Mehr Sport Die Favoriten der Rugby-WM - Südafrika

Zwei Mal wurde Südafrika bereits Rugby Union-Weltmeister. Doch bis es soweit war, hatten das Team und auch das Land einen weiten Weg hinter sich zu bringen. In der Serie der Favoriten für die Rugby-WM stellen wir Ihnen heute die Springboks vor.

In kaum einem anderen Land ist Rugby so eng mit der Politik verbunden wie in Südafrika. In unserer Serie, in der wir die Favoriten für die Rugby Union-Weltmeisterschaft näher vorstellen, beschäftigen wir uns heute mit den Springboks, die früher noch ein Team der Weißen waren, aber heute die gesamte Bevölkerung Südafrikas begeistern.

Der Sport soll 1861 durch George Ogilvie, einen College-Direktor in Kapstadt, nach Südafrika gekommen sein. Ogilvie führte eine Fußball-Variante ein, wie sie im Winchester College gespielt wurde. Das erste Match wurde zwischen Offizieren der Armee und "Gentlemen" der Zivilregierung ausgetragen und endete 0:0. In der Folge gab es weitere Partien zwischen "Stadt" und "Vororten" sowie "Einheimischen" und "Kolonialgeborenen".

Etwa 1875 begann sich das Spiel zum heutigen Rugby zu verändern. Der englische Ex-Nationalspieler William Henry Milton kam 1878 nach Kapstadt und trat dem Villagers Club als Spieler und Trainer bei. Ende des Jahres wurde das Winchester-Spiel komplett vom Rugby abgelöst und der Sport startete seinen Siegeszug durch das Land. Entlang der Gold- und Diamant-Routen kam Rugby nach Kimberley und Johannesburg. Britische Soldaten halfen zudem, den Sport in den Kolonien weiter zu verbreiten.

Rasante Ausbreitung

1889 wurde in Kimberley schließlich der südafrikanische Rugby-Verband gegründet. Im gleichen Jahr fand auch das erste landesweite Turnier statt, in dem das Team der Westlichen Provinz über Griqualand West, die Östliche Provinz und Transvaal triumphierte.

Zwei Jahre später besuchte zum ersten Mal ein Team aus Südafrika die Britischen Inseln. Doch alle 20 Spiele der Gäste gingen verloren. Aber schon 1896, als die British Lions das erste Mal durch Südafrika tourten, konnten die Gastgeber ihren ersten Sieg feiern.

Nicht nur die britischen Siedler widmeten sich dem Sport mit großer Leidenschschaft, auch unter den niederländisch-stämmigen Buren, die ihn in den Kriegsgefangenen-Lagern nach dem zweiten Buren-Krieg kennenlernten, und der farbigen Bevölkerung war der Sport äußerst populär. Aber die Teams wurden streng getrennt und Mannschaften aus farbigen Spielern erhielten keine Unterstützung und wurden häufig diskriminiert.

Südafrikas Dominanz in Großbritannien

1906/07 tourte eine südafrikanische Nationalmannschaft durch die Home Nations Schottland, England, Wales und Irland und in 29 Spielen gelang England nur ein Unentschieden und Schottland als einzigem Team ein Sieg, seitdem trägt das südafrikanische Team den Spitznamen "De Springbokken" und es tritt in gold-grünen Trikots und weißen Hosen an.

Eine besondere Rivalität verbindet die Springboks mit den neuseeländischen All Blacks, die aber bei Spielen in Südafrika bereits vor dem Beginn der Apartheid-Ära 1948 auf ihre farbigen Spieler verzichteten und so in Südafrika meist als Verlierer vom Platz gingen. Gab es zunächst noch kaum Proteste aufgrund des Ausschlusses der farbigen Spieler, so änderte sich dies etwa ein Jahrzehnt nach Beginn der Apartheid.

1960 gab es erste zaghafte Proteste in Neuseeland gegen die Gastreise der All Blacks in Südafrika, die aber noch ohne Folgen blieben. Erst 1967 erwog Neuseeland, seine Reise abzusagen, da Südafrika weiterhin keine Maori-Spieler zulassen wollte. Schließlich beugte sich die Apartheid-Regierung dem Druck und tolerierte Maori-Spieler und -Zuschauer als "Ehrenweiße".

