Sollte es den Himmel wirklich geben, Steve Jobs wird in seinem Rollkragen vermutlich mit einem Lächeln herunter zu uns Sterblichen geguckt haben. Sein Unternehmen, nein vielmehr sein Lebenswerk, hat beim Börsenwert als erstes die Marke von 3 Billionen Dollar geknackt. Für die Leute, die sich mit quasi-unrealistischen Zahlen eigentlich nicht befassen: das sind Dreitausend Milliarden Dollar. "Hut ab!" kann man da nur sagen, zu der Smartphone-Manufaktur aus Cupertino, Kalifornien.
Und das ist völlig ernst gemeint. Denn Apple selbst kann sich weiß Gott keinen Vorwurf dafür machen, als wertvollstes Unternehmen weltweit bewertet zu werden. Trotzdem wäre es sinnvoll, einmal kurz darüber nachzudenken, was es bedeutet, dass eine einzelne Firma so viel wert ist, dass sie den Deutschen Staatshaushalt für etwa sechs Jahre allein übernehmen könnte.
Börsenbewertungen sind Luftschlösser
Eine Bewertung wie die von Apple ist das Symptom einer weltweiten Geldpolitik, die an Perversion grenzt. Schon lange haben Börsenwerte nichts mehr mit der Realwirtschaft zu tun. Seit die Weltbanken, egal ob die europäische EZB oder die amerikanische Federal Reserve Bank, kostenlos Geld in den Markt pumpen, um die Wirtschaft am Laufen zu halten, steigen die Börsenwerte. Klimakrise, Corona-Pandemie, Warenengpässe, Inflation – all das konnte den Aktienmärkten nichts anhaben. Es geht schon lange nicht mehr darum, ob eine Unternehmen erfolgreich oder innovativ ist, oder ob Dividenden in Aussicht stehen. Börsenbewertungen sind Luftschlösser. Gebaut auf der Hoffnung auf Wachstum. Reales Geld ist dabei Nebensache, es kommt ja schließlich immer frisch und, wie in den vergangenen Jahre, quasi unbegrenzt rein.
40 Jahre Apple: Eine Geschichte voller Jobs und Flops
Und so dreht sich das Rad weiter. Immer schneller. Mit immer größerem Ausmaß. Angetrieben vom kostenlosen Geld der Zentralbanken. Nicht zufällig sind Unternehmen wie Apple, Tesla, Alphabet oder der Facebook-Mutterkonzern Meta in den vergangenen Jahren so groß geworden. Eine ähnliche Erfolgsstory wäre wohl in den 1980er oder 90er Jahren nicht denkbar gewesen. Vollkommen egal wie innovativ, erfolgreich oder beliebt ein Unternehmen gewesen wäre – eine solche Marktmacht hätte es vermutlich nicht gegeben. Wen dieses System an einen Schneeball erinnert, der einen Abhang hinunterrollt, der liegt gar nicht so falsch. Doch jeder Schneeball – auch wenn er zu einer Lawine wird – kommt irgendwann im Tal an. Und das hat oftmals keine angenehmen Nebenwirkungen.
Unter welchen Umständen die Aktienkurse steigen – das kann Anlegern sicherlich im ersten Moment egal sein. Die Renditen der vergangenen Jahre geben ihnen da sicherlich recht. Doch auch wenn es so scheint: Ganz von der weltweiten Realwirtschaft sind die großen Börsenplayer nicht entkoppelt. Die Börse ist ein Abbild der Weltlage, heißt es oft. Es geht um transnationale Spannungen, Krisen, Machtpolitik. All das kann die Aktienkurse beeinflussen.
Doch dieses Bild zerfällt allmählich. Wenn einige Staaten der Erde wegen der Corona-Pandemie und ihren Einflüssen auf die Wirtschaft kurz vor dem finanziellen Kollaps stehen, die Aktienindizes, die eigentlich die Wirtschaft abbilden sollen, aber immer weiter in die Höhe schießen, werden sie irgendwann unglaubwürdig – das System beginnt zusammenzubrechen. Denn oft wird vergessen, dass am Ende der Kette reale Menschen reale Produkte kaufen müssen. Sollten diese sich das irgendwann nicht mehr leisten können, ist Schicht im Schacht. Völlig egal, wie hoch ein Unternehmen an der Börse gehandelt wird.
Geld muss wieder etwas wert sein
Was also kann man tun? Genau das, wovor sich die Weltbanken seit Jahren zieren: die Leitzinsen anheben. Zahlungsmittel müssen wieder das sein, was wir von ihnen erwarten, wenn wir im Supermarkt einkaufen gehen: Sie müssen etwas wert sein. Dadurch würden auch für jeden normalen Bürger die Zinsen steigen. Das würde nicht nur bedeuten, dass Kredite nicht mehr wahllos vergeben werden, sondern auch dass unser Erspartes verzinst würde. Geld hätte plötzlich wieder Wert. Vielleicht würde das Sparbuch sein Comeback feiern – aber so einfach ist es natürlich nicht.
Der Zentralbanken haben über einen so langen Zeitraum so viel Geld in Umlauf gebracht, dass die Anhebung der Leitzinsen die Weltwirtschaft über Nacht zum Einsturz bringen könnte – als würde man einen Stock zwischen die Speichen dieses Rades stecken. Ohne den derzeit nicht endenden Strom neuen Geldes wären viele Unternehmen innerhalb kürzester Zeit zahlungsunfähig. Mit einer plötzlichen Anhebung um mehrere Prozent wäre der Schwarze Freitag 1929 dagegen vermutlich ein Kaffeekränzchen.
Es geht also nur langsam und behutsam. Doch besser so, als würde gar nichts passieren. Derzeit wirken die Zentralbanken etwa so hilflos wie Goethes Zauberlehrling: "Die Geister die ich rief, die werd' ich nun nicht los".