Mutter und Profisportlerin sein – dafür gibt es nur wenige Vorbilder. Ob die Balance möglich ist, versucht Melanie Leupolz gerade für sich herauszufinden. Die 29-Jährige ist als frischgebackene Mama zur Fußball-WM nach Australien gereist – mit Säugling im Gepäck.
Melanie Leupolz leistet in diesen Tagen Pionierarbeit. Nicht, weil die Mittelfeldspielerin zur Weltmeisterschaft der Frauen reist – die deutsche Auswahl ist hinter den USA das zweiterfolgreichste Frauenteam der Welt. Sondern weil sie nicht alleine kommt. Denn Leupolz bringt ihren neun Monate alten Sohn mit. Eine Seltenheit im (weiblichen) Profisport.
Damit gliedert sie sich in eine kurze Reihe ein. Die heutige Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg brachte 1993 ihre Tochter Dina auf die Welt. Als erste deutsche Profifußballerin und Mutter konnte sie diese damals aber nicht auf Turniere mitnehmen.
Als zweite folgte Torhüterin Almuth Schult, die 2022 als Mutter von Zwillingen zur Europameisterschaft der Frauen nach England reiste. Ein Novum, anders als zu Zeiten Voss-Tecklenburgs' ermöglicht es der DFB der Nationalspielerin, ihre Zwillinge mitzunehmen.
Nationaltrainerin Voss-Tecklenburg unterstützt das nach Kräften, wie sie dem ZDF kurz vor der Abreise zur diesjährigen WM in Australien sagte: "Es ist ein Riesenmehrwert für uns Frauen im Sport, die Karriere nicht beenden zu müssen, sondern mit Unterstützung des DFB die Kinder dabei zu haben. Ich weiß selbst, wie es ist, das Kind bei Turnieren nicht dabei zu haben."
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Erst im Herbst 2022 wurde ihr Sohn geboren. Im Januar stand die 29-Jährige wieder auf dem Fußballplatz ihres Heimatvereins FC Chelsea. Das war nur möglich, weil der Verein eine enge Betreuung und Beratung ermöglichte, inklusive Beckenbodentrainerin. Keine Selbstverständlichkeit bei weiblichen Profis. "Als ich verkündet habe, dass ich schwanger bin, bekam ich viele Kommentare nach dem Motto: 'Na dann ist deine Karriere ja auch vorbei'", erzählt sie Tennis-Profi Andrea Petkovic in einer ZDF-Reportage.
Doch Chelsea-Coach Emma Hayes – selbst Mama – ermutigte Leupolz: "Meine Trainerin hat immer gesagt, dass ich stärker aus der Schwangerschaft wiederkommen würde. Und tatsächlich habe ich mehr Lockerheit, eine gewisse Leichtigkeit", sagt sie im Gespräch mit der "Bild am Sonntag".
Eine Nanny begleitet sie zur Fußball WM der Frauen
Es kommt, wie Hayes es prophezeit hat. Bis zwei Wochen vor und schon zwei Wochen nach der Geburt habe sie Sport getrieben, sagte Leupolz vor wenigen Tagen der "Bild am Sonntag": "Ich kann unendlich laufen. Wahrscheinlich, weil ich so viele Strapazen erlebt habe. Da wird der Körper resistenter gegen Stress und Anstrengungen."
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine Schwangerschaft für Profisportlerinnen ohne Unterstützung des Vereins kaum möglich ist. Deutsche ehemalige Führungsspielerinnen wie Fatmire "Lira" Alushi oder Celia Sasic beendeten ihre Karriere als Kinder auf dem Weg oder in Planung waren.
Diese Fußballerinnen sollen für Deutschland den Titel holen
Tor: Merle Frohms, VfL Wolfsburg Bei der WM vor vier Jahren in Frankreich war Frohms die Nummer drei. Mittlerweile hat sie sich zur Nummer eins hochgearbeitet und ist dort gesetzt.
2021 stellte der Verein Olympique Lyon seiner damaligen Spielerin Sara Björk Gunnarsdóttir den Lohn ein, nachdem diese ihre Schwangerschaft offenlegte und ärztlich freigestellt wurde. Ohne vorherige Ankündigung. "Das hätte der glücklichste Moment in meinem ganzen Leben sein sollen", schrieb die isländische Fußballnationalspielerin im Januar in einem eigenen Text bei "The Players Tribune". "Alles was ich wollte war, meine Schwangerschaft zu genießen und mir danach den Arsch abzuarbeiten, um zurückzukehren und meinem Team und dem Club zu helfen."
Stattdessen klagte sie ihr Gehalt ein. Nach einem monatelangen Rechtsstreit bekam sie Recht – und spielt mittlerweile für Juventus Turin.
Olympique Lyon muss Profi-Fußballerin Gehalt nachzahlen
Mit Gunnarsdóttir tauschte sich Melanie Leupolz im Vorfeld der WM aus, sagte sie dem ZDF. Für aktive, weibliche Spielerinnen, die auch Mutter sind, gibt es nur wenige Vorbilder. Deshalb möchte Leupolz selbst für andere Spielerinnen ein Vorbild sein, zeigen, dass es geht.
"Ich wusste, dass es ein Risiko ist, während der Karriere schwanger zu werden. Damit habe ich alles aufs Spiel gesetzt", erzählt sie im Gespräch mit der "Bild am Sonntag". "Aber ich war immer zuversichtlich, es zu schaffen."
Sie hat es geschafft. In diesen Tagen bereitet sie sich in Wyong, dem Teamstandort, auf die Weltmeisterschaft vor. Die beginnt am 20. Juli und findet in Australien und Neuseeland statt. Neben dem Kind reist auch eine Nanny mit, die die Spielerin unterstützt. "Für die Reise und die Unterkunft kommt der DFB auf. Ohne sie wäre es nicht möglich. Ich möchte Fußballerin sein und mich konzentrieren können. Da sind Gedanken schwierig, wie: 'Ist der Kleine ordentlich mit Sonnencreme eingerieben?'"
Darauf freue sich das ganze Team, bekräftigt Trainerin Martina Voss-Tecklenburg im Vorfeld. Sie will alles tun, um ihre Spielerin zu unterstützen: "Viele Spielerinnen freuen sich jetzt schon, den ganzen Tag Tagesmutter zu spielen und den kleinen Mann zu bespaßen. 23 Babysitter plus die Oma Martina."