Die Vergabe der Fußball-WM 2030 nach Spanien, Portugal, Marokko, Argentinien, Uruguay und Paraguay ließ manchen Fußballfan aufatmen. Klar: Eine Weltmeisterschaft in sechs Ländern über drei Kontinente verteilt ist aus vielen Gesichtspunkten fragwürdig. Der Aufschrei wäre aber wohl deutlich größer gewesen, wenn – wie viele befürchtet hatten – Saudi-Arabien den Zuschlag für die Austragung des Turniers bekommen hätte. Doch kein Grund zur Entwarnung – der Wüstenstaat gab wenig später seine Bewerbung für die WM 2034 bekannt. Saudi-Arabiens Angriff auf den Weltfußball ist also nicht gestoppt, sondern nur vertagt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass das größte Fußballturnier der Welt im Jahr 2034 im Golfstaat gespielt wird, ist mit der Vergabe nach Spanien, Argentinien und Co. erheblich gestiegen. Die Weltmeisterschaften 2026 und 2030 decken nun mit Nordamerika, Europa, Afrika und Südamerika gleich vier Kontinente ab. Laut dem Rotationsprinzip der Fifa dürfen sich für 2034 also nur Vertreter aus Ozeanien und Asien bewerben. Die Fifa um Chef Gianni Infantino hat damit die Hürden für den Golfstaat auf ein Minimum begrenzt. Ziemlich durchschaubar, aber das scheint Infantino egal. Saudi-Arabiens Investment-Plan könnte aufgehen.
Sport soll von Hinrichtungen ablenken
Unter dem Namen "Saudi Vision 2030" will sich Saudi-Arabien unabhängiger von seinen wertvollen Öl-Reserven machen und andere Wirtschaftszweige ausbauen. Neben Kultur und Tourismus, soll dabei massiv in Sport investiert werden. Denn die umfangreiche mediale Aufmerksamkeit, die eine solche Sportveranstaltung mit sich bringt, lenkt von den image-schädigenden Umständen im Land ab.
Saudi-Arabien hat laut Amnesty International eine der höchsten Hinrichtungsraten weltweit. 2022 wurden dort 196 Menschen exekutiert, die höchste Rate im Land seit 30 Jahren. Frauen und Mitglieder der LGBTQ-Community erfahren Diskriminierung. Der unliebsame saudische Journalist Jamal Kashoggi soll 2018 auf Anordnung der Regierung ermordet worden sein. In der Rangliste der Pressefreiheit liegt das Land auf Platz 170.
All das soll durch die Kraft des Sports in den Hintergrund rücken und das schlechte Image wegwaschen – kurz "Sportswashing". In anderen Sportarten hat sich Saudi-Arabien bereits erfolgreich etabliert. Box-Superstars wie Tyson Fury oder Anthony Joshua kämpften schon im Wüstenstaat. Zudem gaben die US-amerikanische, die saudische und die europäische Golf Tour bekannt, eine gemeinsame Einheit zu formen. 2029 will Saudi-Arabien die asiatischen Winterspiele auf Kunstschnee veranstalten.
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Fußballstars werben für Saudi-Arabien
Dieses Jahr hat der saudische Investitionsplan besonders den Fußball ins Visier genommen. Der Staatsfond PIF (Public Investment Fonds) kaufte jeweils 75 Prozent der heimischen Vereine Al-Ittihad, Al-Ahli, Al-Hilal und Al-Nassr, um die Saudi Pro League attraktiver für europäische Topspieler zu machen. Mit Erfolg – Cristiano Ronaldo, Karim Benzema, Neymar oder Sadio Mané spielen seit diesem Sommer im Golfstaat.
Geködert wurden sie mit Geld aus dem Staatsfond. Neymars Jahresgehalt bei Al-Hilal beträgt 100 Millionen Euro, Benzema (Al-Ittihad) und Ronaldo (Al-Nassr) verdienen rund 200 Millionen jährlich. Der Staatsfond gibt es her: Sein Volumen soll insgesamt um die 650 Milliarden US-Dollar betragen. Die Fußballer sollen für ihren Lohn im Gegenzug Werbung für das Land machen. Lionel Messi spielt zwar in Miami, ist aber schon länger offizieller Botschafter Saudi-Arabiens. So postete der Superstar auf Instagram Bilder des Landes mit dem Hashtag "VisitSaudi".
Die eigene Liga ist den Saudis dabei nicht genug. 2021 kaufte der Staatsfond für 373 Millionen Dollar den Premier-League-Klub Newcastle United. War man in Newcastle vor dem Kauf Liga-Mittelfeld gewohnt, bezwang man nun Paris Saint-Germain eindrucksvoll mit 4:1 in der Champions League. Viele Fans kümmerten sich nach Verkündung der Übernahme wohl kaum um die Menschenrechtsverletzungen im Land der Vereinseigentümer. Einige verkleideten sich sogar als Scheichs und schwangen die saudische Landesflagge.
Kick It Like Qatar
Newcastle United ist das Paradebeispiel für die Strategie Saudi-Arabiens. Geld führt zu Erfolg und der scheint zu weitestgehend unkritischer Akzeptanz Saudi-Arabiens im Weltfußball zu führen. Man setzt auf denselben Effekt, den Rivale Katar mit der WM 2022 erzielte. Ein spektakuläres Finale reicht aus, damit viele Fußball-Fans auf der Welt von der besten WM aller Zeiten sprechen und alle Kritik im Vorfeld des Turniers vergessen ist.
Denselben Plan verfolgt nun Saudi-Arabien für 2034. Viele der Missstände in Saudi-Arabien gleichen denen in Katar. Auch dort gilt das sogenannte Kafala-System, das Arbeiter von ihren Arbeitgebern abhängig macht. Die Unternehmen bestimmen über Jobwechsel oder ob und wann die Arbeitnehmer ihre Familien besuchen dürfen. Zudem müsste eine Weltmeisterschaft in Saudi-Arabien wie schon in Katar im Winter stattfinden. Im saudischen Sommer wären Sportler bei Temperaturen von bis zu 50 Grad Celsius nicht nur nicht leistungs-, sondern nicht überlebensfähig.
Mit der Fifa Club-WM gibt es diesen Winter schon einen Vorgeschmack auf das, was noch kommen könnte. Auch die Asienmeisterschaft 2027 hat sich Saudi-Arabien bereits gesichert. Mit der Vergabe an drei Kontinente für die WM 2030 ist ein großer Teil der Fußballwelt zufriedengestellt und der Vollendung des großen Plans von Fifa und Saudi-Arabien steht wohl nichts mehr im Wege.
Quellen: "Spiegel", "Tagesschau", "Frankfurter Rundschau", "NDR", "Sportschau", "Manager Magazin", "Spox", "Augsburger Allgemeine"