vor als eine sehr leistungsfördernde Entwicklung an. Das werden wir auch so weiter halten bis zum Mai 2006".
Für den 36-jährigen Kahn beginnt mit dem Auftritt beim WM-Dritten Türkei die "heiße Phase" in der WM-Vorbereitung: "Jetzt wird es langsam Zeit, dass sich eine bestimmte Formation herauskristallisiert." Damit müsse eigentlich auch eine Konstanz bei der Torwart-Besetzung einhergehen, meinte Kahn. Er müsse sich nicht nur taktisch, sondern auch mental auf seine Vorderleute einstellen. "Ich muss herausfinden, wie kann ich den oder den Spieler ansprechen und unterstützen", sagte Kahn und wies als Beispiel auf sein wichtiges Verhältnis zu den Abwehrspielern des FC Bayern hin: "Wie sich da Lucio und ich anspornen. Das ist eine emotionale Ebene."
Dass er und nicht Konkurrent Jens Lehmann den Zuschlag als WM- Keeper Nummer eins bekommen wird, hält Kahn ohnehin für unumstritten. "Jürgen hat eine ganz glasklare Aussage gemacht", berief er sich auf jüngste Äußerungen des Bundestrainers, dass Kahn derzeit seine Nummer eins sei. Und daran werde sich nichts ändern, "es sei denn, ich fange an, mir die Bälle ins eigene Tor zu werfen", ergänzte Kahn, der in Istanbul nach dem Ausfall von Michael Ballack wieder die Kapitänsbinde in der DFB-Elf tragen dürfte.
Ob das Rotationsprinzip wie vorgesehen bis Mai nächsten Jahres beibehalten wird, sieht auch Torwarttrainer Andreas Köpke skeptisch: "Im Mai - das wäre sicher sehr spät.". Köpke auf jeden Fall kündigte eine "Entscheidung nach bestem Wissen und Gewissen" an, weiß aber schon jetzt: "Das wird eine Situation, die wird nicht lustig sein." Das Hauptproblem des aktuellen Konkurrenzkampfes sei das Alter beider Kontrahenten: Für den 35-jährigen Lehmann und den ein Jahr älteren Kahn ist es die letzte WM-Chance. "Dazu kommt die WM im eigenen Land, das ist das i- Tüpfelchen", bemerkte Köpke.
Mit der Frage, ob er zurücktreten würde, falls er bei der WM nicht die Nummer eins wäre, will sich Kahn gar nicht erst beschäftigen. "Das würde ja einen kapitalen Leistungseinbruch unterstellen. Und den hat es in meiner Karriere noch nie gegeben. Deshalb stellt sich die Frage gar nicht", unterstrich der Vizeweltmeister von 2002.