Ecuador Das Tal der Talente

Viele Spieler der "selección" stammen aus dem ärmlichen Andendorf Valle del Chota. Dort haben sie vor allem zwei Dinge gelernt: Fußball spielen und überleben.

Ecuadors Elite-Fußballer stammen überwiegend aus einer gottverlassenen Gegend: dem Valle del Chota in den Anden. Stürmer-Star Agustin Delgado, Spielmacher Edison Mendéz, Innenverteidiger Giovanny Espinoza und der offensivstarke Ulises de la Cruz gehören zu den Säulen der "selección" bei dieser Weltmeisterschaft. Vor vier Jahren bei der WM- Premiere der Südamerikaner in Südkorea und Japan stellten die Chota- Kicker sogar sieben Stammspieler.

In dieser aus acht ärmlichsten Dörfern bestehenden, wüstenähnlichen Region in rund 1600 Metern Höhe ohne fließend Wasser, soziale Einrichtungen und Arbeitsmöglichkeiten bleibt den häufig noch barfuß herumlaufenden Buben der Fußball als einzige Chance, einen Ausweg aus dem materiellen Elend zu finden. Seit vor etwa 20 Jahren Arnulfo Palacios den Sprung zum Spitzenclub Aucas in der weit entfernten Hauptstadt Quito schaffte, hat sich das wirtschaftlich trostlose Valle de Chota immer mehr zum Tal der Talente entwickelt.

Fußballschule für 250 Nachwuchskicker

De la Cruz verdient gutes Geld beim Premier-League-Club Aston Villa. Delgado, der sich 2001 als erster Ecuadorianer in England etablieren konnte, kehrte nach drei Jahren beim FC Southampton nach Quito zurück. Der 31 Jahre alte Rekordtorschütze der "Tri" zählt neben de la Cruz zu den entschiedenen Förderern seiner Heimat. In seinem Geburtsort El Juncal richtete Delgado eine Fußballschule ein, in der etwa 250 Nachwuchs-Kicker zwischen sechs und 17 Jahren trainieren. Sein Bruder Pedro leitet das "Internat", in dem die Talente auf drei staubigen Plätzen unterhalb einer hohen Autobahnbrücke dem Ball nachjagen.

"Es ist wichtig, den Kindern bei ihrer sportlichen Ausbildung, ihrer Ernährung und medizinischen Betreuung zu helfen", begründete "Tin" Delgado sein soziales Engagement. Jährlich steckt der Profi rund 80.000 Dollar in das Projekt, obwohl er selbst "nur" noch etwa 12.000 Dollar monatlich verdient. Verglichen mit seinem Supergehalt in Southampton ist das ein finanzieller Absturz; verglichen mit 300 Dollar Durchschnittslohn in Ecuador ein Vermögen.

"Wir wollen unseren Dörfern helfen"

De la Cruz finanziert bei sich zu Hause in Piquiucho medizinische Brigaden. "Wir wollen unseren Dörfern helfen. Die Leute dort sind sehr arm, aber auch sehr herzlich", sagte der für LDU Quito spielende Mendéz. Delgado, sein früherer Nachbar in El Juncal, erklärte: "Hier haben wir praktisch nichts. Alle spielen Fußball, um es zu einem guten Verein zu schaffen. Das ist die einzige Chance, unseren Familien zu helfen."

Solidarität ist im Valle del Chota seit Jahrhunderten groß geschrieben. Hier leben ausschließlich Schwarze, die Nachfahren aus Afrika eingeschleppter Sklaven. Die meisten Afro-Ecuadorianer leben immer noch am Rand der Gesellschaft. "Der Fußball hilft uns, etwas aus diesem Schattendasein zu entrinnen. Jetzt wird mehr anerkannt, dass wir Schwarzen auch zu etwas fähig sind", sagte Delgado. Denn außer der Herkunft eint das Chota-Quartett auch die Hautfarbe: Delgado, de la Cruz, Mendéz und Espinoza sind schwarz - wie übrigens die meisten ihrer Mannschaftskameraden.

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Elmar Dreher und Silvana Larrea, DPA

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