Es ist der erste Dopingfall während der diesjährigen Tour de France, auch wenn es sich um eine Trainingskontrolle vom 8. Juni - also einen Monat vor dem Tourstart - handelt und der betreffende Fahrer inzwischen ausgeschieden und mit schweren Kopfverletzungen in ein Hamburger Krankenhaus eingeliefert worden ist. Darüber hinaus betrifft es weder die kasachische Mannschaft Astana, noch die misstrauisch beäugten spanischen Mannschaften, sondern das Vorzeigeteam des neuen Radsports: Die Bonner Mannschaft T-Mobile, durch Skandale und Geständnisse vermeintlich geläutertes Vorzeigeteam des Weltradsports.
Das Ergebnis - 40 Tage später
Dieser Dopingfall wirft eine Reihe von Fragen auf. Zunächst die sich aufdrängende Frage, warum es trotz vergrößertem Materialeinsatzes 40 (!) Tage gedauert hat, bis die Probe analysiert wurde und Team und Fahrer vom Ergebnis informiert wurden. Sinkewitz hätte (was zum Glück nicht passiert ist) in der Zwischenzeit Deutscher Meister werden können und bei der Tour de France für Furore sorgen und damit dem Radsport noch weit schwereren Schaden zufügen können.
Falls es keine Absicht sein sollte (man also nicht gewartet hat, bis der Fahrer ohnehin bei der Tour ausgeschieden ist), sollte die verantwortliche NADA dringend die Verfahren soweit beschleunigen, dass die Testergebnisse der A-Probe innerhalb von Wochenfrist vorliegen. Es ist unerträglich - im Fall von Matthias Kessler dauerte es ja sogar über zwei Monate - dass hier nicht schneller gearbeitet wird und Profis in der Zwischenzeit Rennen fahren und gewinnen. Falls Geldmangel der Grund für diese Verzögerung sein sollte, muss die NADA Alarm schlagen, um die benötigten Mittel aufzutreiben.
Was wusste T-Mobile?
Die zweite wichtige Frage betrifft T-Mobile, die ehemalige Mannschaft von Jan Ullrich und Bjarne Riis, das Team, das sich den Kampf gegen Doping auf die Fahnen geschrieben hat und die wissenschaftliche Beobachtung der eigenen Fahrer inzwischen auf ein im Radsport bisher unbekanntes Level gehoben hat. Was wusste T-Mobile? Wenn das Team auch nur eine Ahnung von der möglichen Verstrickung von Sinkewitz gehabt haben sollte, ist die Politik der Teamleitung komplett gescheitert und die Mannschaft sollte ihre Aktivitäten einstellen.
Wenn dem nicht so sein sollte, muss T-Mobile weitere Maßnahmen zur Kontrolle der eigenen Fahrer ergreifen, ihren Leumund prüfen, ihre Trainer und ihre Trainingspartner. Nur nach härteren Sanktionen zu rufen, kann dabei nicht die Lösung sein, aber ab sofort sitzt der "neue Radsport" von T-Mobile im Glashaus und es dürfte nicht wenige Fahrer und Teams in der Szene geben, die mit Schadenfreude auf die etwas zu selbstgerechte deutsche Mannschaft und ihren amerikanischen Chef blicken.
Sinkewitz nicht mit bestem Ruf
Patrik Sinkewitz fuhr vor seinem Wechsel zu T-Mobile jahrelang für Quick-Step und den Vorgänger Mapei unter dem höchst umstrittenen belgischen Teamchef Patrick Lefevre. Jahrelang wurde er von dem umstrittenen Arzt und Trainingswissenschaftler Dr. Michele Ferrari ("Dottore Epo") betreut, erst nach dem Wechsel zu T-Mobile trennte er sich auf Druck des neuen Teams von dem Italiener, der insbesondere durch seine Zusammenarbeit mit Lance Armstrong weltbekannt wurde.
Aber weiterhin gab es leise Gerüchte um den 26-Jährigen aus Fulda, die allerdings bis zu diesem Tag nicht durch Fakten untermauert werden konnten. Ein junger, deutscher Fahrer mit einer schon recht beachtlichen Erfolgsliste - sehr verlockend für T-Mobile, vielleicht zu verlockend. Ob Aldag und Stapleton hier zu blauäugig gewesen sind oder ob sie von Sinkewitz mit nahezu krimineller Energie getäuscht wurden - es besteht Bedarf an Selbstreflektion bei T-Mobile.