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Weltmeisterschaft Handball vs. Fußball: "Mimimi" gibt's nur auf Rasen

Matthias Musche jubelt.
Acht Dinge, die sich der Fußball gerne vom Handball abgucken kann


1. Einstecken statt Rumheulen


Handballer bekommen Hände ins Gesicht, ringen am Kreis, knallen auf den Hallenboden. 
Machen die deswegen den Neymar?
Nein! Handballer stehen einfach wieder auf. Wer liegen bleibt, ist wirklich verletzt.


2. Fairplay statt Unsportlichkeiten


Trotz aller Härte: Handballer respektieren ihre Gegner.
Beim ersten Spielzug klatschen sich die Spieler auf dem Feld ab.
Und wenn ein Torwart nur für einen Siebenmeter ins Spiel kommt, gibt der Angreifer ihm
kurz den Ball.


3. Ehrlicher Jubel statt Posen


Wenn Handballer ein Tor werfen, recken sei die Arme in die Luft, ballen die Fäuste und schreien ihre Freude heraus.
Was man eben macht, wenn man sich wirklich freut.
Einstudierte Jubelposen wie bei Ronaldo und Co. gibt es nicht.


4. Schnell statt lahm


Mittelfeldgeplänkel wie beim Fußball? Beim Handball gibt es nichtmal ein Mittelfeld!
Wenn ein Team im Angriff zu lange braucht, wechselt der Ballbesitz.
Wer den Ball nach einem Pfiff nicht sofort liegen lässt, kassiert eine 2-Minuten-Zeitstrafe.
Und weil die Uhr angehalten werden kann, gibt es auch sonst kein Zeitspiel.


5. Spannung statt Schnarchen


Langweilig wird’s im Handball bei so einem schnellen Hin und Her selten.
Denn auch wenn ein Team mal mit mehreren Toren vorne liegt – das Spiel kann sich schnell wieder drehen.
Viele Spiele bleiben so bis zum Ende spannend – teils fallen die entscheidenden Tore buchstäblich in letzter Sekunde.


6. Respekt statt Diskussionen


Trotz der vielen Emotionen – wenn der Schiedsrichter pfeift, wird das hingenommen.


Hin und wieder motzen die Spieler zwar kurz. Dann lassen sie die Schiedsrichter aber in Ruhe.


Belagerungszustände wie beim Fußball gibt es nicht.




7. Bodenständig statt abgehoben


42.000 Euro im Monat verdient Kapitän Uwe Gensheimer im Monat. Damit ist er der deutsche Topverdiener.
Kein Vergleich zu den Millionengehältern, die Fußballstars bekommen.
Dementsprechend bodenständig präsentieren sich die Handballer neben dem Platz.
Abgesehen von Handball-Vizepräsident Bob Hanning, der öfter durch extravagante Pullover auffällt. 


8. Freundlich statt feindselig


Schmähgesänge und Beleidigungen gegen den Gegner? Kennen die wenigsten Handballfans.
Fußballfans gucken zwar etwas verächtlich auf die Klatschpappen der Handballfans.
Aber statt Dauer-Sing-Sang gibt es bei den Handballern spielbezogene Unterstützung.
Und wie gut das funktioniert, beweisen die deutschen Handballer bei dieser WM.


Unsere Autorin hat 17 Jahre lang Handball gespielt und für Fußball wenig übrig. Warum die Handball-WM für sie genauso viel Anerkennung verdient, wie ihr fußballerisches Pendant, lesen Sie hier. 

Liebe Fußballfreunde,

ihr seid ja im Prinzip überall. Spielergebnisse flimmern auf den Bildschirmen am Bahnhof, Arbeitskollegen diskutieren die letzten Transfers, Vereinsflaggen wehen in den Gärten der Vorstädte und kein Sportunterricht kommt ohne Fußballtrikots aus. Ihr setzt euch am Samstagmittag auf den U-Bahn-Sitz neben mir (ihr habt mich noch nie gefragt, ob ich schiefe Fußballhymnen genauso liebe wie ihr) und feiert einen Sport, der ziemlich langweilig ist. 

Trotzdem hat euch diese Tatsache nie davon abgehalten, mich und meine Handballmannschaft aus den besseren Hallen unseres Sportvereins zu drängen, wenn es euch draußen zu kalt war. In Sachen Härte kann Fußball noch einiges lernen - auch in anderen Dingen, wie sich in diesen Tagen wieder zeigt. Die Handball-WM ist in vollem Gange und beweist einmal mehr, dass die besseren Sportler nicht auf Rasen laufen.

