Trainerentlassung Bei Chelsea droht Meuterei

Tränen, Wut und Anzeichen für eine drohende Meuterei: Nach dem Abgang von Trainer José Mourinho stehen beim FC Chelsea die Zeichen auf Sturm. Dem Club droht eine Zerreißprobe - und einer könnte davon profitieren: Michael Ballack.

Vor dem Top-Duell mit dem Erzrivalen Manchester United am Sonntag stellen einige Profis aus dem Starensemble ihre eigene Zukunft beim englischen Fußball- Pokalsieger in Frage und machten ihrem Unmut deutlich Luft. Während sich Mourinho mit seinem Ex-Arbeitgeber auf eine fürstliche Abfindung von angeblich bis zu 30 Millionen Euro einigte, kochten auf Chelseas Trainingsgelände in Cobham vor den Toren Londons die Emotionen hoch.

Der von Mourinho aus dem Champions-League-Kader gestrichene Michael Ballack kann die Situation aus dem Krankenstand relativ entspannt betrachten. Doch seine fast ausschließlich von Mourinho nach London geholten Kollegen sind tief berührt. Mitten in der Saison zeigen sich bei der von Russen-Milliardär Roman Abramowitsch zusammengekauften Elitetruppe Auflösungserscheinungen. Den Tränen nahe, aufgebracht und sauer reagierte vor allem Stürmer-Star Didier Drogba auf den Fortgang seines Förderers.

"Ein trauriger Tag für das Team"

Verteidiger Ricardo Carvalho sprach Klartext: "Ein sehr trauriger Tag für mich und das Team. Ich hatte ein tolles Angebot von Real Madrid, aber bin geblieben, wegen Mourinho", sagte der Portugiese. Florent Malouda, der erst im Sommer zum Verein gekommen war, schlug in die gleiche Kerbe: "Ich bin wegen Mourinho zu Chelsea gegangen." Spätestens im kommenden Sommer steht Chelsea wohl ein Spieler-Exodus bevor.

Der derzeit verletzte englische Mittelfeldstar Frank Lampard, der ein sehr enges Verhältnis zum portugiesischen Coach unterhielt, hatte schon früher sein Bleiben mit Mourinho verknüpft. Sein möglicher Abschied würde wiederum Ballacks Situation deutlich verbessern. Michael Essien und Paulo Ferreira denken angeblich ebenfalls über einen Abschied nach, und die "Meuterei" (Daily Mirror) könnte sich noch ausweiten.

Interims-Nachfolger Grant wird Krise nicht lösen

Die Scherben zusammenkehren und schnellstmöglich kitten muss Mourinhos Nachfolger, der bisherige Sportdirektor Avraham Grant. Und das ausgerechnet kurz vor dem Topspiel am Sonntag gegen Manchester United. Dass der frühere israelische Nationalcoach (2002-2006), der als Abramowitsch-Vertrauter gilt, Chelseas Probleme schnell abstellt, gilt als unwahrscheinlich. "Kein Selbstvertrauen, kein Kampfgeist, kein Lampard, kein Drogba", schrieb die Abendzeitung "Evening Standard" zur Ausgangslage. In der Premier League liegt Chelsea nach sechs Spielen als Tabellenfünfter punktgleich mit dem Rivalen aus Manchester nicht im Soll.

Ob Grant eine Übergangslösung ist und den Platz lediglich für einen prominenten Namen warm hält, ist unklar. In ganz Europa wird über mögliche Mourinho-Erben wie Jürgen Klinsmann oder Guus Hiddink (derzeit Nationaltrainer Russlands) gemunkelt. Die Spekulationen treiben dabei kuriose Blüten - bis hin zu einem vermeintlichen Angebot für den Kölner Coach Christoph Daum. Ohnehin deuten erste Signale daraufhin, dass Grant eine Dauerlösung sein soll.

ManU-Trainer Fergusson lobt den verhassten Rivalen

Im Gegensatz zu Mourinho, der sich gegen Einmischungen von Abramowitsch wehrte und stets seine Meinung sagte, soll der international unerfahrene ehemalige Nationalcoach Israels offenbar als Werkzeug des russischen Milliardärs fungieren. Doch auch der 51- Jährige wird sich an Erfolgen messen lassen müssen und den von Abramowitsch geforderten Champions-League-Sieg als Messlatte haben.

Fast ein wenig höhnisch klingt das Mitgefühl von ManU-Trainer Sir Alex Ferguson. "Es ist eine Enttäuschung für den Fußball. Ich glaube, er war großartig für den Fußball und großartig für Chelsea", sagte der Schotte, der mit seinem portugiesischen Konkurrenten manch heftige verbale Auseinandersetzung geführt hatte. "Er war erfrischend. Ich wünsche ihm alles Gute", sagte Ferguson.

Mourinho zeigte sich schon wieder bereit für neue Aufgaben. "Ich warte auf Anrufe. Ich möchte das Leben genießen, aber ich möchte arbeiten", sagte er. Tottenham Hotspur und spanische Vereine sollen Interesse haben. Nach einer Online-Umfrage des Boulevardblatts "The Sun" sprachen sich zudem 80 Prozent der Leser für Mourinho als Ersatz für den englischen Nationaltrainer Steve McClaren aus.

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Henning Hoff/DPA

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