Mehr Sport Juliane Schenk gewinnt WM-Bronze in London

Eine WM-Medaille war das Ziel und der Plan von Juliane Schenk ist aufgegangen. Die 28-Jährige holte sich bei der Generalprobe für die Olympischen Spiele die Bronzemedaille im Badminton, war aber dennoch nicht ganz zufrieden. Wir berichten über den verschwundenen Court, mentale Probleme und Wohlfühl-Atmosphäre.

Erst zwei für Deutschland startende Spielerinnen (Huaiwen Xu und Petra Overzier) hatten es bisher geschafft, eine Medaille bei einer Badminton-WM zu gewinnen. Juliane Schenk sicherte sich nun in London die Bronzemedaille und reihte sich in diesen elitären Kreis ein.

Die Vorbereitung verlief optimal für Schenk. Die beste deutsche Badmintonspielerin war top vorbereitet, hatte sogar mit männlichen Kollegen trainiert, um sich für die Weltmeisterschaft in London eine gewisse Matchhärte zu holen. Es war eine besondere WM, denn Austragungsort war die Wembley Arena zu London, in der nur ein Jahr später auch die olympischen Bälle fliegen werden. Auch Schenk war sichtlich angetan von den Rahmenbedingungen:

"Die Engländer verstehen es wirklich, solch große Events durchzuführen und zu gestalten - große Klasse. Die Wembley Arena hat natürlich auch Kult-Status, mit den Zuschauern und der Atmosphäre. Dann waren auch nur die Courts beleuchtet, bei den Halbfinals gab es Lichteffekte mit Showeinlagen und so kann man sich wirklich auf die Olympischen Spiele freuen. Ein Wermutstropfen war die Warm-Up-Area, denn die war sehr klein, soll aber noch verbessert werden."

Aller Anfang ist schwer

In jeder Sportart ist es im Vorfeld jedoch schwer einzuschätzen, auf welchem Level man sich befindet. Und so wurde direkt das Auftaktmatch gegen die Indonesierin Lindaweni Fanetri zu einem echten Härtetest, den Juliane Schenk in drei Sätzen (22:20 18:21 21:11) bestand. "Man muss sich erst an die Gesamtbedingungen gewöhnen. Ein erstes Match ist immer was Besonderes", erklärte sie im sportal.de-Interview.

"Ich wusste auch um die Stärken von ihr. Wir hatten im Vorfeld eine Begegnung gespielt und die Indonesier sind technisch sehr versiert - haben sehr viele Möglichkeiten. Von der Fitness her kann man sie aber schlagen. An dem Tag waren dann die Bälle sehr langsam und wir haben beide kaum Fehler gemacht, das Spiel ging über 70 Minuten und war dominiert von langen Ballwechseln - ein Duell auf Augenhöhe. Daher war es ein hartes Duell."

Hilfreich war in dieser Phase ihre Mentaltrainerin Gaby Frey, die bei den Matches immer in Sichtweite zu finden ist und Schenk zusätzliche Kraft und Stärke gibt. Aber auch abseits der Halle sind sie ein eingespieltes Duo, zu dem auch die beiden Kinder von Frey gehören - praktisch ein Wohlfühlpaket auf dem Weg zur sportlichen Höchstleistung.

Appartement für mehr Wohlfühl-Atmosphäre

Zusammen hatten sie sich in einem Appartement im Stadtteil Ealing eingenistet - abseits des offiziellen Hotels in Steinwurfweite zur Halle. Dort wüteten zwar auch die mehrtägigen Krawalle und eingeschlagene Fenster sowie geschlossene Geschäfte gehörten zum alltäglichen Bild, dennoch war es eine Situation, die für eine Art innere Ruhe und daraus resultierender guter sportlicher Leistung sorgte.

"Sehr positiv für mich war, dass mein Appartement sehr losgelöst vom offiziellen Mannschaftshotel war. So hatte man immer das Gefühl, auch mal rauszukommen. Am Dienstag waren wir dann ein paar Stunden in der Stadt und haben an der Themse was gegessen und die eine oder andere Sehenswürdigkeit mitgenommen. Das gehört eben auch dazu, um sich ein wenig anzulenken", bestätigte Schenk.

"Das Schlimmste für den Sportler ist es, erst eine Stunde absolute Höchstleistung zu bringen, um dann die restlichen 22 Stunden die Zeit totschlagen und wieder topfit auf den Punkt da zu sein. Von daher hatte ich viel Ablenkung und hatte mit meiner Mentaltrainerin und ihren zwei Kindern eine gute Ablenkung - die verbreiten dann wichtige Wohlfühl-Atmosphäre."

