Die Copacabana trug gelb in dieser Nacht. Schon seit dem Nachmittag waren die Brasilianer unterwegs, die den knappen Sieg gegen Chile feierten. Am Abend dann kamen aus dem Maracaná-Stadion die siegreichen Kolumbianer in ihren knallgelben Trikots hinzu. Mehr als hunderttausend Menschen feierten an Brasiliens berühmtesten Strand die Siege ihrer Teams.
Die einen sangen: "Ich bin Brasilianer, mit viel Stolz, mit viel Liebe." Die anderen: "Kolumbien schafft es ins Finale." Sie sangen sich schon mal warm für die nächste Partie beider Mannschaften, am Freitag in Fortaleza: Brasilien gegen Kolumbien.
Es wurde ein großes Fest in dieser Nacht, von einigen Rangeleien abgesehen. Eine Band spielte live. In den nahen Favelas knallten Feuerwerkskörper. Beim Strandfußball spielten sie das Viertelfinale schon mal aus.
Ein Drama in Belo Horizonte
Irgendwann feierten auch die Chilenen noch mit, die in der Stadt waren, und die Uruguayer, und es wurde eine harmonische "Fiesta Latina" an jener Promenade, die für vier Wochen so etwas wie die Hauptstraße der Welt ist. Sie tanzten zu Samba und Salsa und Pop und hatten für diese Nacht alle das gelbe Fieber.
Vorausgegangen waren einerseits ein Drama und andererseits ein lockerer Kick. Das Drama spielte sich in Belo Horizonte ab, wo erst die Latte und dann der Pfosten Brasilien vor dem Ausscheiden retteten. Irgendwann sah man mehr betende als spielende Menschen auf dem Feld. Luis Gustavo sank betend auf die Knie, Neymar legte sich auf den Rasen und betete. Auf der Tribüne betete gleichzeitig seine Freundin, die Schauspielerin Bruna Marquezine. Torwart Julio Cesar, der zwei Elfmeter hielt und einen Rosenkranz dabei hatte, sagte danach: "Nur Gott weiß, was geschah."
Kolumbien kickt sich locker weiter
Der lockere Kick fand dagegen in Rio im Maracaná statt. Kolumbien beherrschte den Italien-Bezwinger Uruguay nach Belieben. Auch die kolumbianischen Fans gewannen das Duell deutlich. Und spätestens an diesem Abend erlebte die WM die Geburt eines neuen Stars, James Rodriguez, 22, genannt James, der jetzt die Torschützenliste mit fünf Treffern anführt. Wie er den Ball beim 1-0 mit dem Rücken zum Tor mit der Brust annahm und dann volley unter die Latte knallte, wird den Kolumbianern an diesem historischen Abend ewig in Erinnerung bleiben. Es war das vielleicht schönste Tor dieser WM.
Die Fans auf den Rängen wussten lange vorher, dass sie mit James einen neuen Superstar haben. "James, Te Amo" stand auf handgeschriebenen Plakaten. Und dann stand da noch etwas anderes: "La copa es nuestra." - Wir holen den Pokal.
So kommt es jetzt am Freitag zu einem weiteren Highlight dieser an Höhepunkten so reichen WM. Die einen waren fünf Mal Weltmeister, die anderen noch nie im Viertelfinale. Die einen galten vorher als große Favoriten, die anderen als Außenseiter. Doch während Kolumbien bei dieser WM bisher alle Spiele souverän gewann, hat der Gastgeber in noch keinem Spiel richtig überzeugt. Favorit ist daher wohl eher: keiner.
Brasilien rettet sich in WM-Woche vier
Für Brasilien und die WM bedeutet das Weiterkommen alles. Ein Ausscheiden hätte dieser WM eine Menge guter Laune entzogen. Jetzt hält diese in jedem Fall noch bis in die vierte WM-Woche hinein. Die FIFA und alle Fußballfans können aufatmen.
Ob Brasilien es ins Halbfinale schafft, ist nach dem Spiel gegen Chile ungewisser als je zuvor. Selbst die eigenen Spieler sagten, die Chancen stünden 50:50, es gebe keinen Favoriten. Auch an der Copacabana gingen die Meinungen auseinander. Die freudetrunkenen Fans setzten jeweils auf ihre Teams, Brasilianer wie Kolumbianer. Unter den nüchternen Fans, den fachkundigen und den Ausländern, hörte man eher eine andere Meinung: Dieses Mal könnte das bessere Team gewinnen - Kolumbien.