Handball-WM 2019
"Während die Kicker schon Wochen vor einer WM bejubelt werden, wächst die Anerkennung für die Handball-Nationalmannschaft erst im Laufe des Turniers."
© Monika Skolimowska / Patrik Stollarz / DPA / AFP

1. Handball ist spannender

Ein Fußballfeld ist 105 mal 68 Meter groß, das Spielfeld beim Handball nur 40 mal 20 Meter. Bis der Ball überhaupt in die Nähe des Fußballtores kommt, haben unsere Mannschaften schon mehrfach gejubelt. Beim Handball entscheidet sich das Spiel meistens in den letzten Minuten oder Sekunden; der Trainer darf unbegrenzt auswechseln und frische Spieler auf die Platte schicken, die das Tempo über 60 Minuten hochhalten. Ruhige Phasen? Gibt es nicht. Da kann schon eine falsch gelegte Toilettenpause ein großer Fehler sein. 

2. Handball ist härter

Wenn Spitzenfußballer sich nach einer Berührung am Schienbein drei Minuten lang mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Boden wälzen, kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Insbesondere, wenn die gleichen Spieler kurz darauf wieder über den Platz laufen, als wäre nie etwas gewesen.  

Wenn Handballer auf dem Boden liegen, wischen sie sich mit dem Handrücken einmal die Nase ab und kriegen vom nächsten Teamkollegen - manchmal auf vom Gegner - einen aufmunternden Klaps auf den Po. Das Spiel geht weiter, ganz ohne minutenlange Unterbrechung, ganz ohne "Mimimi". 

3. Handball ist fairer

Bei einem Tempogegenstoß ist der Ball aus der eigenen Abwehr in Sekunden im gegnerischen Bereich. Jeder Spieler, der schnell genug ist, kann ihn ins Tor bringen. Jeder Spieler ist Abwehr und Angriff zugleich, alle rennen nach vorne, alle rennen zurück, alle machen Tore.

Handball ist schneller als Fußball und deswegen fairer. Ein Luckyshot kann trotz 90 Minuten Spieldauer die ganze Partie entscheiden. Beim Handball besitzen Glückstreffer und falsche Schiedsrichter-Entscheidungen nicht dieselbe Tragweite. Wenn von 50 Toren eines falsch gepfiffen wurde, ändert das an den Siegchancen nur wenig. Am Ende wird trotzdem das bessere Team gewinnen.

4. Handball ist würdevoller

Dass sich ein Fußballspiel für meine Begriffe unsäglich in die Länge zieht, liegt auch an den überflüssigen Diskussionen der Spieler mit Schiedsrichtern und Gegnern. Im Ernst, was soll dieses Geklüngel mit dem Referee? Eigentlich hat man doch schon in der Vorschule begriffen, dass es die Strafe nicht unbedingt mindert, wenn man den Lehrer beschimpft. Oder hat schon mal ein Schiedsrichter gesagt: “Regen Sie sich doch bitte nicht so auf, den Elfmeter ziehe ich selbstverständlich zurück.”? Ich denke nicht. 

Handball ist zumindest in diesen Dingen wunderbar unaufgeregt. Da reichen wenige Worte an den Schiedsrichter, um mit einer Karte oder der Zwei-Minuten-Strafe auf der Bank zu landen. Die Spieler haben das in den meisten Fällen begriffen und lassen es mit dem Aufplustern lieber gleich. Dieses breitbrüstige “Das war ich gar nicht...” hat eh noch niemanden intelligenter wirken lassen. Und Schwalben? Kennen Handballer sowieso nicht. 

Mehr Jubel für die Handball-WM, bitte

Apropos unaufgeregt. Seit einigen Tagen spielen die Mannschaften in Deutschland und Dänemark um den WM-Pokal; und wenn man so durch die Straßen von Hamburg zieht (immerhin einer der vier deutschen Austragungsorte) scheint davon kaum jemand etwas zu ahnen. Ich musste schon ein bisschen laufen, bis ich an einer Eckkneipe zumindest die Aufschrift las “Handball-WM live”. Ein bisschen mehr Aufregung wäre angebracht. 

Fußball ist Volkssport, Handball nicht - das sieht man heute einmal mehr. Während die Kicker schon Wochen vor einer WM bejubelt werden, wächst die Anerkennung für die Handball-Nationalmannschaft erst im Laufe des Turniers. Wenn die Jungs sich gut schlagen, bleibt die Begeisterung vielleicht ein bisschen länger. Vielleicht sogar so lange, dass frierende Fußballer in einigen Jahren vergeblich an den Sporthallen meiner Jugend klopfen.

Ex-Handballer Stefan Kretzschmar sitzt auf einer Bühne und spricht in ein Mikro in seiner rechten Hand

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