Am Ende wirkten sie nicht unglücklich, lobten ihre gute Moral und sprachen davon, das Spiel absolut dominiert zu haben. Enttäuschung? Allenfalls wegen des Ergebnisses, aber nicht wegen der Leistung. Dreimal hatten sie ausgeglichen, das war tatsächlich gut. Doch die zwei verschenkten Punkte könnten noch schmerzen auf dem langen Weg der WM-Qualifikation.
Halbzeit eins, eine halbe Stunde ist vorbei, Deutschland gelingt wenig, beinahe jeder bleibt blass. Nur eine gute Hitzelsperger-Rolfes-Kombination bringt Gefahr. Das 1:0 für Finnland ist nicht unverdient. Und es ist der zuletzt so starke, der höchstgelobte Phillip Lahm, der sich vorher schon einmal locker verladen ließ, und nun über einen langen Ball aus der Mitte tritt und Jonatan Johansson den Einschuss ermöglicht. Es ist dann fünf Minuten später, auch so ist Fußball, der inzwischen schon nur noch bemitleidete Miroslav Klose, der ausgleicht. Ein 20-Meter-Pass von Pjotr Trochowski, Klose nimmt an, tankt sich durch, zieht flach ins linke Eck und feiert die Wiedergeburt eines Torjägers.
Enke verhindert Schlimmeres
Doch wach ist die Mannschaft von Joachim Löw noch nicht, zumindest nicht die Innenverteidigung. Eine Flanke von der rechten Seite kann Mika Väyrynen nahezu unbehelligt an Torwart Enke vorbei ins Tor schießen - Heiko Westermann steht zu weit hinter ihm, kann nicht mehr wirkungsvoll stören. Der erneute Ausgleich fällt nach einer Ecke von Bastian Schweinsteiger und durch: Miroslav Klose. Den ersten Schuss pariert Finnlands Jussi Jääskeläinen, doch der Ball fällt Klose vor die Füße, so dass er ihn ins Tor stochert. Deutschland, das weiß man nun, kann Konsequenz entwickeln. Doch es kann sich auch einlullen lassen.
Joachim Löw wechselt zur Pause nicht, und Finnland holt nach zehn Sekunden die erste und nach 25 Sekunden die zweite Ecke heraus. Ein Kopfball fliegt übers deutsche Tor - der Gastgeber weiß, dass der große Favorit verwundbar ist. Sechs Minuten später hat Enke eine Großchance klasse mit dem Fuß verhindert und dann zusehen müssen, wie die Ecke erst kurz ausgeführt und dann umso präziser hinein fliegt. Und von Daniel Sjölunds Kopfs ins Tor gewuchtet wird. 3:2 für Finnland.
Gomez vergibt Riesen-Chance
Deutschland will nun, und die Mannschaft spielt endlich aggressiver, nimmt Zweikämpfe an. Schultern knallen gegeneinander, es scheppert, ab und zu wenigstens, ganz so zahm wie zu Beginn der zweiten Hälfte tritt das Team nach einer Stunde nicht mehr auf. Plötzlich geht auch etwas über rechts, verglichen mit seinen letzten Auftritten wirbelt Clemens Fritz geradezu. Überhaupt Fritz: Der Bremer beackert vor allem in der zweiten Hälfte die rechte Seite wie zu seinen besten Zeiten. Clemens Fritz darf sich wie ein kleiner Gewinner des Abends fühlen. Der große Gewinner freilich ist Miroslav Klose. Apropos Klose: In der 68. Minute holt Klose auf links außen einen Freistoß heraus, den Schweinsteiger scharf hereinschlägt. Die Stürmer verpassen.
Mario Gomez ist jetzt auf dem Platz, eingewechselt für Thomas Hitzlsperger, der anders als Simon Rolfes kaum gute Szenen hatte. Lukas Podolski lässt sich ins Mittelfeld zurückfallen. Gute Chancen durch Rolfes (Fernschuss, drüber) und Gomez (Kopfball, drüber) - jetzt drückt Deutschland wirklich. Und vergibt in der 78. Minute seine nun beste Chance: Eine weite Flanke köpft Klose aus dem langen Eck wieder flach vors Tor, Gomez aber ist schon zu weit gerutscht, kann den Ball nur noch kratzen, der trudelt, schafft es aber nicht über die Linie.
Und dann, die 82. Minute, ein, zwei, drei deutsche hauen drauf, der Torwart pariert, Verteidiger werfen sich dazwischen. Miroslav Klose schließlich trifft, sein drittes Tor, er ballt die Fäuste, die Spielführerbinde spannt an seinem Oberarm. Eine Minute später rettet Enke den Ausgleich. Andreas Hinkel für Fritz, Helmes für Rolfes, noch sieben, sechs, fünf Minuten. Freistoß Schweinsteiger in der 87. Minute von halblinks, Westermann köpft drüber. Chance Helmes, Chance Klose. Drei Minuten Nachspielzeit. Schlusspfiff.
Die erste Erkenntnis aus Helsinki: Sie können einschlummern. Sie können wachwerden. Sie können kämpfen. Die zweite: Manchmal muss man auch an schwachen Spielern festhalten. Am 11. Oktober kommt Russland.