Die Erfolgsgeschichte des Energydrinks Red Bull ist beeindruckend. Nach Coca-Cola und Pepsi hat es das österreichische Unternehmen aus Fuschl am See zum drittgrößten Getränkehersteller der Welt gebracht. Der rasante Aufstieg ist in erster Linie das Werks eines Mannes, der ein Marketinggenie war und dem es gelang, sein Produkt zum Kern einer eigenen Welt zu pimpen. Er erschuf rund um seine klebrig-süße Brause nicht nur eine bunte Sponsoring-Welt aus sportlichen Höchstleistungen, Nervenkitzel und Spaß, sondern eben auch etwas Reales, das erlebbar ist.
Diesem Dietrich Mateschitz und dem Konzern Red Bull widmet der TV-Sender RTL jetzt eine ausführliche Dokumentation, die ab dem 22. Oktober, dem ersten Todestag des Firmenpatriarchen, auf RTL+ abrufbar ist. In fünf Folgen erzählen die Autoren Peter Onneken und Diana Löbl die Entstehung des Phänomens Red Bull nach. Herausgekommen ist ein Werk, das gekonnt und unterhaltsam ein Stück Wirtschaftsgeschichte mit all ihren Widersprüchen beleuchtet. Der reißerische Doku-Titel "Aufgeputscht – die irre Welt von Red Bull" wäre gar nicht nötig gewesen, weil Leben und Wirken von Mateschitz sowieso schon spannend genug ist. Außerdem führt der Titel ein wenig in die Irre, denn so "irre" ist die Welt von Red Bull nicht. Im Gegenteil: Sie entstand aus kühler Kalkulation.
Die Erfindung des berühmten Werbespruch
Wir lernen gleich zu Beginn, dass die Geburtsstunde des Red-Bull-Kosmos' im Jahr 1987 liegt. Damals brütete der Werber Johannes Kastner in seiner Frankfurter Werbeagentur über einem Auftrag des ehemaligen Handelsvertreters Mateschitz. Der hatte auf einer Asienreise den thailändischen Energydrink Krating Daeng entdeckt, mit dem thailändischen Besitzer Chaeleo Yoovidhya eine Zusammenarbeit vereinbart und im Jahr 1984 gemeinsam die Red Bull GmbH gegründet. Mateschitz wollte den Energydrink, dessen thailändischen Namen er einfach ins Englische übersetzte, in Europa auf dem Markt bringen. Dafür war er bereit, Yoovidhya 51 Prozent der Anteile zu überlassen. Er selbst hielt 49 Prozent. An der Aufteilung zwischen den Geschäftspartnern hat sich bis heute nichts geändert.
Mateschitz passte die Zusammensetzung der Brause an und brauchte eine Marketingstrategie. Und Kastner lieferte ihm den Spruch, der den Kern der Werbekampagne liefern sollte: "Red Bull verleiht Flügel". Die Doku stellt die Szene nach, in der Kastner nachts im Rauch der Zigaretten und Whiskeyflasche am Schreibtisch sitzt und einen Versuch nach dem anderen zu Papier bringt. Mateschitz lehnt alle Vorschläge ab, bis er irgendwann zufrieden ist. Doch dann hat Kastner eine Eingebung, mitten in der Nacht ruft er Mateschitz an. Der antwortet im Schlafanzug auf dem Bett sitzend mit zwei Worten: "Das passt", und legt auf. Ein Schöpfungsmythos hübsch in Szene gesetzt.
Das Marketing- und Verkaufswunder, das hier seinen Ausgang nimmt, und das Leben seines Schöpfers ist Thema der ersten Folge. Das ist deshalb interessant, weil man nicht viel weiß über Mateschitz. Er schirmte sein Leben streng von der Öffentlichkeit ab und gab niemals Interviews. Privates blieb streng privat.
