Nach dem WM-Finale Oranje fühlt sich vom Schiri bestohlen

Kein Wort über die eigene Brutalität, kein Wort über ausgelassene Chancen: Die Niederländer haben den Buhmann gefunden. Für die Oranjes ist klar, dass Schiedsrichter Howard Webb ihnen den Sieg im WM-Finale gestohlen hat.

Dritte Niederlage im dritten Versuch: Nach 1974 gegen Deutschland und 1978 gegen Argentinien hat die niederländische Mannschaft auch das WM-Finale in Johannesburg verloren. Für die notorisch optimistischen Niederländer ist das ein harter Brocken - und so fällt es nicht nur den Fans, sondern auch den Spielern der Elftal schwer, die Niederlage gegen ein spielerisch überlegenes Team aus Spanien zu akzeptieren. Statt den eigenen "Voetball brutal", der am Image der Elftal kratzt, zu bereuen, ist der Buhmann längst ausgemacht: Referee Howard Webb. "Ein Tölpel von einem Schiedsrichter hat die niederländische Elf im Finale untergehen lassen", wetterte der Kommentator der Zeitung "Allgemeen Dagblad".

"Er hat uns bestohlen", ätzte auch Mittelfeld-Star Wesley Snijder gegen Webb. "Das ist eine Schande für den Fußball." Noch Minuten nach dem Abpfiff redete eine Gruppe um Joris Mathijsen und Mark van Bommel auf den Engländer ein. Seine Entscheidung, wenige Sekunden vor dem entscheidenden Treffer der Spanier nicht auf Ecke zugunsten der Niederländer erkannt zu haben, sorgte für lange Diskussionen. "Er war der Einzige im Stadion, der nicht gesehen hat, dass es Eckball für uns geben musste", wetterte Snijder weiter.

"So darf ein Finale nicht entschieden werden"

Selbst den Siegtreffer der Spanier durch Andres Iniesta halten die Holländer für irregulär. Nach der nicht gegebenen Ecke für die Elftal habe Spanien den Ball schnell zum holländischen Strafraum gebracht. Dort habe ein spanischer Spieler den Ball zu Iniesta spielen wollen, rekapituliert Snijder. Zwar habe ein Niederländer den Ball geblockt, doch zu diesem Zeitpunkt habe Iniesta im Abseits gestanden. Schon da hätte der Schiedsrichter pfeiffen müssen, meinen die Niederländer. "Iniesta kriegt dann nochmal den Ball, steht jetzt nicht mehr im Abseits, und trifft. So darf das Finale einer WM doch nicht entschieden werden", erregte sich Snijder.

"Zu dem Zeitpunkt hätte Iniesta gar nicht mehr auf dem Platz sein dürfen", ergänzte Mark van Bommel. "Er hat gegen mich nachgetreten. Der vierte Offizielle hat das deutlich gesehen, doch Webb tut, als ob nichts passiert sei. Das wird mich für den Rest meines Lebens nicht mehr loslassen", gestand der Spieler des FC Bayern. Bei allen Vorwürfen lassen die niederländischen Spieler allerdings außer Acht, dass auch sie von Entscheidungen des Referees durchaus profitierten. So hätte beispielsweise der "Kung-Fu"-Tritt von Nigel de Jong gegen Xabi Alonso schon in der ersten Halbzeit mit der Roten Karte geahndet werden müssen. Acht gelbe Karten und der gelb-rote Karton für Johnny Heitinga zeugen von der brutalen Gangart, die die Spieler in Oranje an den Tag legten.

"Das tut wirklich sehr weh"

"Das tut wirklich sehr weh", klagte jedoch auch Robin van Persie über den Schiedsrichter. "Er stellt John Heitinga mit zwei Gelben Karten vom Feld. John bekommt seine erste Gelbe Karte schon für sein allererstes Foul. Aber der Schiedsrichter wird nicht aktiv, als Puyol den durchgelaufenen Robben zu Boden reißen will. Puyol hat da schon eine Gelbe Karte. Da darf man doch wohl sagen, dass wir benachteiligt wurden", ärgerte sich der Stürmstar von Arsenal London, der während der gesamten WM nicht recht in Form kam. "Wir wissen auch, dass derselbe Schiedsrichter die Spanier im ersten Gruppenspiel gegen die Schweiz benachteiligt hat'", so van Persie weiter, der dann doch abbricht: "Ach, ich sage lieber nichts mehr."

"Wir saßen alle in der Kabine und haben über den Schiedsrichter diskutiert. Ein WM-Finale sollte einen Schiedsrichter von Weltniveau leiten. Das war heute nicht so", klagte auch Arjen Robben. Der Star des FC Bayern München wusste aber auch, dass er den Sieg für Oranje auf dem Fuß hatte. Hätte er freistehend vor Casillas getroffen - die Niederländer würden sich nun nicht so bitter beklagen. Selbst der sonst so besonnene Coach Bert van Marwijk stimmte ein und stellte den Schiedsrichter unter Generalverdacht: "Der Mann war auf der Seite Spaniens." Erst spät zeigte er sich doch noch als fairer Verlierer: "Spanien ist die beste Fußball-Nation. Wir müssen auf Topniveau spielen, um eine Chance zu haben." Und der in der Verlängerung eingewechselte frühere HSV-Spieler Raffael van der Vaart gestand: "Wir können es leicht auf den Schiedsrichter schieben. Und es stimmt auch, dass er vor dem Tor auf Ecke hätte entscheiden müssen. Aber ich glaube nicht, dass wir wegen des Schiedsrichters verloren haben."

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