Es war, als kehrte eine Heldin zurück: Nachdem die iranische Klettersportlerin Elnas Rekabi auf dem Teheraner Flughafen gelandet war, wurde sie von einer größeren Menschenmenge mit Applaus empfangen. Zahlreiche Bilder in den sozialen Medien zeigten, wie die Menschen sie am Ausgang des Flughafengebäudes bejubelten. Die Videos konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden.
Die 33-jährige Sportlerin hatte im Finale der Asienmeisterschaften in Seoul für Aufsehen gesorgt, weil sie ohne Kopftuch angetreten war. Für Sportlerinnen der iranischen Nationalmannschaft ist islamische Kleidung Pflicht. Ihre Aktion wurde von vielen als Solidarität mit den systemkritischen Protesten im Iran betrachtet. Danach verschwand sie plötzlich.
Was in Seoul geschah, liegt im Dunkeln
Medienberichten zufolge hatte Rekabis Team das Hotel in Seoul am Montagmorgen verlassen. Was dann zunächst mit ihr geschah, ist nicht bekannt. Rekabis Pass und Mobiltelefon sollen beschlagnahmt worden sein, auch von einer Festnahme war die Rede. Die iranische Botschaft in Seoul wies solche Berichte kategorisch zurück.
Daraufhin erklärte die 33-jährige Sportlerin am Dienstag im Online-Dienst Instagram überraschend, sie entschuldige sich "für all die Unruhe, die ich ausgelöst habe". Dass sie bei den Asien-Meisterschaften am Sonntag ohne Kopfbedeckung aufgetreten sei, sei "unbeabsichtigt" gewesen. Es sei vielmehr darauf zurückzuführen, dass sie früher als geplant an der Reihe gewesen sei.
Wie es zu der Erklärung kam, weiß man nicht. In unbestätigten Berichten hieß es, iranische Behördenvertreter hätten in Südkorea Druck auf sie ausgeübt. Der persischsprachige BBC-Sender berichtete unter Berufung auf anonyme Quellen, Freunde hätten die 33-Jährige nicht kontaktieren können und ihr Team habe das Hotel in Seoul zwei Tage früher verlassen als geplant.
Angeblich wurde sie "ausgetrickst"
Die Website Iran Wire berichtete, der Chef der Iranischen Kletter-Vereinigung habe Rekabi "ausgetrickst", um sie in die iranische Botschaft in Seoul zu locken. Der Verbandschef habe ihr eine sichere Rückkehr in den Iran versprochen, wenn sie ihm ihren Pass und ihr Smartphone aushändige.
Die iranische Botschaft in Seoul wies in einer Mitteilung "alle Fälschungen, Falschnachrichten und Desinformationen" über Rekabis Situation zurück. Die Sportlerin habe Südkorea am Dienstag zusammen mit ihrer Mannschaft verlassen, hieß es.
Iran Wire zufolge ist Rekabis Instagram-Erklärung "den erzwungenen Geständnissen ähnlich, die in der Islamischen Republik üblich sind". Aktivisten werfen dem Iran vor, Menschen zu Reue-Bekenntnissen zu zwingen, die im Fernsehen oder in Online-Medien veröffentlicht werden.
Massenproteste in Iran dauern seit Wochen an
Im Iran dauern Massenproteste seit Wochen an, nachdem die junge Kurdin Mahsa Amini nach ihrer Festnahme durch die berüchtigte Sittenpolizei am 16. September in Teheran gestorben war. Sie soll ihr Kopftuch angeblich nicht vorgeschriftsgemäß getragen.
Die staatliche iranische Nachrichtenagentur Fars fragte am Dienstag in einem Editorial, warum "westliche, zionistische und saudiarabische" Medien nicht den Erfolgen iranischer Sportlerinnen Aufmerksamkeit geschenkt hätten, die Kopftücher getragen hätten, sondern "die Performance eines Mädchens mit unkonventionellem Benehmen hervorgehoben haben".
Rekabi ist die zweite bekannte iranische Sportlerin, die ohne Kopftuch an einem Wettbewerb teilnahm. Die erste war die Boxerin Sadaf Chadem, die 2019 mit unbedecktem Haar in den Ring stieg. Chadem kehrte nicht in den Iran zurück, sie lebt in Frankreich im Exil.