Mateschitz' Leben bietet genug Erzählstoff
Dennoch lässt sich genug berichten über das Leben des Unternehmers. So holten die Autoren die erste Verlobte des Mannes vor die Kamera. Wir erfahren, dass Mateschitz als junger Mann Mitte der siebziger Jahre offenbar krankhaft eifersüchtig war. Sie habe sich deswegen nach einem halben Jahr von ihm getrennt, weil es kaum auszuhalten war, erzählt die Frau. Eine Buchveröffentlichung habe Mateschitz verhindert. Wir hören Geschichten, wie der ruppige Mateschitz später einmal einen Journalisten bedrohte ("Solange eine perforierte Kniescheibe in Moskau 500 Dollar kostet, werden Sie nicht sicher sein"), sich aber entschuldigte. Er entwickelte sich zu einem Mann, der sich auf einer Mission befand. Sein Unternehmen soll er teilweise wie eine Sekte geführt haben. Ein Spruch unter Mitarbeitern lautete: "Die Dose gibt es, die Dose nimmt es."
Er gründet mit ServusTV einen eigenen TV-Sender und kauft im österreichischen Ort Spielberg eine Rennstrecke, in die er insgesamt 500 Millionen Euro investierte. Mateschitz spendierte den Anwohnern Geld, damit die ihre Häuser und Gärten aufpolierten für die vielen internationalen Gäste. RTL-Moderator Florian König nennt Spielberg ein "österreichisches Disneyland für Motorsport-Verrückte".
Als Mateschitz die Rennstrecke kaufte, lag schon ein weiter Weg hinter ihm. Der Sohn einer alleinerziehenden Lehrerin aus der Steiermark studierte in Wien an der Wirtschaftshochschule, war als als Handelsvertreter weltweit unterwegs und wurde schließlich Marketingchef von Blendax, der Zahnpasta-Firma. Doch das reichte ihm nicht. Mit Red Bull wollte er den Markt in Europa und den USA erobern, und das gelang ihm.
Deutsche Barbesitzer schmuggelten Red Bull über die Grenze
Red Bull wurde zunächst zum angesagten Lifestyledrink in Österreich und in den Ski-Hütten. Energydrinks waren in Europa damals unbekannt. Es gab Gerüchte, die aufputschende Wirkung stamme von einem Extrakt des Stierhodens. Dabei war und ist die Zusammensetzung schlicht. Wasser mit viel Zucker, viel Koffein und Taurin, was damals niemand kannte. Die deutschen Behörden, stets misstrauisch und korrekt, verboten den Drink in Deutschland zunächst, was Red Bull natürlich nutzte. Längst hatten findige Bar- und Klubbesitzer aus Deutschland angefangen, das Modegetränk aus Österreich über die Grenze zu schmuggeln(!). All das beförderte den Aufstieg der Marke. Red Bull wurde zum festen Bestandteil der aufkommenden Techno- und Rave-Szene. Einige nannten es abfällig "Kokain für Arme".
Gleichzeitig erkannte Mateschitz den Wert des Sports, und sein radikales Konzept ging auf. Er setzte zunächst auf Radfahrer und Ruderer, später auf Extremsportarten, bis er groß in die Formel 1 einstieg. Die Gründung des Red-Bull-Rennstalls verschaffte dem Getränk einen Verkaufsschub, Red Bull wurde zur Weltmarke. Allein im Jahr 2022 verkaufte sich die Dose weltweit 11,6 Milliarden mal. Noch heute steckt Red Bull ein Drittel seines Umsatzes in Werbung, und davon ein Drittel in den Sport, berichtet die Wirtschaftsexpertin Sandra Navidi. Sie ist eine von vielen Mateschitz-Kennern, die in der Doku zu Wort kommen.
So erschuf sich Mateschitz im Lauf der Jahre ein gewaltiges Sport- und Event-Imperium, das als gigantische Marketing-Maschinerie dient. Gleichzeitig ist Red nicht nur Sponsor, sondern auch Akteur, der selbst am Sport verdient. Folgerichtig leuchten die weiteren Episoden das weltumspannende Geflecht näher aus. So handelt eine von der trickreichen Entstehung des Fußball-Vereins RB Leipzig, eine andere erzählt vom spektakulären Sprung aus dem Weltall, den der Extremsportler Felix Baumgartner 2012 wagte. In der letzten Episode gibt es einen Ausblick auf sein Erbe. Mateschitz überließ nichts dem Zufall. Sein Sohn Mark erbte alles, wurde aber von der Unternehmensführung ausgeschlossen. Dafür liefert er jetzt zuverlässig Stoff für den Boulevard.
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