Uefa-Cup Ein Triumph, für alle unbegreiflich

Die Bayern konnten auch Stunden nach dem Irrsinns-Spiel in Getafe ihr Weiterkommen nicht fassen. "Der liebe Gott wollte nicht, dass wir ausscheiden", meinte ein völlig fassungsloser Oliver Kahn. Und auch die Verantwortlichen wussten ganz genau: Mehr Glück kann man in einem Spiel nicht haben.

Unglaubliches Spiel, unvorstellbares Glück: In seiner Bankett-Rede nachts um halb zwei nahm Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge im "Palace"-Hotel in Madrid höchstpersönlich das von ihm sonst verschmähte Wort von den "Dusel-Bayern" in den Mund - und Oliver Kahn konnte nach dem verrücktesten Fußballspiel seines Lebens mit dem wundersamen Einzug des FC Bayern ins UEFA-Cup-Halbfinale nur dem Himmel danken. "Der Liebe Gott wollte es letztlich nicht, dass wir hier ausscheiden. Mehr kann man dazu nicht sagen", bemerkte der Kapitän des FC Bayern München nach dem Irrsinns-3:3 (1:1, 0:1) nach Verlängerung beim mit nur zehn Mann über sich hinausgewachsenen FC Getafe, das nach dem 1:1 im Hinspiel zum "Gesamtsieg" reichte und dem designierten deutschen Meister die Chance auf drei Titel erhielt.

Als sich der 38-jährige Kahn nach dem Abpfiff jubelnd mit Ottmar Hitzfeld in den Armen lag, raunte der von den Strapazen gezeichnete Trainer seinem ebenfalls "fix und fertigen" Torhüter ins Ohr: "Mensch Olli, was wir alles noch mal zusammen erleben müssen."

Ein Spiel für die Geschichte

Kahn stellte sein 140. Europapokalspiel über alle davor, selbst über das legendäre 1:2-Drama im Champions-League-Finale 1999 gegen Manchester United. "Wir werden uns in zehn Jahren nicht über Barcelona unterhalten, sondern über Getafe", kommentierte Kahn im Glücksrausch kopfschüttelnd: "Es ist schon interessant, dass man 20 Jahre Europapokal spielen muss, alles erlebt hat und dann das hier noch obendrauf gesetzt bekommt. Das ist schon Wahnsinn."

In der Tat: Wahnsinnig schlecht spielten die Bayern, wahnsinnig gut Getafe - und das vor den Augen des spanischen Königs Juan Carlos und nach einem Platzverweis für Ruben De la Red in der 6. Minute. "Das war eher Doping für den Gegner", meinte Hitzfeld zu Getafes Kraftakt mit zehn Mann. 16 000 Zuschauer verwandelten das "Coliseum Alfonso Perez" nach dem Doppelschlag durch Casquero (91.) und Braulio (93.) zum Start in die Verlängerung in ein Tollhaus, am Ende aber feierten die Bayern mit ihren rund 1000 mitgereisten Fans. "Ich habe keinen Pfifferling mehr auf unsere Mannschaft gesetzt", gestand Rummenigge. Manager Uli Hoeneß tat es "wirklich leid für Getafe", Kahn gestand: "So, wie wir gespielt haben, hat man international - das muss man fast so krass sagen - nichts verloren."

Toni der Held

Gleich zweimal zogen die Bayern den Kopf aus der Schlinge. Erst glich Franck Ribéry (89.) kurz vor Ende der regulären Spielzeit das 1:0 von Cosmin Contra (44.) aus. Dann war Luca Toni gleich zweimal zur Stelle: Erst als dankbarer Abstauber nach einem Anfängerfehler von Getafe-Keeper Roberto Abbondanzieri (115.). Und dann mit dem Kopf nach Flanke von Ernesto Sosa, als auch Kahn mit nach vorne gestürmt war (120.). "Aus dem Nichts kam der Ball, instinktiv habe ich ihn eingenickt", berichtete Toni: "Ein unglaubliches Spiel."

Es waren die UEFA-Cup-Tore neun und zehn des Weltmeisters, der allerdings im Halbfinal-Hinspiel gegen Zenit St. Petersburg am 24. April in München nach der 5. Gelben Karte gesperrt sein wird. "Toni gibt nie auf und ist ein absoluter Winner-Typ", lobte Hitzfeld.

Das Ziel heißt Manchester

Trotz des Happy-Ends - den Trainer und die Bayern-Bosse hatte die Vorstellung ihrer Millionen-Truppe erschreckt. "Wir haben Nerven gezeigt", klagte Hitzfeld, der etlichen Akteuren Versagen vorwarf. "Es muss über einiges gesprochen werden. Wenn man hier 110 Minuten gegen zehn Leute spielt, muss mehr rauskommen", kritisierte Hoeneß. Und Rummenigge höhnte sarkastisch: "Solange die mit elf Mann gespielt haben, hatten wir unsere beste Zeit." Also bis Spielminute fünf!

Trotzdem ist nun weiterhin alles drin für die Dusel-Bayern, sogar das Triple. "Wir sind jetzt in der Spur. St. Petersburg wird kein Selbstläufer. Aber wenn man das nötige Quäntchen Glück hat, kann das Ziel nur Manchester heißen", sagte Rummenigge mit Blick auf das UEFA- Cup-Duell mit dem Bayer Leverkusen-Bezwinger. Erst einmal aber steht für das erschöpfte Bayern-Team schon am Sonntag in der Bundesliga die Pokalfinal-Generalprobe gegen Borussia Dortmund auf dem Programm. Kahn stellt sich auf weiteren Wahnsinn ein: "In der Saison kann noch Einiges kommen. Mal gucken, was noch drin ist im dramatischen Topf."

DPA

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