Bernard Hinault "Sauberste Tour seit Jahren"

Nach den Etappen schüttelt er den Siegern als Erster die Hand: die lebende Tour-Legende Bernard Hinault. Im stern.de-Interview spricht der fünfmalige Gewinner der Frankreich-Rundfahrt über Doping, die Faszination der Tour de France und seinen Topfavoriten - einen Deutschen.

Monsieur Hinault, wer gewinnt die Tour de France? Ein Franzose schon mal nicht. Unsere Fahrer sind zu faul für hartes Training. Ich tippe auf Andreas Klöden, wenn er sich bei seinem Sturz gestern nicht böse verletzt haben sollte. Alexander Winokurow ist allerdings auch sehr stark, vor allem am Berg. Aber nein, ich bleibe bei Klöden. Er schafft es dieses Jahr.

Was macht Sie so sicher?

Klöden ist ein kompletter Fahrer, er hat keine Schwächen. Wie er in London den Prolog gefahren ist, das hat mir imponiert. Platz zwei, dabei ist er gar kein Sprintspezialist. Jetzt bin ich gespannt, ob er auch weiterhin volles Tempo fahren darf.

Meinen Sie etwa, dass seine Mannschaft Astana ihn bremst?

Ich bin gespannt, wie die Rollen zwischen Klöden und Winokurow aufgeteilt sind. Das wird man am Wochenende sehen, wenn es in die Alpen geht. Vielleicht muss Klöden sich klein machen und für seinen Kapitän schuften. Winokurow ist ja schließlich der Chef. Wenn es so kommt, täte mir das Leid für Klöden. Er fährt einfach schön Rad. Er ist ein Ästhet.

Schönheit ist das eine - sind Sie auch sicher, dass er sauber ist? Im Team Astana hat es schon zwei Dopingfälle gegeben, und Winokurow arbeitet mit Michele Ferrari zusammen, Spitzname Dottore Epo…

Ich bin überzeugt, dass wir die sauberste Tour de France seit Jahren erleben. Der Weltverband UCI kontrolliert ja so viel wie nie zu vor. Und dann gab es in Deutschland die Dopingbeichten der ehemaligen Telekom-Fahrer. Nein, das ist jetzt nicht mehr die Zeit zu dopen. Wir sind auf einem guten Weg.

Der stern on Tour

stern-Redakteur Christian Ewers ist bei der Tour de France dabei und berichtet in regelmäßigen Abständen aus Frankreich.

Halten Sie die verstärkten Kontrollen der UCI schon für ausreichend? Oder braucht der Radsport noch weitere Maßnahmen?

Wir sind bestens präpariert. Es gibt so viele gute Jungs im Feld, und Radsport ist ein so wunderbarer Sport, man sollte ihn nicht kaputtmachen. Da sind ein paar Dinge nicht gut gelaufen in der Vergangenheit, okay, das müssen wir uns eingestehen, aber jetzt geht der Blick nach vorn. Nur ihr Journalisten schaut immer in den Rückspiegel.

Wenn man an den Festina-Skandal vor neun Jahren denkt, als systematisches Blutdoping im Radsport aufgedeckt wurde, haben die Fahrer wohl zu wenig in den Rückspiegel geschaut. Aus der Vergangenheit scheinen sie jedenfalls wenig gelernt zu haben. Im vergangenen Jahr gab es die Operacion Puerto in Spanien, wieder Blutdoping...

... mag sein, aber die Tour lebt. Das ist das Wichtigste. Sie müssen nur die Begeisterung der Zuschauer sehen, hier in Frankreich, oder auch in London. Eine Million Radsportfans an einer knapp acht Kilometer langen Strecke. Also, der Radsport steht immer noch super da.

Interview: Christian Ewers

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