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Haltung im Sport Warum ich mich als Bayern-Fan gerade schäme (es liegt nicht am Fußball)

Bayern München
Bayern-Trainer Hansi Flick und Robert Lewandowski schleichen vom Frankfurter Rasen
© Arne Dedert / DPA
Eintracht Frankfurts Spieler Amin Younes zeigte am Samstag, was den Bayern derzeit fehlt. Nein, wir sprechen nicht vom Torriecher. Sondern von Haltung und Respekt.

Ich bin Bayern-Fan. Ich mag es nicht, wenn meine Mannschaft verliert. Doch über die beiden Tore von Eintracht Frankfurt habe ich mich gefreut, vor allem über das zweite, von Amin Younes, der seinen Jubel nutzte, um ein Trikot mit dem Namen und dem Bild von Fatih Saracoglu hochzuhalten, einem der Menschen, die vor einem Jahr in Hanau von einem deutschen Rassisten ermordet wurden: #SayTheirNames. Younes hat einen ihrer Namen genannt – und damit Haltung gezeigt.

Haltung, ein Wort, das bei den Bayern eher weggenuschelt wird. Es könnte die Geschäfte stören.

Es ist für einen Bayern-Fan gerade etwas schwierig, zu seinem Verein zu stehen. Die Funktionäre des Clubs treten in einer Weise auf, die irritiert und beschämt. Karl-Heinz Rummenigge zog viele Wochen lang die Mund-Nase-Maske unter die Nase; seine Brille wäre sonst beschlagen, menschlich nachvollziehbar. Dass Rummenigge dann aber die umgehende Impfung seiner Spieler forderte und dieses Vordrängeln moralisch zu überhöhen versuchte (als "Vorbilder", so sprach er), war eines hochrangigen Managers nicht würdig. 

Geistige Verzwergung eines Fußballgiganten

Dann dieser Wutausbruch, wieder von Rummenigge, aber auch von Uli Hoeneß, als den Bayern der Nachtflug von Berlin nach Katar verweigert wurde, vom Bundesliga-Spielort zur Austragungsstätte der Klub-WM: Der trug schon Trump'sche Züge.

Und als schließlich der Trainer Hansi Flick frontal den SPD-Politiker Karl Lauterbach angriff, vom "so genannten Experten" schimpfte, war die geistige Verzwergung des FC Bayern abgeschlossen. Da ging einmal kurz die Tür auf und ließ einen Blick in den Kopf des sonst so bescheiden auftretenden Flick zu, und was sahen wir: Ressentiments. Flick hat das später mit Lauterbach geklärt, am Telefon, und dabei wohl signalisiert, dass seine Worte keine analytische Glanztat darstellten. Aber der Beschädigte bleibt Lauterbach, der "so genannte Experte", der das Fachgebiet der Epidemiologie beherrscht. Flick ist immerhin gelernter Bankkaufmann.

Die Bayern haben in Katar das Sextuple vollgemacht, sechs Titel in einer Saison; so etwas lässt sich prima auf Instagram ausstellen. Robert Lewandowski kann noch einen Pokal mehr mit ins Bett nehmen. Alles super.

Und doch komisch peinlich. Wer immer nur gewinnt, verliert offenbar irgendwann den klaren Blick auf die Verhältnisse, übersieht jene, die straucheln, die übergangen werden, die von der Pandemie in die Not gestoßen wurden. Alle, die sich dem nächsten Titel in den Weg stellen könnten, werden weggegrätscht als "so genannte Experten". 

Nach dem Hochmut kommt der Fall

Die Strafe, das ist das Tröstende an dieser Geschichte, folgte. Erst das Schnee-verblasene 3:3 gegen Bielefeld; jetzt eine desaströse erste Halbzeit gegen Eintracht Frankfurt, die zur 1:2-Niederlage führte. Da ist sie, die Bayern-Krise.

Wer sich selbst von Sieg zu Sieg hetzt, wer den Triumphen nachjagt wie ein Süchtiger dem nächsten Kick, wer als Antrieb die stetig zu füllenden Kassen vor sich sieht, dem kann es passieren, dass er gegen eine Wand läuft.

Die Bayern sind das Sinnbild eines zum Wachstum verdammten hochkapitalistischen Unternehmens geworden. Alles, was dieses Wachstum blockieren könnte, wird zum Objekt des Zorns der Klub-Verantwortlichen, und sei es die Flugsicherung von Brandenburg. Wenn’s um Geld geht, zeigt sich der Charakter.

Viele nennen die Bayern wegen ihres Gehabes arrogant. Ich als Anhänger des Clubs (seit zirka 1978 übrigens, da war ich sechs) habe nichts gegen die normale Bayern-Arroganz. Sehr wohl aber habe ich etwas gegen die von Gier angetriebene Herablassung, gemischt mit einer Dreistigkeit, die nicht gerade von hoher emotionaler Intelligenz zu zeugen scheint, die in den vergangenen Wochen sichtbar wurde. Der Hochmut war da, der Fall folgte nun.

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