Proteste mehren sich

Auslandstourneen der Springboks wurden in der Folgezeit von massiven Protesten begleitet. Während Besuche der British Lions meist ohne Folgen blieben, konnten Spiele in Großbritannien nach Demonstrationen teilweise nur hinter Stacheldraht stattfinden. In Australien musste vor einem Spiel 1971 in Brisbane sogar der Notstand ausgerufen werden.

Südafrika stand zunehmend isoliert da, nachdem auch Frankreich seine Spiele gegen die Springboks in den späten 70er, frühen 80er Jahren absagte, nachdem es 1974 in einem Spiel in Port Elizabeth zwischen Südafrika und den Lions zu einer der schwersten Schlägereien der Rugby-Geschichte gekommen war.

1976 reisten die All Blacks trotz heftiger Proteste erneut nach Südafrika, woraufhin 20 afrikanische Staaten den Ausschluss Neuseelands von den Olympischen Spielen im selben Jahr forderten. Das Internationale Olympische Komitee folgte der Forderung jedoch nicht, da Rugby keine olympische Sportart war und so machten die afrikanischen Staaten ihre Drohung wahr und boykottierten ihrerseits die Sommerspiele in Montréal.

Immer wieder Neuseeland

Obwohl Südafrika sportlich vom Commonwealth durch die Gleneagles-Vereinbarung abgekoppelt war, tourte Neuseeland 1981 erneut unter starken Protesten durch das Land. Der Gegenbesuch der Springboks in Neuseeland wurde von so starken Demonstrationen überschattet, dass das International Rugby Board Südafrika ausschloss.

1985 wurde die Länderspielreise der All Blacks durch Südafrika vom obersten neuseeländischen Gerichtshof verboten, trotzdem spielte eine Mannschaft aus Neuseeländern, die sich die Cavaliers nannte, im Folgejahr gegen die Springboks.

Erst 1992 wurde Südafrika wieder vom internationalen Rugby-Verband aufgenommen, aber dem Team fehlte nun nach dem Ende der Apartheid nach jahrelanger Isolation die internationale Erfahrung. Die neue Regierung überlegte sogar, den Namen des Teams in Protea (die südafrikanische Nationalpflanze) zu ändern, doch der neu gewählte Präsident Nelson Mandela sprach sich dagegen aus, um die Tradition der Springboks zu wahren und da die Rugby-WM 1995 in Südafrika stattfinden sollte.

Das WM-Märchen von 1995

Obwohl das Team nun von Weißen und Schwarzen gleichermaßen unterstützt wurde, schaffte es mit Chester Williams nur ein schwarzer Spieler in den WM-Kader. Als Weltranglisten-Neunter starteten die Springboks in das Turnier, besiegten Australien, Rumänien, Westsamoa und Frankreich und standen schließlich im Finale sensationell den All Blacks gegenüber, die allerdings durch eine Lebensmittelvergiftung vom Vortag stark geschwächt waren.

Südafrika gewann knapp mit 15:12 und bis heute halten sich vor allem in Neuseeland Gerüchte, dass südafrikanische Offizielle für das verdorbene Essen verantwortlich gewesen seien. Zudem gibt es Berichte, dass rund um das neuseeländische Hotel in der Nacht vor dem Finale permanent Autohupen zu hören gewesen und in den Zimmern Lausch-Mikrofone gefunden worden sein sollen.

Nach dem Gewinn des WM-Titels folgte eine mehrere Jahre dauernde Durststrecke, die nur durch die Tri Nations-Titel 1998 und 2004 durchbrochen wurde. 2007 folgte der zweite WM-Titel, nachdem das Team im Finale England mit 15:6 besiegt hatte.

Südafrika hat gegen jedes Team der Welt außer Neuseeland eine positive Länderspielbilanz. Vor der Rückkehr aus der Isolation 1992 war auch die Bilanz gegen die All Blacks noch positiv gewesen. Aktuell ist das Team Zweiter der Rugby-Weltrangliste hinter Neuseeland und vor Australien.

Henning Schulz

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