Das Motto für die frischgebackene Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch lautet: alles kann, nichts muss. Der Nordische Kombinierer Eric Frenzel steht hingegen unter Siegzwang, auf den Rodel-Doppelsitzern Tobias Wendl und Tobias Arlt lastet ebenso Druck wie auf dem Eiskunstlauf-Paar Aljona Savchenko/Robin Szolkowy: Der Mittwoch soll zum goldenen Tag für das deutsche Olympia-Team in Sotschi werden. Gleich in vier Wettbewerben sind die deutschen Starter echte Favoriten auf die Goldmedaille.
Nach der emotionalen Goldgala kam Ski-Königin Höfl-Riesch die Verschnaufpause am Dienstag vor der Abfahrt (8 Uhr) gerade recht. Erst nach Mitternacht war sie nach ihrem Kombinationstriumph ins Bett gekommen. Nur kurz konnte die 29-Jährige Kräfte sammeln für den anvisierten Coup auf eine "Wunschmedaille".
Wird es jetzt eine Goldjagd für Höfl-Riesch in Sotschi? Knackt sie vielleicht sogar die Rekorde von Katja Seizinger und Janica Kostelic? Oder macht sie gleich bis 2018 weiter? Zumindest bei der letzten Frage musste die Fahnenträgerin mit der Medaille um den Hals lachen. "Lieber wäre mir jetzt hier vielleicht noch mal eine Siegerehrung, 2018 eher nicht, nein", erklärte Höfl-Riesch.
Doch der Kreis der Anwärterinnen auf Abfahrtsgold und damit die Nachfolge der verletzten Amerikanerin Lindsey Vonn ist groß wie selten. Von Lara Gut (Schweiz) über Julia Mancuso (USA) bis hin zu einer ganzen Reihe von Österreicherinnen - das Starterfeld ist ungewöhnlich ausgeglichen. Höfl-Riesch würde ein viertes Winterspiel-Gold zur erfolgreichsten deutschen Olympia-Alpinen machen, Weltweit hätte dann nur noch die Kroatin Janica Kostelic (4-2-0) eine bessere Bilanz.
Frenzel gibt sich ganz entspannt
Deutlich kleiner ist der Favoritenkreis in der Nordischen Kombination (ab 10.30 Uhr): Er beschränkt sich quasi auf den Oberwiesenthaler Eric Frenzel. Sein Gold-Traum soll auch ohne die Unterstützung von Freundin Laura und Sohn Philipp in Erfüllung gehen. "Ich will mir die Medaille nicht aufheben, bis die Familie kommt. Es wäre schön, wenn es gleich zum Auftakt klappt", verkündete der große Olympia-Favorit vor der ersten Entscheidung voller Zuversicht.
Wenn seine Liebsten am Sonntag in Sotschi einschweben, will der Familienvater bereits Edelmetall vorweisen. "Olympia-Gold ist das große Ziel", betonte der 25-Jährige. Auf dem Weg dorthin will er sich von Nichts und Niemandem aufhalten lassen. Weder die Konkurrenz um Olympiasieger Jason Lamy Chappuis aus Frankreich und die starken Norweger noch die schwierigen Loipenverhältnisse sollen ihn stoppen. "Ich gehe ganz entspannt an die Sache ran", versicherte Frenzel. Mit der Bestweite im letzten Sprungtraining am Dienstag untermauerte er seine Gold-Ambitionen. Nach einem Satz auf 103,5 Meter verzichtete der souveräne Weltcup-Spitzenreiter, der in diesem Winter bereits acht Siege feierte, auf den dritten Versuch.
Krönung für die rasenden Tobis?
Nach den Triumphen im Herren- und Damen-Einzelsitzer soll auch das deutsche Rodeldoppel Tobias Wendl und Tobias Arlt ab 15.15 Uhr für deutsche Goldstimmung an der Eisrinne sorgen. "Wir haben in den letzten Jahren oft genug verloren", erklärt Doppelsitzer-Steuermann Wendl im Rückblick auf die heftigen Nackenschläge der Vergangenheit. "Aber nur durchs Verlieren lernt man das Siegen." Und die Doppelsitzer haben ihre Lektion offenbar gelernt: In den vergangenen beiden Wintern waren Wendl und sein Hintermann Arlt eine Klasse für sich. Nun soll das erste deutsche Doppelsitzer-Gold seit zwölf Jahren her.
2008 rückten die Startspezialisten mit Silber bei der Heim-WM in Oberhof erstmals so richtig in den Blickpunkt, doch zunächst verlief die Karriere der rasenden Tobis alles andere als geradlinig. Die Winterspiele in Vancouver musste sich das Duo im TV anschauen. Zu stark war die interne Konkurrenz. "Damals waren wir Vierter im Gesamt-Weltcup. Da nicht zu Olympia zu fahren, war einfach nur hart", erinnert sich Arlt. Inwieweit nun der am Vorabend plötzlich aufgebrochene Streit zwischen den Medaillengewinnerinnen Natalie Geisenberger und Tatjana Hüfner die Ambitionen des Doppels hemmt, muss sich zeigen. Ein unerwarteter Stimmungskiller im Rodlerlager war der Eklat auf jeden Fall.
"In Sotschi packen wir den Porsche aus"
Ausblenden müssen diesen Zwist auch Toni Eggert und Sascha Benecken, die als einzige Wendl/Arlt im Olympia-Winter schlagen konnten - und damit ebenfalls heißen Medaillenkandidaten sind. Im Training lief es für die WM-Zweiten aber noch nicht ganz rund. "Wir wollen um eine Medaille kämpfen", sagt Steuermann Eggert, "die Farbe ist egal."
Die beiden deutschen Duos gehören zu den Top-Favoriten. Neben den Russen muss vor allem erneut mit den traditionell starken Doppelsitzern aus Österreich gerechnet werden, auch wenn die zweimaligen Olympiasieger Andreas und Wolfgang Linger in diesem Winter bisher eher enttäuschten. "Bislang waren wir mit einem Trabant unterwegs, hier in Sotschi packen wir aber den Porsche aus", tönt Linger jedoch.
Der dreifache Wurfaxel als Überraschung?
Stolpern verboten heißt es für das deutsche Eiskunstlauf-Paar Aljona Savchenko und Robin Szolkowy ab 16.45 Uhr. Dann müssen sie alles abrufen, denn trotz hervorragender Kurzkür liegen die Chemnitzer unerwartet deutlich hinter den großen Rivalen, den Russen Tatjana Wolossoschar und Maxim Trankow zurück, die eine neue Weltbestwertung erzielten. "Der Fokus liegt nur auf uns selbst. Wie man bei der Europameisterschaft und beim Grand-Prix-Finale gesehen hat, sind die Russen schlagbar", erklärte Trainer Ingo Steuer zuvor. Bei beiden Wettbewerben strauchelten die Moskauer, die schon früh in der Saison extrem gut in Form waren und Weltrekorde aufgestellt hatten.
Bedeckt hielten sich die Sachsen bisher noch in der Frage, ob sie den dreifachen Wurfaxel in Sotschi zeigen werden. Das waghalsige Element, das derzeit weltweit kein anderes Duo zeigt, könnte zum Abschluss der Kür einige Punkte mehr bringen als der bisher geplante Wurfsalchow. Aber nur, wenn Savchenko sauber auf dem Eis landet. Sonst könnte die Taktik nach hinten losgehen. Möglicherweise lässt der recht große Rückstand dem deutschen Paar aber auch keine andere Wahl. Für Spannung ist also gesorgt an diesem Mittwoch - nicht nur auf dem Eis der Eisberg-Halle.