Historische Blamage Der vielsagend stille Abgang des Joachim Löw

Die deutsche Elf beim letzten WM-Gruppenspiel gegen Südkorea
Die deutsche Elf beim letzten WM-Gruppenspiel gegen Südkorea
© Andreas Gebert / DPA
Deutschland ist nach einer blamablen Vorstellung gegen Südkorea aus der WM ausgeschieden. Es war ein durch die Bank schwacher Auftritt – mit ganz, ganz wenigen Ausnahmen. Die DFB-Elf in der Einzelkritik.


Manuel Neuer patzte erstmals im Turnier, boxte den Ball aber noch rechtzeitig weg. Auch in der zweiten Hälfte mehrfach unsicher.
Jonas Hector tauchte wieder überraschend viel im gegnerischen Strafraum auf, allerdings kaum gefährlich. Klärte hinten mehrfach.
Sami Khedira war von Beginn an auf Fehlerminimierung bemüht. Das gelang ihm meist, mehr aber auch nicht.
Toni Kroos war wieder der bemühte Taktgeber des deutschen Spiels, allerdings sprang dabei nicht viel heraus.
Niklas Süle präsentierte sich deutlich besser als Konkurrent Rüdiger. An ihm lag es nicht.
Mats Hummels war der Rückhalt im Team, unterband nahezu jeden die Konter, machte seinen Job und hätte beinahe noch getroffen.
Joshua Kimmich war stets bemüht. Seinen Flanken fanden jedoch selten ihren Mann.
Marco Reus zeigte zunächst gute Ansätze, baute dann ab. Viel zu wenig für einen Spieler seiner Klasse.
Mesut Özil schaltete zunächst mehrmals schnell um, traute sich aber insgesamt zu wenig und wurde mit zunehmendem Spiel schlechter.
Leon Goretzka startete bemüht, aber meist ungenau. Vergab die Riesenchance nach der Pause. Ging nach einer Stunde vom Feld.
Timo Werner bekommt wieder das größte Fleißsternchen. Lief ununterbrochen, erarbeitete Bälle, aber zu selten selbst gefährlich.
Mario Gomez kam nach einer Stunde, hatte direkt eine gute Kopfballchance. Ansonsten wenig von ihm zu sehen.
Thomas Müller kam 30 Minuten vor Schluss und fand überhaupt nicht ins Spiel. Weiter nur ein Schatten seiner selbst.
Julian Brandt kam für die letzte Viertelstunde, zeigte wieder gute Ansätze.


In der Summe ergibt das das erste Vorrundenaus einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei einer Weltmeisterschaft.
Nach dem 0:2 gegen Südkorea lässt Bundestrainer Joachim Löw seine Zukunft offen. Dafür ergreifen seine Spieler für ihn Partei.

Als dieses WM-Aus, von dem es in zehn Jahren noch heißen wird, es sei historisch gewesen, endgültig besiegelt war, als Südkoreaner tanzten wie kleine rote Flummis und Männer wie Niklas Süle apathisch in ihrer Hälfte verharrten, groß wie ein Kirchturm die Enttäuschung, da ist er langsam losgelaufen. Regungslos hatte er die letzten Minuten als Bundestrainer in diesem Turnier verfolgt und niemand weiß ja, ob es am Ende nicht auch die letzten Minuten einer großen Epoche gewesen sind. Nun also ging Joachim Löw hinüber zu Südkoreas Coach Shin Tae-yong und gratulierte ruhig und verbindlich. Den Arm legte er um die Schulter des Kollegen, es galt jetzt, Anstand und Würde zu wahren, und niemand wird Löw einmal nachsagen können, dass er nicht auch verlieren kann. 

Und eine große Niederlage ist es ja gewesen, dieses 0:2 gegen Südkorea, so viel schwerer wird sie wiegen als all die Semi-Finalniederlagen zuvor. Der Assistenztrainer Thomas Schneider kreuzte dann noch seinen Weg, danach ging Löw kurz aufs Feld, noch immer verkniff er sich jede Regung, er hat sich ja im Zaum wie kein Zweiter. Doch es gab nichts mehr zu tun, also machte er kehrt, er war dieser Mannschaft kein Trostspender, nicht jetzt, viel zu tief saß die eigene Enttäuschung. 

Also schritt Löw gemäßigten Schrittes durch all die Spieler und Betreuer, die dieser Szenerie den Charme eines Wimmelbildes verliehen, ein kurzer Händedruck noch mit einem Betreuer, ein paar Stufen hinunter in den Spielertunnel. 

Dann war er weg. 

Für immer? 

Joachim Löw erbat sich ein paar Stunden

Ein paar Minuten später auf der Pressekonferenz sah man ihm an, wie es in ihm mahlte. Und sie kam dann auch schnell, die Frage, ob es ein Morgen als Bundestrainer geben könne nach einem Aus, das eine mächtige Hypothek darstellen wird. "Wie es weiter geht, darüber muss man in Ruhe sprechen", erklärte Löw, sein Gesicht glänzte, es war heiß in Kasan an diesem Abend, ein passender Rahmen. Er trifft ja grundsätzlich keine Entscheidungen im Affekt, doch nicht Wochen will er dieses Mal ins Land gehen lassen. Er schien schon zu wissen, dass ihm die Zeit nicht bleiben wird. Schon Sekunden nach dem WM-Aus flogen die ersten Kommentare durchs Netz. Also erbat er sich ein paar Stunden, wenigstens das.

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Er wollte das Aus nicht schönreden, er verwies nicht auf die Großchancen von Mario Gomez, von Leon Goretzka, von Mats Hummels. Die Verantwortung wollte er übernehmen für dieses Turnier, in dem seine Elf nicht Halt gefunden hatte. Viel zu bräsig war sie losgelaufen auf diesem Vorrundensprint, er muss sich das ankreiden lassen. Am Ende fehlten Glaube und Energie, er hat diese Elf dieses Mal nicht vitalisieren können. 

Dieses Vorrunden-Aus, das gehörte allein ihnen

Er wollte keine Ausreden geltend mache, sie alle taten es hernach im Bauch der Katakomben nicht. Nicht die Erdogan-Debatte, die so schwer auf dieser Elf lag. Nicht die Medien, die ihnen viel zu kritisch berichtet hatten. Dieses Vorrunden-Aus, das gehörte allein ihnen. Und sie wussten es. Einen starken Auftritt legten sie hin, zumindest in dieser Hinsicht, die stärkste Halbzeit des Turniers, sie kam, als alles vorbei war. 

Wird Löw wiederkommen, in München, im September? 

"Wir sollten ihm Zeit lassen. Ich gehe davon aus, dass er im September die Sachen richtig angeht", erklärte der Teammanager Oliver Bierhoff, das WM-Aus war noch keine Stunde alt. Auch Thomas Müller oder Mats Hummels sprachen sich für ihren Trainer aus. Doch über all diesen Bekenntnissen lag das Gefühl, dass da eine große Generation gefallen war. Löw wusste es. 

Sein Blick war auch deshalb – leer.

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