Klatsche für die Europameisterin

Der gute Auftakt im Achtelfinale gegen die an Nummer vier gesetzte Chinesin Yanjiao Jiang sorgte dann dafür, dass Schenk ein wenig überdrehte und beim 21:14 7:21 21:17-Sieg im zweiten Satz völlig einbrach. "Der Beginn war Weltklasse. Eigentlich wollte ich dann im zweiten Satz daran anknüpfen, muss aber sagen, dass es eine kleine Sequenz gab, in der ich gemerkt habe, dass ich eigentlich alles spielen kann", so Schenk.

"Da war ich kurz davor zu überdrehen und den Boden unter den Füßen zu verlieren. An dem Tag war ich vom Tempo und von den Möglichkeiten aber sehr präsent und war mir sicher, dass ich gewinnen kann. Im Laufe des zweiten Satzes habe ich dann aber entschieden, den Fokus auf Satz drei zu legen, da ich mich erstmal sammeln musste, um die Konzentration wieder zu finden. Der Plan ist dann aufgegangen."

Die Form stimmte und dies musste auch die dänische Europameisterin Tine Braun anerkennen, die im Viertelfinale beim 9:21 und 11:21 chancenlos blieb. "Es war vom ersten bis zum letzten Ballwechsel eine Weltklasse-Leistung", bescheinigte sich Schenk nicht zu Unrecht. "Ich kann von der Präsenz her und von dem was ich ausgestrahlt habe nichts besser machen. Das hat meine Gegnerin auch deutlich gespürt und ich konnte dementsprechend das Spiel auch deutlich dominieren."

Andere Bedingungen - andere Vorzeichen

Die anvisierte Medaille war nach dem Sieg eingefahren, da es kein gesondertes Spiel um den dritten Platz gibt. Gleichzeitig ist Juliane Schenk erst die zweite in Deutschland geborene Badminton-Spielerin, die sich eine solche Auszeichnung bei einer WM verdient hat - nach Petra Overzier. Mit diesem Rückenwind im Gepäck ging es ins Halbfinale gegen die an sieben gesetzte Shao Chieh Cheng aus China.

Doch schon beim Betreten der Halle musste Schenk feststellen, dass es nur noch einen zu bespielenden Court gab, der so weit von den Zuschauerrängen entfernt positioniert lag, dass ein Augenkontakt zu ihrer Mentaltrainerin nicht mehr gegeben war. "Als ich das realisiert hatte, war das Gefühl nicht mehr so gut", erklärte Schenk.

"Denn daraus kann ich viel Energie ziehen, weiß in bestimmten Sequenzen genau, was für mich angesagt ist. Leider konnte ich diese Situation dann nicht ändern. Aber ich bin gut in das Spiel gestartet, musste dann aber erkennen, dass es sich nicht immer stimmig angefühlt hat. Mein komplettes Spiel ist dann runtergefahren und ich konnte trotz bester Vorbereitung nichts mehr ausrichten." Am Ende stand eine 18:21 und 6:21-Niederlage auf dem Spielbogen und ein lachendes sowie weinendes Auge im Gesicht von Schenk.

Seele baumeln lassen

"Ich bin schon glücklich über die Medaille, da es auch mein klar formuliertes Ziel war. Ein Jahr vor den Olympischen Spielen, in der Halle, in der es auch dann um Medaillen geht, den dritten Platz zu holen, ist eine große Sache. Und lässt positiv in die Zukunft blicken. Aber aufgrund meiner körperlichen und mentalen Verfassung wäre einfach mehr drin gewesen. Denn das Spiel hat nicht meine Gegnerin gewonnen, ich habe es verloren. Deswegen bin ich etwas enttäuscht. Ich bin überzeugt, dass ich in dem Match eine viel bessere Rolle hätte spielen können."

Nun gibt es erst einmal eine kleine Auszeit, bevor die kommenden Aufgaben anstehen, die aber nur eine Zwischenstation sind, auf dem Weg zu den Olympischen Spielen und der dort anvisierten Medaille: "Ich werde ein paar Tage die Seele baumeln lassen und dann in der nächsten Woche wieder ganz normal in den Trainingsbetrieb einsteigen", so Schenk.

"Dann stehen einige Bundesligamatches an und dann geht es auch im September schon wieder mit den Super-Series-Turnieren in China und Japan weiter. Das sind die nächsten internationalen Aufgaben. Da muss ich meine Form bestätigen und mit voller Freude ans Werk gehen. Aber der Weg ist der richtig und es geht dann darum, die nächsten Ziele zu erreichen und sich auf die Olympischen Spiele vorzubereiten."

Gunnar Beuth

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